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Re: E-Publizieren
lieber klaus,
vielleicht vorab: ich finde es einen wichtigen & viel zu selten getanen
schritt, dass texte vor veroeffentlichung den kritischen augen der
community "ausgeliefert" & -- im besten falle ;-) -- entlang der
rueckmeldungen ueberarbeitet & verbessert werden!
was den text selbst angeht, habe ich einige anmerkungen,
strukturierungsvorschlaege, vorschlaege zu expliziterer einfuehrung von
begriffen usw., die du in einer datei findest, die ich dir getrennt
schicke; hier vielleicht einige auszuege, die auch fuer andere in der
liste evtl. diskussionswuerdig/kontrovers/? sind:
1. peer review
--->
Im naturwissenschaftlichen Bereich kommen Kosten für das aufwendige
Begutachtungsverfahren (Peer Review) hinzu. Nach meiner Erfahrung
empfiehlt sich eine Übertragung dieses Procedere auf die
Geisteswissenschaften keineswegs. Peer Review ist ein Schlagwort, das
zumindest auf unserem Feld nicht die Bedeutung hat, die ihnen von
vielen Open-Access-Aktivisten zugemessen wird.
<---
als herausgeberin einer fachzeitschrift, aber auch als autorin von
unterschiedlichsten beitragssorten wuerde ich dem widersprechen: peer
review findet nicht nur in den naturwissenschaften statt, & es ist (und
sollte m.e.!) nicht nur ein schlagwort sein: es handelt sich um ein
essential, das helfen soll & (wenn tatsaechlich, transparent &
konstruktiv praktiziert) hilft, eine gewisse qualitaet von
veroeffentlichungen zu sichern. wie es genau gehandhabt wird, zb double
blind oder offen, wie viele beteiligte uswusw ist von fall zu fall
aushandelbar. bei uns wird nur ein bruchteil der eingereichten beiträge
veroeffentlicht wie eingereicht, die vielen ueberarbeitungsschlaufen
verbessern in der regel erheblich & sind auch zugewinn fuer die
autor(inn)en, von denen wir in fast allen faellen ein positives feedback
bekommen. dies oefters auch bei ablehnungen, was ja eine tlw. sensible
geschichte ist & m.e. auch von zeitschriftenseite sensibel (begruended,
konstruktiv ...) gehandhabt werden sollte.
--->
Nun treffen die Manuskripte ein. Die zweite Subventionierung besteht
darin, daß die gesamte Redaktionsarbeit - insbesondere das
zeitaufwendige Vereinheitlichen der Zitierweisen und die einheitliche
Formatierung des Bandes - in den Händen von Hilfskräften und weiterem
Personal des Lehrstuhls einschließlich der Sekretärin liegt.
<---
s.o., auch hier hat mich ein bisschen ueberrascht, dass dies die
zeitaufwaendige redaktionsarbeit ist: als zeitschrift, aber auch als
buchherausgeberin kann ich autor(inn)en meine manuskriptstandards
nahelegen & sie um einhalten bzw. wenn nicht geschehen um korrektur
bitten. insoweit ist meiner erfahrung nach, was du als das aufwaendigste
beschreibst, hoechstens das zweitaufwaendigste: das aufwaendigste sind
die zig inhaltlichen revisionsdurchlaeufe, bis ein beitrag
veroeffentlicht werden kann.
2. welche dateiformate? - pdf usw.
--->
Es leuchtet unmittelbar ein, daß bei einer digitalen Distribution
unseres Beispielbandes die öffentliche Hand große Summen einsparen
könnte. Sie zahlt weiterhin die Wissenschaftler und die Hilfskräfte -
nur daß letztere ihre Redaktionsarbeit darauf konzentrieren, PDFs für
den eigenen Schriftenserver der Hochschule zu erstellen.
<---
hier wie in einigen andern zusammenhaengen ist mir der schritt zu den
PDFs zu schnell: PDF-dateien haben wichtige funktionen, zb erlauben sie
eine darstellung/struktur, die den trad. wiss. lesegewohnheiten recht
nahe ist, & eine plattformunabhaengige textdarbietung. aber HTML/XML
haben/eroeffnen zusaetzliche moeglichkeiten des arbeitens in & mit
veroeffentlichungen, die bisher meist hoechstens in ansaetzen probiert
werden (es ist anderes material wie videos einbindbar; interaktive
kommentierungen eines textes durch lesende sind moeglich usw.). im falle
von FQS bieten wir beides: dies ist aufwaendiger, aber es ist vielleicht
auch eine frage der philosophie dass ich vermute, dass ich potenzielle
autor(inn)en eher zur nutzung des internet einladen kann, wenn ich
einerseits an ihre sozialisation & (lese)gewohnheiten anschliesse
(dafuer stuende PDF) & anderseits sie zur nutzung des
darueberhinausgehenden/neuen ermutige (dafuer kann html/xml & aehnliches
stehen).
3. was verhindert vermehrte netzpublikation ...
--->
Stattdessen will ich mich abschließend den Widerständen zuwenden. Warum
ist nur ein winziger Bruchteil der aktuellen Forschungsliteratur im
Bereich der Geisteswissenschaften online zugänglich?
<---
Hier setzt du mir zu schnell die frage nach den widerstaenden mit der
frage nach den gruenden fuer die geringe zahl online-veroeffentlichungen
gleich: die widerstaende zielen, das legt deine folgende aufzaehlung
nahe, auf personen/potenzielle autor(inn)en. hier -- dh bezogen auf
autor(inn)en -- fehlt mir ein punkt wie unerfahrenheit: du redest von
einer "gewisse[n] allgemeine[n] Internetscheu" & kommst dann gleich auf
die "Skeptiker". m.e. zufolge ist es aber nicht nur eine sache der
skeptiker(innen ;-), sondern zb auch die frage der unerfahrenheit, die
angst vor diesem wenig transparenten unbekannten raum internet & das
sozialisiertsein in einer oft wenig fehler- & entwicklungsfreundlichen
wissenschaftskultur. mir stellen ziemliche viele leute ziemlich "dumme"
fragen, die sie stellen muessen, um nach & nach das netzpublizieren zu
lernen. gerade fuer solche, die in der hierarchie sehr weit "oben" sind,
aber auch fuer einige, die gerne "nach oben" wollen, ist es teilweise
ein bisschen anstrengend, sich als so unwissend zu outen & um hilfe zu
bitten. hier kann ich/koennen wir assistieren/diesen weg & lernprozess
begleiten (der ja irgendwann einmal der eigene war ...)
was gruende angeht, die ueber die seite potenzieller autor(inn)en &
deren widerstaende/unerfahrenheit usw hinausgeht scheinen mir zum einen
wiss.soz./-politische rahmenbedingungen wesentlich. hierzu gehoert, dass
online-veroeffentlichungen zb bei bewerbungen zu selten gleich gewichtet
werden -- hier braucht es m.e. massiven politischen Druck durch zb DFG,
BMBF; aber auch sorge fuer dauerhafte verfuegbarkeit von onlineprodukten
uswusw
ein zweiter wichtiger punkt ist m.e. die oft ungenuegende vermittlung
(teilweise auch nutzung) von e-publishing potenzialen durch die
anbieter(innen)/zeitschriftenherausgeber(innen) selbst: die machen
teilw. im netz weiter, was sie draussen gemacht haben. netzmedien werden
fuer werbung wenig oder hoechstens sehr unsystematisch genutzt (listen,
suchmaschinenrankings), die vorteile des e-publishing werden zu wenig
vermittelt: im falle von FQS sind solche vorteile verglichen mit
printmedien u.a. eine sehr viel schnellere veroeffentlichung, flexible
platzressourcen zur einbindung zusaetzlicher text-/datensorten, eine
weitaus groessere reichweite, sowie -- das muesste nicht so sein,
erleben wir aber oefters -- die qualitaetssicherung durch peer review &
muttersprachliches lektorat; transparente & kund(inn)enorientierte
arbeit mit autorinnen usw.
abschliessend & eingrenzend: meine anmerkungen sind ganz klar gezeichnet
durch meine arbeit & beziehen sich deshalb insbesondere auf den bereich
des e-publizierens in frei-zugaenglichen international operierenden
soz.wiss fachzeitzeitschriften. ich hoffe aber, dass sie dir trotzdem
nutzen & evtl. auch hilfreich fuer eine weitere diskussion hier in
inetbib sind.
herzliche gruesse,
katja mruck
--
FQS - Forum Qualitative Sozialforschung
/ Forum: Qualitative Social Research (ISSN 1438-5627)
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