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Re: Archivierung von Pruefungsarbeiten
- Date: Tue, 15 May 2001 22:21:22 +0200
- From: Klaus Graf <graf _at__ uni-koblenz.de>
- Subject: Re: Archivierung von Pruefungsarbeiten
[Da das Problem nicht nur die Archivare angehen soll wieder einmal eine
Mehrfachverteilung einer Antwort an die "Archivliste".]
Werner Lengger wrote [archivliste]:
>
> Liebe Kolleginnen und Kollegen,
>
> eben macht mich Herr Brübach, darauf aufmerksam, daß mein Text zu lang
> ist, um ihn als Dateianhang an die Listenteilnehmer versenden zu
> können. Darum also eine andere Lösung: Ab sofort ist der Text im
> Internet unter der folgenden Adresse verfügbar:
> http://www.uni-augsburg.de/archiv/pruefarb.rtf
> Mit der Bitte, mein Versehen zu entschuldigen und den besten Grüßen
> aus Augsburg
>
> Werner Lengger
>
> ----------------------------------------------------------
> Dr. Werner Lengger
> Universitätsarchiv Augsburg
> Eichleitnerstraße 30
> D-86159 Augsburg
>
Lieber Herr Lengger,
Ihre Ausarbeitung habe ich mit groesster Hochachtung gelesen, und in
vielem stimme ich mit Ihnen ueberein. Es ist ausserordentlich
erfreulich, dass Sie aus der Sicht eines Universitaetsarchivars einen
wichtigen Diskussionsanstoss gegeben haben, dessen Grundtendenz mir
ausserordentlich sympathisch ist. Waere die "Archivliste"
diskussionsfreudiger, so koennte hier noch einiges an Erfahrungen
eingebracht werden. Anzustreben waere dann auch eine gedruckte
Publikation durch Sie im "Archivar" oder auch in der Muenchner
Archivalischen Zs.
Hier nur einige erste Bemerkungen zur Sache:
Eine archivische "Inselloesung", die den wissenschaftlichen Wert einer
solchen Abschlussarbeit in die archivische Bewertungsproblematik
einbezieht, ist meines Erachtens nicht optimal. Die Bibliotheken und
universitaeren Hochschulschriftenserver muessten in die Pflicht genommen
werden, diejenigen Arbeiten rasch der Wissenschaft zur Verfuegung zu
stellen, die einen nennenswerten Wert fuer die Forschung besitzen.
Der wissenschaftliche Wert solcher Arbeiten wird (auch von Professoren,
erst recht von Bibliothekaren) sehr haeufig unterschaetzt. Es ist nicht
einzusehen, dass nur solche Arbeiten gern von Staats- und
Universitaetsarchiven fuer archivwuerdig erklaert werden, die
historischen oder landesgeschichtlichen Bezug haben. Richtig ist, dass
die Archivare diese Arbeiten meinen hinsichtlich ihres wiss. Gehalts
vermeinen besonders gut beurteilen zu koennen.
Nicht von ungefaehr nehmen Archivare gern Pflichtexemplare von Arbeiten
an, die aus der Archivbenutzung hervorgegangen sind. In der "Soester
Zeitschrift" habe ich sogar Rezensionen solcher Arbeiten in den letzten
Jahren gelesen. Westfaelische Arbeiten stellte juengst z.B. ein Aufsatz
in: Westfaelische Forschungen 49 (1999) 537-46 vor.
Ich habe auch einmal einen Band des altgermanistischen Lexikons "Die
deutsche Literatur des Mittelalters" auf die Auffuehrung von solchen
Arbeiten in den Literaturverzeichnissen der Artikel durchgesehen und
eine nennenswerte Anzahl gefunden.
In Oesterreich gibt es nur Diplomarbeiten als Abschlussarbeiten. Diese
werden von der Hochschul- und der Nationalbibliothek gesammelt und
stehen auch der (Auslands-)Fernleihe zur Verfuegung.
Im Internet stellt sich ein (Muenchner) DFG-Projekt
http://www.magi-e.de
vor, das herausragende Arbeiten aus der Geschichtswissenschaft als Buch
und im Internet (unerfreulicherweise kostenpflichtig!!!) publizieren
moechte. Das greift entschieden zu kurz: Anzustreben waere eine
Gesamtdatenbank der Arbeiten mit Zugriffsmoeglichkeiten, die allen
interessierten Wissenschaftlern rasch einen Zugang zu den Arbeiten
(Bibliotheksnachweis mit Fernleihmoeglichkeit, ggf. auch E-Text)
ermoeglichen wuerde. Eine digitale Speicherung waere wuenschenswert und
koennte vielleicht auch das leidige Platzproblem loesen.
Zu den Urheberrechtsfragen: Es ist zwar m.E. davon auszugehen, dass nach
herrschender Lehre alle Arbeiten urheberrechtlich geschuetzt sind (nicht
ihre Inhalte!), aber die von Ihnen gezogenen Konsequenzen koennen
durchaus akzeptiert werden. Ich sehe also in der ueblichen archivischen
Nutzung unveroeffentlichter Arbeiten ebenfalls keine
(Erst)Veroeffentlichung i.S. des § 12 UrhG (siehe dazu auch OLG
Zweibruecken, zit. bei Schricker, UrhR 1999, § 12 Rdnr. 19) und auch
kein Inverkehrbringen.
Freundliche Gruesse
Dr. Klaus Graf
Zur archivischen Problematik von Pruefungsunterlagen (1989):
http://www.uni-koblenz.de/~graf/pruef.rtf
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.