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AW: Vorsicht, Laien !



Die Passage der Original-Presserklärung von BDB und DGI, auf die hier Bezug
genommen wird, lautet:

"Ziel des Kongresses ist es, die Öffentlichkeit - so zum Beispiel Politiker,
Führungskräfte in Unternehmen oder Journalisten ? aufzufordern, stärker als
bisher auf den Rat der Informationsspezialisten zu hören und deren Dienste
in Anspruch zu nehmen. Gerade die viel zitierte Informationsgesellschaft
benötigt die Kenntnisse und Erfahrungen von Informations-Professionals. Sie
sind die Navigatoren durch einen immer dichter werdenden
Informations-Dschungel. Sie können Informationen gewichten und
Informationsquellen bewerten.

Viel zu viel Zeit ist schon verschenkt worden. Auf dem Informationsmarkt,
der heute das gesellschaftliche Leben dominiert, herrschen vieler Orts
Wild-West-Sitten. Denkt man an den teilweise hilflosen Umgang mit dem
Internet oder an die Informationsflut im Zug der Globalisierung, so wird
klar, dass nur mit dem fundierten Wissen von Fachleuten die Zukunft
bewältigt werden kann. Gesetzgeber und Massenmedien benötigen die Hilfe
dieser Fachleute gleichermaßen.
Dabei geht es um Fragen des Urheberrechts ebenso wie um rechtliche Probleme
im Internet oder die Entwicklung einer Informations-Ethik. Noch immer werden
weitreichende Entscheidungen getroffen, ohne dass man die
Information-Professionals hinzuzieht. Entsprechend problematisch sind die
Ergebnisse.

Um sich Gehör zu verschaffen und auf die Notwendigkeit und die Möglichkeiten
von professioneller Informationsvermittlung hinzuweisen, haben sich alle
betroffenen Berufs-Verbände nun zusammengeschlossen und organisieren zum
ersten Mal in Deutschland in Leipzig im Jahr 2000 einen gemeinsamen
Kongress. Das Motto ?Information und Öffentlichkeit? wird für die nächsten
Jahre richtungsweisend sein."

So schwachsinnig erscheint mir diese Presseerklärung noch immer nicht!


Dr. Horst Neißer
DGI - Deutsche Gesellschaft für Informationswissenschaft und
Informationspraxis




-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Maiser _at__ zb2.ub.uni-dortmund.de
[mailto:Maiser _at__ zb2.ub.uni-dortmund.de]Im Auftrag von EDBI/Thun
Gesendet: Dienstag, 7. März 2000 10.35 Uhr
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Vorsicht, Laien !



Nicht nur der Rundfunk bietet dem Internet-Freak taeglich vielfaeltige
morgendliche Ernuechterung, auch die Zeitung ueberrascht uns immer
wieder.

"Wild-West-Sitten im Netz"

steht da in grossen Lettern am Rosenmontag in der "Berliner Zeitung",
und mit Schrecken wird man gewahr, dass da Bibliothekare am Werk waren,
die im Vorfeld des Leipziger Bibliothekskongresses einfach Entsetzliches
der Presse anvertraut haben:

"Die deutschen Bibliothekare und Dokumentare haben vor ´Wildwest-Sitten´
auf dem Informationsmarkt - speziell im Internet - gewarnt. Im World
Wide Web veroeffentlichten Laien vielfach ungepruefte (!!!)
Informationen, beispielsweise ueber Quellennachweise oder nicht
veroeffentlichte sogenannte graue Literatur".

Na, da ist man als Leser doch wie vom Donner geruehrt. Diese Laien ! Was
die so alles duerfen. Und ungeprueft ! Und ich haette immer gedacht, im
Internet seien nur Bibliothekare und Dokumentare taetig, die jede
Information vorher prueften. Dass nicht nur ich  das glaube, meinen
offenbar auch meine Interessenvertreter, denn der naechste Satz ist
bedenkenswert:

"Dies schade dem Berufsstand der Bibliothekare und
Informationsvermittler, sagte ..."

Nur gut, dass man eine Zeitung im Gegensatz zum Radio einfach mal
anhalten kann, um ueber den letzten Satz nachzudenken - lange, wenn auch
ohne Ergebnis.

Liebe leitende Bibliothekare und Bibliothekarinnen, bitte verfallt nicht
in den Irrtum zu glauben am bibliothekarischen Wesen sollte das Internet
genesen. Nehmt es doch einfach mal als Phaenomen sui generis und
integriert es als solches moeglichst schnell in Eure Dienstleistungen:
Ein sehr nuetzliches Tool, um fix hunderte von banalen Alltagsfragen zu
klaeren, zu mailen, zu chatten, zu kaufen. Meistens aktueller als
Gedrucktes, manchmal nicht ganz zuverlaessig, eben "ohne Gewaehr" - aber
das wissen doch die laienhaften Benutzer meistens selbst. Und wenn dann
noch das pruefende Auge einer geprueften Bibliothekarin dem Nutzer ueber
die Schulter faellt, um ungepruefte Informationen herauszufiltern, dann
schadet das doch nicht dem Berufsstand, sondern es nuetzt ihm. Das
Internet ist kein Ersatz fuer bibliothekarische Fachinformation, sondern
ein "Add-on".
Und bitte nicht noch mehr solcher Pressemitteilung, die vor den Gefahren
des boesen Internet warnen, die die Bibliothekare in ganzen Kongressen
beraten wollen, denn sonst haben wir Bibliothekare in der
Oeffentlichkeit bald das Image von Bibliothekaren.

Einen schoenen Karnevalsdienstag,

Hans-Peter Thun



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