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Off-Topic: Patente und Software
- Date: Fri, 27 Oct 2000 19:15:15 +0200 (MEST)
- From: daniel _at__ roedding.de (Daniel Roedding)
- Subject: Off-Topic: Patente und Software
Liebe Inetbib'ler,
das Thema ist vielleicht etwas "off-topic", mag aber vielleicht
für den/die ein oder andere(n) hier interessant sein:
Es geht um die Patentierbarkeit von Software. Wir haben in Deutschland
gegenwärtig einen vornehmlich durch die Rechtsprechung geformten
Zustand, der Patentierbarkeit von Software bzw. Computerprogrammen
vereinfacht gesagt dann ermöglicht, wenn es sich um "technische Erfindungen"
handelt. Ein "Computerprogramm als solches" ist aber von der Seite
der Legislative her (konkret: Patentübereinkommen) erst einmal
nicht schutzfähig.
Die Grenze der "Technizität" verläuft dabei unscharf und umfaßt nach
aktuellem Stand auch Komprimierungs- und Verschlüsselungsverfahren,
andererseits aber nicht das durchschnittliche "08/15-Programm".
Durch schnelle Innovation und (gerade im Internet) häufig vorgenommene
aufeinander aufbauende Entwicklungen/"Erfindungen" wird der aktuelle
Zustand mit Blick auf die technologische Entwicklung teilweise kritisch
beäugelt und eine Klarstellung dahingehend gefordert, Computerprogramme
ausschließlich im Bereich des Urheberrechts zu belassen. Andernfalls
fürchtet man die Blockierung von Marktsegmenten durch die Großindustrie,
Verlangsamung der Innovation und speziell Nachteile für Klein- und
mittelständische Unternehmen. Vertreter der Großindustrie sowie
Patentanwälte sehen dies genau anders herum, sie fordern Innovationsschutz
und behaupten, daß durch eine Ausweitung der Patentpraxis letztendlich
indirekt der Wettbewerb belebt und damit die Wirtschaft angekurbelt werde.
Das Patentrecht ist nicht rein nationale Sache. Deutschland ist
vornehmlich im Rahmen des Europäischen Patentübereinkommens in einen
internationalen Kontext eingebunden. Ende November soll dieses Patent-
übereinkommen überarbeitet werden, unter anderem ist eine textuelle
Änderung geplant, die als Signal für eine Ausweitung der Patentpraxis
im Softwarebereich gewertet werden kann.
Die Position Deutschlands wird z. Zt. im Bundesministerium der Justiz
diskutiert.
Aus dem Open-Source-Bereich hat es bereits heftige Kritik gegeben. Auch
Vertreter von KMU äußerten bereits gegenüber dem BMJ Befürchtungen, daß
die angedachte Regelung zu Benachteiligungen im Wettbewerb führen können.
Im Wirtschaftsministerium setzt man sich mit der Thematik auseinander,
weil man im Kontext von E-Commerce und digitaler Signatur Befürchtungen
hat, daß eine Behinderung der Open-Source-Entwicklungen zu sicherheits-
technischen Problemen durch "Black-Box-Systeme" führen kann.
"Wissen ist Macht", hieß es früher. Oder auch "Wer lesen kann ist klar
im Vorteil". Beides platte, progressive Formulierungen, die aber
letztendlich auch für Bibliotheken existentiell von Bedeutung sind.
Die Motivation, sich mit dem geschriebenen Wort auseinanderzusetzen,
ist häufig, neues zu lernen und indirekt sich damit einen Vorsprung zu
verschaffen.
Damit Wissen weitertransportiert wird ist es aber auch erforderlich, daß
z. B. der Leser mit dem erworbenen Wissen auch etwas anfangen kann.
Denn sonst fehlt ja die Motivation, sich überhaupt bestimmtes Wissen
anzueignen. Sagt zumindest der Verstand, was schöngeistige Werke angeht
mag es teilweise möglicherweise anders aussehen.
Patente wirken sich auf Verfügbarkeit und Anwendbarkeit von Wissen
zwiespältig aus: Einerseits wird mit einer Patenterteilung der paten-
tierte Gegenstand offengelegt, d. h. die Öffentlichkeit bekommt
Information über Funktionsweise und Einsatzmöglichkeiten von Innovationen.
Auf der anderen Seite wird die Anwendung des erworbenen Wissens durch
Patente monopolisiert.
Der Patentschutz ist schon alt und geht Jahrhunderte zurück. Er bezieht
sich historisch nur auf "gewerbliche" bzw. "industrielle" Verfahren.
Für die Ausübung vieler freier Berufe (z. B. Ärzte) gibt es keine
patentmäßige Schutzmöglichkeit, das ist wohl auch ganz gut für unsere
medizinische Versorgung.
Der EDV-Bereich ist ein Grenzgebiet zwischen den freien Berufen (z. B.
Bereich systemnahe Software-Entwicklung, eine Reihe von Individual-
software-Dienstleistungen) und gewerblicher Tätigkeit (z. B. Entwicklung
von Anwendungssoftware-Produkten).
Für die Marktvielfalt gerade der Individualsoftware-Dienstleistungen
droht eine Ausweitung der Softwarepatentierungspraxis zu einem
Problem durch Beschränkung der Marktvielfalt zu werden.
Mich würde interessieren, wie hier in der Runde diese Thematik gesehen
wird, bzw. ob dazu überhaupt unter Bibliothekaren eine Meinung
besteht. Bibliotheken sind in ihrer Aufgabe und Funktionsweise zwar
nicht direkt betroffen, aber indirekt dafür sowohl im Bereich
"Anwendung erworbenen Wissens" und auf der anderen Seite durch
den seit einigen Jahren stark zunehmenden EDV-Einsatz.
An Feedbacks bin ich dabei interessiert, zweckmäßigerweise bitte
aber direkt an mich per E-Mail (daniel _at__ roedding.de), weil die ganze
Sache vielleicht doch etwas arg ab vom Kernthema der Liste liegt.
In der Hoffnungen, mit dieser Off-Topic-Mail niemandem auf die
Nerven gegangen zu sein wünsche ich zunächst ein schönes
Wochenende und vielleicht doch noch etwas Sonnenschein...
Daniel Rödding
--
Daniel Roedding phone: +49 5252 9838 0
daniel _at__ roedding.de fax: +49 5252 9838 20
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.