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Re: VLB: Einkaufen verboten!
- Date: Fri, 8 Oct 1999 12:55:34 +0200 (MEST)
- From: daniel _at__ roedding.de (Daniel Roedding)
- Subject: Re: VLB: Einkaufen verboten!
Hallo zusammen!
Karl-Josef Ziegler schrieb:
> Die Postings zum neuen VLB Online sprechen mir aus der Seele.
> Auf meinem PC habe ich Netscape 3.X und 4.X unter WfW 3.11
> installiert. Die 4.X Version hat Probleme mit dem Druckertreiber
> und laeuft ganz einfach instabiler. Ich finde es auch eine Frechheit,
> wenn ein potentieller Kunde bereits beim Betreten einer Site so
> ruede wieder "hinausgeworfen" wird (mit der wohl implizierten
> Begruendung: Seien sie gefaelligst technisch nicht so rueckstaendig!).
Daß diese Diskussion hier aufgekommen ist finde ich sehr spannend. Als
"Fachfremder" hier in der Runde mal ein paar Worte dazu aus der Sicht
eines Software-Entwicklers, der im Bereich WWW-Serverlösungen technische
Backends realisiert:
- Kundenseitig ist meistens der Wunsch, daß es "gut aussehen" soll. Deswegen
werden bei größeren Projekten häufig "Neue-Medien-Agenturen" eingeschaltet.
- Diese "Neue-Medien-Agenturen" haben in der Regel Konzept- und Designkapa-
zitäten im Haus, aber nur selten selbst eine qualifizierte Software-
entwickler, sprich alles was über ein CGI-gestütztes E-Mail-Feedback und
ein wenig Javascript hinausgeht wird von diesen Agenturen oft nicht selbst
erledigt, sondern wieder per out-sourcing an Subunternehmer vergeben, oder
der Kunde beauftragt die Technik parallel (der seltenere Fall).
- Daraus ergibt sich effektiv eine Dreieckskonstellation bei der Projekt-
realisierung: Kunde, Agentur/Designer und Software-Entwickler müssen sich
zusammenraufen und einen gemeinsamen Nenner für die Realisierung finden.
In diesem Dialog nimmt der Designer meist eine progressive Haltung ein
(man möchte das neueste, beste, tollste, bunteste etc. präsentieren und
sich profilieren, sowohl das Unternehmen selbst wie auch die einzelnen
Designer/Projektmanager), während der Software-Entwickler in der Regel
eher defensiv denkt.
- Dummerweise kann bei Konzeption und Realisierung der Designer seine Arbeit
zeigen, der Software-Entwickler seine Bedenken nicht. Denn die Software ist
eh erstmal "unsichtbar", und "geht nicht" gibt es im Zeitalter unserer
hochmodernen Technik ja ohnehin nicht. Konsequenz: Bedenken der Software-
Entwickler werden in den Wind geschlagen, Bedienoberflächen werden z. T.
am technisch sinnvollen Weg vorbeigeplant etc. Wenn der Software-Entwickler
dann nicht direkt vom Kunden, sondern indirekt über die Agentur involviert
wird, ist das Ergebnis des Abstimmungsprozesses dabei vorhersagbar.
- Erschwerend kommt bei Projekten, wo der Software-Entwickler hinter einer
Agentur hängt, hinzu, daß im projektierten Gesamtrealisierungszeitraum
seitens der Agentur der Zeitaufwand für die Software-Entwicklung mangels
Detailkenntnis oft unterschätzt wird. Die Designer nehmen sich 80 % der
Zeit, um Bildchen hin und herzuschieben und beim Kunden möglichst gut
dazustehen, und die Softwareseite wird dann in 2-3 Wochen durchgeprügelt,
oft mit entsprechenden konzeptionellen "Folgeschäden" oder Bereichen, die
einfach untern Tisch fallen. Für eine framesetfreie Alternativversion bleibt
z. B. grundsätzlich im Zeitplan keine Luft, und davon abgesehen würde sie
ja Mehraufwand bedeuten und damit auch mehr Geld kosten.
- An dieser Entwicklung tragen die Entscheidungsträger beim Kunden oft
eine deutliche Mitverantwortung, indem sie "blackbox-mäßig" bestellen
und nichts von den technischen Innereien des beauftragten Systems sehen
wollen. Mangels Problembewußtsein und aufgrund fehlender Zeit, sich in
ein paar für eine erfolgreiche Realisierung wichtige Schlüsselthemen zu-
mindest oberflächlich einzuarbeiten, fehlt es kundenseitig oft an wichtigem
Grundlagenwissen, so daß man sich dort teilweise erst einige Zeit nach
Projektabschluß der technischen Probleme bewußt wird.
- Sinnvolle "vermittelnde" Beratungsgespräche sowie bedarfsorientierte
Evaluierungen vor und während der Realisierungsphase können aufgrund des
allgemeinen Zwangs zum Sparen oft nicht stattfinden.
Insgesamt sieht es ziemlich düster aus für die technische Qualität im
WWW-Bereich. Und als Software-Entwickler kann man dabei häufig auch nicht
viel daran ändern, weil die Konstellationen einfach keine Spielräume
zulassen.
Wer einen WWW-Auftritt plant und komplexere Strukturen realisieren oder
Backend-Technik anbinden möchte, sollte auf jeden Fall mal selbst mit
den "Softwerkern" reden, auch wenn es manchmal vielleicht Überwindung
kosten mag, weil die "Computermenschen" ja doch alle irgendwie ein
wenig komisch sind... :-) Es kann aber helfen, technische Mängel dieser
Art im Vorfeld zu verhindern und sorgt sicher auch für eine bedarfs-
gerechtere technische Realisierung.
Viele Grüße aus Ostwestfalen,
Daniel Rödding
--
Daniel Roedding phone: +49 5252 9838 0
daniel _at__ roedding.de fax: +49 5252 9838 20
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