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Re: Softwarepatente
Am Montag, 10. November 2003 10:46 schrieb Michael Schaarwaechter:
> --On Montag, November 10, 2003 10:21:58 +0100 Johannes Weiler
>
> <JMW2020 _at__ gmx.de> wrote:
> > mich würde das Thema "Softwarepatente" schon interessieren, jedoch in
> > einem sachlich vernünftigem Rahmen ohne Polemik. Ich halte eine solche
> > Diskussion nachwievor für möglich.
> > Da ich bisher nur wenig Ahnung habe was dieses Thema betrifft, habe ich
> > ein paar Fragen dazu.
> > 1. Geht es um Commerzialisierung des Netzes bzw. tangiert dies das Thema?
> > 2. Da es noch keine weltweite Gesetzgebung gibt, ist da durch die
> > Globalisierung bzw. Multikonzernbildung (z.B. Microsoft) Tür und Tor
> > geöffnet? Werden nationale Kartellgesetze somit unbrauchbar?
> > 3. Welche Auswirkung hat dies aufs Bibliothekswesen?
> > Ich würde mich freuen, wenn ich durch meine Fragen einer sachlicheren
> > Diskussion einen neuen Anstoß geben konnte.
>
> Hallo,
>
> ich wuerde mich auch darueber freuen und habe deshalb das
> Subject/Betreff-Feld dieser Mail geaendert.
>
> Meiner Ansicht nach behindert das blinde Patentieren jedes auch noch so
> trivialen Vorganges "kleine" Selbststaendige und Firmen, die sich das
> aufwendige und kostenintensive Recherchieren nach vorhandenen Patenten, die
> ihre Programme betreffen koennten, nicht leisten koennen.
Hallo,
Patente waren ja einmal dazu gedacht, neue Erfindungen offen zu legen. Das
Patentrecht wird ja vom Staat gewährt. Der Staat wollte verhindern, dass
Erfindungen zum Geheimnis von Privatunternehmen werden und verloren gehen,
sollte den Erfindern oder Privatunternehmen etwas passieren (Konkurs, Tod
usw). Mit Patenten wollte der Staat des 19. Jahrhunderts den technischen
Fortschritt nachhaltig fördern und sicherte den Patentanmeldern im Gegenzug
Patentschutz für 20 Jahre zu.
Bei Software ist die Situation aber anders als bei den technischen Erfindungen
des 19. Jahrhunderts. Durch Lizenzen wie z.B. der GNU Public License ist die
Offenlegung gewährleistet, und nach 20 Jahren ist eine Software nur noch
historisch interessant. Softwarepatente sind zur "Währung" in den
Handelskonflikten grosser Konzerne geworden. Die Patentanwälte von Microsoft,
IBM und Co. legen ihre Streitigkeiten aussergerichtlich durch Patentaustausch
bei. Da können kleine Firmen wegen mangelnder Patentanmeldungszahl gar nicht
mitspielen.
> Dadurch wird der
> Gedanke Open Source, GNU usw. ad absurdum gefuehrt, weil gerade diese
> Programme oft in einem nicht kommerziellen Umfeld geschrieben werden. Das,
> und da haben Sie Recht, fuehrt zu einer weiteren Monopolisierung.
Die Sinnhaftigkeit von Softwarepatenten ist aus staatlicher Sicht generell
fragwürdig. Man erreicht dadurch nicht die Förderung des technischen
Fortschritts, sondern eher einen Teilhabeausschluss aller konkurrienden
Firmen.
> Ich finde schon, das geistiges Eigentum geschuetzt werden sollte. Aber
> weder die langen Fristen entsprechen der Geschwindigkeit des Wandels in der
> EDV noch werden irgendwelche Anspruech an die Komplexitaet der
> "Erfindungen" gemacht, wie es sinnreich waere.
Selbst wenn es Komplexitätskriterien gäbe, dann käme es zu absurden
Entwicklungen. Man stelle sich vor, eine Firma hätte vor vielen Jahren ein
neues Verfahren zur rechnergestützten Ausleihe von Medien in einer Bibliothek
mit anschliessender Rückgabeverbuchung patentiert.
Ohne Wohlwollen dieser Firma wäre es jahrelang für andere Firmen nicht möglich
gewesen, Lokalsysteme für Bibliotheken anzubieten. Ganz zu schweigen vom
Staat, der den Leihverkehr der öffentlichen Bibliotheken regelt - er hätte
sich von der Firma abhängig machen müssen, um diese mit Lokalsystemen
auszustatten.
Viele Grüße
Jörg Prante
--
Jörg Prante
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