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Re: Softwarepatente



Hallo,

On Mon, Nov 10, 2003 at 02:57:04PM +0100, Joerg Prante wrote:
> Bei Software ist die Situation aber anders als bei den technischen Erfindungen 
> des 19. Jahrhunderts. Durch Lizenzen wie z.B. der GNU Public License ist die 
> Offenlegung gewährleistet, und nach 20 Jahren ist eine Software nur noch 
> historisch interessant. Softwarepatente sind zur "Währung" in den 
> Handelskonflikten grosser Konzerne geworden. Die Patentanwälte von Microsoft, 
> IBM und Co. legen ihre Streitigkeiten aussergerichtlich durch Patentaustausch 
> bei. Da können kleine Firmen wegen mangelnder Patentanmeldungszahl gar nicht 
> mitspielen.

nicht nur die grossen Konzerne sind die Nutzniesser von Softwarepatenten,
durch die sie kleine mittelstaendische Unternehmen mit ihren
Konkurrenzprodukten abwuergen koennen. Der groesste Nutzniesser ist aus
meiner Sicht der Juristenstand. Wenn ich allein an das denke, was sich in
der Vergangenheit an Abmahnungen im Kontext unrechtmaessig gebrauchter
Handelsmarken (Obelix vs Mobilix, etc) abgespielt hat, so wird gerade durch
die Softwarepatente hier wieder ein weiteres lukratives Betaetigungsfeld
fuer Juristen geschaffen. Denn jedes kleinere Unternehmen muss - bevor es
mit seinem jungen innovativen Produkt auf den Markt strebt - zunaechst
einmal - z.B. durch Patentanwaelte - eine umfangreiche Recherche
durchfuehren, ob nicht irgendwelche Patentrechte anderer verletzt werden -
und bezahlen. Dann muss es gegebenenfalls - ebenfalls z.B. durch Anwaelte -
Vertraege zur Nutzung eben jender Patente aushandeln - und wieder bezahlen.
Und schliesslich muss es immer darauf gefasst sein, dass irgendein
Unternehmen oder ein Anwalt nachtraeglich ein Patent ausgraebt, mit dem
wieder Forderungen erhoben werden - die finanziell beigelegt werden muessen.

Insgesamt kommt mir da unweigerlich der Gedanke einer grossangelegten
EU-weiten ABM fuer Juristen ;-) Wenn man sich dann noch ueberlegt, wieviel
sonst produktiven Kapitals aus den Unternehmen dadurch abgezogen und in
Richtung Juristerei wandert, frage ich mich wirklich, ob die wirtschaftliche
Produktivitaet und damit auch der Wohlstand eines Landes dies beliebig lange
verkraften kann. Vielleicht sollte man sich hier einmal vergegenwaertigen,
was in Punkto Produktivitaet, Aussenhandelsdefizit und Klagekultur in den
USA so laeuft ;-)

Und das auch grosse Unternehmen - wie z.B. Microsoft - von all dem
Patentwust nicht verschont bleiben, hatte erst juengst die Firma Eolas mit
ihrer Forderung von etwa einer halben Millarde US$ gezeigt, was
mittelfristig erstmal dazu fuehrt, dass Microsoft aus ihrem InternetExplorer
verschiedene PlugIns verbannt.

Unabhaengig von diesem moechte ich einen weiteren - aus meiner Sicht noch
nicht thematisierten - Gedanken spinnen fuer den Fall, dass das Uebel
Softwarepatente irgendwann dann doch mal ueber uns alle hereinbricht und
Realitaet wird.

Angenommen es gaebe Softwarepatente, hatten dann nicht saemtliche
Unternehmen, insbesondere auch die grossen, Grund genug, sich selbst davor
zu fuerchten?

Denn aehnlich der GPL, die in gewisser Weise das Copyright umdreht
(sinnigerweise wird hier dann auch von copyleft gesprochen ;-), wiso sollte
dies nicht auf gleiche Weise im Bereich der Softwarepatente einsetztbar sein?

Man stelle sich z.B. die Free Software Foundation als gemeinnuetziger
'Inhaber' einer Form von Softwarepatenten vor, die nur gewaehrt werden, wenn
das sie nutzende Produkt komplett geoeffnet wird, wollte man sie nutzen.

Bei der mittelfristigen Erlangung einer hinreichenden Anzahl an
'Basistechnologielizenzen' durch so einen gemeinnuetzigen 'Inhaber' wuerde
damit das Geschaeftsmodell eines jeden Unternehmens, welches an der
jeweiligen Basistechnologie nicht herumkommt, in sich zusammenbrechen.

Insofern frage ich mich, ob jenseits von Juristen wirklich auch die grossen
Unternehmen - siehe auch oben schon jetzt den Eolas-Fall - so ein
berechtigtes Eigeninteresse an der Einfuehrung von Softwarepatenten haben
koennen.

> Die Sinnhaftigkeit von Softwarepatenten ist aus staatlicher Sicht generell 
> fragwürdig. Man erreicht dadurch nicht die Förderung des technischen 
> Fortschritts, sondern eher einen Teilhabeausschluss aller konkurrienden 
> Firmen.

Genau so ist es leider. Nimmt man dann noch hinzu, dass gerade das
'europaeische Portfolio' an Softwarelizenzen im Vergleich zu den USA doch
eher mickrig ist, bedeutet die Einfuehrung von Softwarepatenten gerade das
Gegenteil der Emanzipierung von Uebersee und des Aufbaus einer
prosperierenden *europaeischen* Softwarewirtschaft. Stattdessen wird das gros
an europaeischen Softwareunternehmen gegenueber ihren US-pendants zunaechst
einmal massiv benachteiligt.

Gruss

O. Flimm

-- 
Oliver Flimm                                E-mail: flimm _at__ ub.uni-koeln.de
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