[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]
Re: Zukuenftige Finanzstrategien
Sehr geehrte Damen und Herrn,
ich halte den Beitrag vom Kollegen Neubauer deshalb fuer sehr wichtig,
weil es eine groessere Gefahr fuer das Bibliothekswesen in Deutschland ist,
wenn immer nur auf die Finanzmisere verwiesen wird,
anstatt die gewaltige Prosperitaet des Bibliothekswesens sichtbar zu machen.
Wir selbst, die Bibliothekare, haben zu lange den Bibliotheksuntergang durch
Sparmassnahmen prophezeit.
Die Zahl der Universitaetsbibliotheken hat sich von 1973 bis zum Ende des
letzten
Jhs. indessen knapp verdoppelt.
Die Öffentlichen Bibliotheken mit hauptamtlichem Personal sind von
1.700 (1971) auf 4.700 (1992) gestiegen. Es gab noch nie so viele Neubauten.
Wenn man die Vermehrungsetats von Universitaetsbibliotheken von der Mitte
des
letzten Jahrhunderts bis zu seinem Ende verfolgt, so haben sich diese um
jaehrlich 10 Prozent erhoeht. (Ewert/Umstaetter Lehrbuch der
Bibliotheksverwaltung 1997). Selbstverstaendlich ist vieles davon laengst in
CD-ROM-Netze und e-journals geflossen anstelle von gedruckten Buechern und
Zeitschriften.
Den Untergang des Bibliothekswesens als Menetekel an die Wand geworfen zu
haben
ist zu gefaehrlich (Schliessung des DBI, Unterschaetzung der Bedeutung der
Bibliothekswissenschaft etc.).
In Wirklichkeit bauen die USA ihr Bibliothekssystem
(das seit etwa eineinhalb Jahrhunderten dem unseren ueberlegen ist) immer
weiter aus,
insbesondere im Zusammenhang mit ihren Fernstudienangeboten.
Bibliotheksbasiertes Lernen ist angesagt.
Weder die Bibliotheks-, noch die Finanz- oder Strukturkrise ist neu,
das ist die ganz normale, seit einem Jahrhundert anhaltende,
Metamorphose von der Little Science zur Big Science -
zur Wissenschaftsgesellschaft, die die Bibliotheken dringender denn je
braucht.
Die moderne Wissenschaftsgesellschaft, nutzt die Digitale Bibliothek zur
Erzeugung neuen Wissens,
im Gegensatz zur Wissensgesellschaft, die eigentlich genug Wissen haben
muesste,
wenn sie sich so bezeichnen will.
Wir sollten uns auch daran erinnern, dass das Online-Retrieval in Deutschen
Bibliotheken
im Januar 1976 begann und nicht erst mit dem Internet. Die Bibliothekare,
mit der amerikanischen
Medizindokumentation waren die Vorreiter (nach dem Sputnik Schock der
Amerikaner),
nicht die Physiker oder Mathematiker, die heute so hoch gelobt werden.
Genau genommen haben viele von ihnen zwanzig Jahre verschlafen,
und damit den Technologieschub erst in den 90er Jahren erfahren. Das macht
sie heute so modern.
> 4. Die Bibliotheken muessen sich verstaerkt um die Entwicklung
> elektronischer Dienstleistungen und den Ausbau der hierzu
> notwendigen Infrastruktur bemuehen.
Nicht nur weil sie in Deutschland etwas versaeumt haben, sondern auch
weil die USA uns seit dem zweiten Weltkrieg immer vorauseilte.
> Ich halte es fuer laengst ueberfaellig, dass die Bibliotheken die
> Auseinandersetzung um die Gestaltung der eigenen Zukunft
> endlich aufnehmen. Es ist kontraproduktiv, in einer solchen
> Situation immer wieder nur "mehr Geld" zu fordern. Ich appelliere
> dringend an alle, die Verantwortung tragen und um unsere Zukunft
> besorgt sind, eine offene, konstruktive und handlungsrelevante
> Diskussion zu fuehren.
Da hat Dr. Neubauer voellig Recht. Wir muessen wissenschaftlich nachweisen,
dass Bibliotheken auch heute noch, und insbesondere durch die
Digitalisierung,
das wichtigste Rationalisierungsinstrument,
nicht nur fuer Wissenschaft und Forschung sind, sondern ebenso fuer
Aus-, Fort- und Weiterbildung.
Die Finanzierung von Bibliotheken bedeutet, wenn sie richtig eingesetzt
wird,
Einsparungen in Forschung und Lehre die sich mehrfach amortisieren.
Deutschland kann nur mit einer zeitgemaessen bibliotheksbasierten Forschung
und Lehre
international konkurrenzfaehig werden.
Einsparungen, durch Investition in die Digitale Bibliothek, ist das Motto
der Bibliothekswissenschaft.
Das gedruckte Buch ist ein Teil der Digitalen Bibliothek, weil es zum
Ausdruck (Printout)
der Virtuellen Bibliothek geworden ist.
Die Archivierung in den USA geschieht laengst digital, weil alles andere zu
teuer ist.
MfG
Umstaetter
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.