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Re: Rechte an Diplomarbeiten



Ulrich Alpers wrote:
> 
> Liebe Liste, insbesondere liebe Rechtsgelehrte,

Letzteres bin ich in keinem Fall, zumal das Damoklesschwert des
deutschen Rechtsberatungsgesetzes in solchen Faellen stets zu
gewaertigen ist. Ich kann nur meine unmassgebliche Meinung mitteilen.

Wir hatten hier ja neulich schon Beitraege zum gleichen Thema, wobei ich
Auszuege aus meinen eigenen der Einfachheit halber im Anhang
dokumentiere.


> die Fakultaet Physik der Universitaet Stuttgart verlangt von
> jedem Diplomanden der eigenen Fakultaet sowie jedem Diplomanden,
> an dessen Diplomarbeit ein Mitglied der Fak. Physik (etwa als
> Mitberichter) beteiligt ist, die Abgabe eines Exemplars der
> Diplomarbeit in der Bereichsbibliothek Physik zwecks Aufstellung
> dortselbst. Die fristgerechte Abgabe gehoert zum
> Diplompruefungsverfahren. Die Bereichsbibliothek Physik ist Teil
> der Unibibliothek, fuer jedermann zugaenglich, die Aufstellung
> dort duerfte also - zumal die Arbeiten im SWB katalogisiert
> werden - die Kriterien einer Veroeffentlichung erfuellen.
> 
> (Die Angelegenheit als solche waere mal zu diskutieren ... ein
> andermal.)

Es handelt sich um eine Veroeffentlichung im urheberrechtlichen Sinn (§
12 UrhG). Ich begruesse diese Praxis grundsaetzlich, auch wenn sie
juristisch nicht hieb- und stichfest sein mag und distanziere mich
ausdruecklich von den Ausfuehrungen des sonst von mir geschaetzten
Juergen Plieninger:

http://homepages.uni-tuebingen.de/juergen.plieninger/98s31.htm

> 
> Ein Diplomand fragte mich jetzt, inwieweit er berechtigt sei,
> seine Diplomarbeit auch anderweitig zu veroeffentlichen, entweder
> auf seiner privaten Homepage oder auch bei einem Anbieter, der
> den Zugriff auf die Arbeit gegen Geld boete und einen Teil des
> Gewinns an den Diplomanden abfuehrte. Darf der Diplomand mit
> seiner Arbeit, die unter Inanspruchnahme von Ressourcen der
> Universitaet zu Stande gekommen ist, Einnahmen erzielen? Muss er
> ggf. die Universitaet beteiligen?

Grundsaetzlich verfuegt der Diplomand ueber alle Rechte an der Arbeit,
soweit nicht eine arbeitsrechtliche Abhaengigkeit vorliegt. Er kann
diese ohne weiteres anderweitig drucken oder verwerten. Liegt keine
ausdrueckliche Vereinbarung mit dem Diplomanden vor, so ist auch die
Inanspruchnahme von Ressourcen der Universitaet ohne Belang. Ich
verweise dazu auf die im Anhang gegebenen Nachweise (WWW und Aufsatz
Veelken). Eine finanzielle Beteiligung der Universitaet kann in keinem
Fall verlangt werden.

 
> Kurz und allgemein: Wer hat in welchem Masse die Rechte an der
> Diplomarbeit?

Es kann hier kein juristisches Gutachten erstattet werden, zumal Herr
Professor U. diese Liste sicher wieder umgehend darueber informieren
wird, dass er anderer Meinung ist als ich.

Kurz und knapp: Die Recht an der Diplomarbeit liegen in der Regel
ausschliesslich beim Diplomanden.

Klaus Graf 

 
***

Re: Anfrage: Co-Autorenschaft bei wiss. Publikationen (Klaus Graf ,
03/12/01 17:59)
To: Internet in Bibliotheken <INETBIB _at__ ub.uni-dortmund.de>


Joachim.Lerchenmueller <Joachim.Lerchenmueller _at__ ul.ie> fragt nach
kontinentaleuropaeischen Parallelen zu Bestrebungen in Irland: 

"An den nicht-naturwissenschaftlichen Fakultaeten irischer
Universitaeten
wird die Tendenz offensichtlich staerker, die Publikationspraxis
naturwissenschaftlicher Forschungsgruppen und -labors zu kopieren, d.h.
von Magistranden und Doktoranden wird verlangt, den/die Supervisor(s)
als Mit-Autor(en) zu nennen, auch wenn kein (nennenswerter)
intellektueller Input dieser Person(en) vorliegt."

Solche Bemuehungen im geisteswissenschaftlichen Bereich sind mir aus
Deutschland nicht bekannt. Vor allem bei den Dissertationen ist mir
dergleichen noch nicht begegnet.

Hilfreich sind aber vielleicht einige Saetze zur Frage, ob dem Betreuer
einer universitaeren Abschluss- oder Pruefungsarbeit
(Magister/Magistra-, Diplomarbeiten usw.) Rechte an dieser zustehen.

Ein online zugaengliches Merkblatt der Univ. Karlsruhe zu "externen"
Diplomarbeiten (von 1998) stellt dazu zutreffend fest:

"Die von allen einschlägigen Prüfungsordnungen geforderte selbständige
Bearbeitung des Themas einer Diplomarbeit schließt das Entstehen eines
     Miturheberrechtes des betreuenden Professors selbst dann aus, wenn
von diesem (wesentliche) Anregungen für die Arbeit gegeben wurden. Eine
     Betreuungsleistung, die einen urheberrechtlich relevanten Beitrag
darstellte, wäre mit dem Wesen einer Diplomarbeit als Prüfungsleistung
nicht vereinbar."

http://www.verwaltung.uni-karlsruhe.de/abt/h1/extdipl.htm#D

Siehe auch das Muenchner Merkblatt:
http://www.e-technik.fh-muenchen.de/studium/diplomarbeit/

Zur gedruckten Literatur sei verwiesen auf:
Winfried Veelken: Schutzrechtsfragen im Hochschulbereich - Studien- und
Diplomarbeiten, in: Wissenschaftsrecht 26 (1993), S. 93-134
Peter W. Heermann: Der Schutzumfang von Sprachwerken der Wissenschaft
und die urheberrechtliche Stellung von Hochschulangehörigen, in: GRUR
1999, S. 468-476

Natuerlich steht der Kandidat (die Kandidatin) in einem schwierigen
Abhaengigkeitsverhaeltnis, das ihn fuer solche unberechtigten
Forderungen gefuege machen kann. Aber von der deutschen Rechtslage
(Hoschschul- und Urheberrecht) her sind solche Zumutungen klar
abzuweisen. Abschlussarbeiten sollen selbstaendig erstellt werden, und
jeder Kandidat muss das Recht haben, ein Thema zu erhalten, bei dem er
ueber seine eigene Leistung uneingeschraenkt verfuegen kann. Er darf in
keinem Fall gezwungen werden, eine privatrechtliche Vereinbarung ueber
die Abtretung von Nutzungsrechten an den Lehrstuhl (diskutiert bei
Veelken aaO) unterzeichnen zu muessen.

***

Ausgehend von einer Anfrage in der "Archivliste" habe ich mich
entschlossen, meine 1989 im Rahmen einer Taetigkeit am 
Universitaetsarchiv Heidelberg erstellte umfangreiche Ausarbeitung zur
archivischen Problematik von Pruefungsunterlagen (Diplomarbeiten,
Magisterarbeiten usw.) in unveraenderter Form online zugaenglich zu
machen (RTF-Format):

http://www.uni-koblenz.de/~graf/pruef.rtf

Gliederung:

0. Einleitung

1. Archivische Gesichtspunkte bei der Beratung der Verwaltung

1.1 Aufbewahrungsfristen
1.2 Fragen der Aktenordnung
1.3 Die Abfassung von Prüfungsordnungen

2. Die archivische Bewertung

2.1 Prüfungsunterlagen als historische Quelle

3. Die Benutzung von Prüfungsunterlagen im Archiv

3.1 Prüfungsunterlagen als personenbezogene Unterlagen

4. Die urheberrechtliche Problematik der Prüfungsarbeiten

4.1 Die Veröffentlichung von Prüfungsarbeiten über ihre Einstellung in
eine öffentliche Bibliothek oder ein Archiv
4.2 Exkurs: Urheberpersönlichkeitsrecht und archivische Praxis

---

Auch wenn diese Arbeit inzwischen laengst nicht mehr meinen heutigen
Wissensstand spiegelt, duerfte sie, da seither nicht sehr viel relevante
Literatur (abgesehen vielleicht von: Winfried Veelken:
Schutzrechtsfragen im Hochschulbereich - Studien- und
Diplomarbeiten, in: Wissenschaftsrecht 26 (1993), S. 93-134) erschienen
ist, moeglicherweise auch heute noch hilfreich sein. Die Arbeit richtete
sich nicht nur an Archivare, sondern auch an Bibliothekare,
Hochschulverwaltungspraktiker und Urheberrechtler. Das nach wie vor
virulente Problem des Umgangs mit diesen Arbeiten kann m.E. nur durch
das Zusammenwirken der unterschiedlichen Disziplinen geloest werden.


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.