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Re: VLB: Einkaufen verboten!



Hallo zusammen!

Karl-Josef Ziegler schrieb:
> Die Postings zum neuen VLB Online sprechen mir aus der Seele.
> Auf meinem PC habe ich Netscape 3.X und 4.X unter WfW 3.11
> installiert. Die 4.X Version hat Probleme mit dem Druckertreiber
> und laeuft ganz einfach instabiler. Ich finde es auch eine Frechheit,
> wenn ein potentieller Kunde bereits beim Betreten einer Site so 
> ruede wieder "hinausgeworfen" wird (mit der wohl implizierten
> Begruendung: Seien sie gefaelligst technisch nicht so rueckstaendig!).

Daß diese Diskussion hier aufgekommen ist finde ich sehr spannend. Als
"Fachfremder" hier in der Runde mal ein paar Worte dazu aus der Sicht
eines Software-Entwicklers, der im Bereich WWW-Serverlösungen technische
Backends realisiert:

- Kundenseitig ist meistens der Wunsch, daß es "gut aussehen" soll. Deswegen
  werden bei größeren Projekten häufig "Neue-Medien-Agenturen" eingeschaltet.

- Diese "Neue-Medien-Agenturen" haben in der Regel Konzept- und Designkapa-
  zitäten im Haus, aber nur selten selbst eine qualifizierte Software-
  entwickler, sprich alles was über ein CGI-gestütztes E-Mail-Feedback und
  ein wenig Javascript hinausgeht wird von diesen Agenturen oft nicht selbst
  erledigt, sondern wieder per out-sourcing an Subunternehmer vergeben, oder
  der Kunde beauftragt die Technik parallel (der seltenere Fall).

- Daraus ergibt sich effektiv eine Dreieckskonstellation bei der Projekt-
  realisierung: Kunde, Agentur/Designer und Software-Entwickler müssen sich
  zusammenraufen und einen gemeinsamen Nenner für die Realisierung finden.
  In diesem Dialog nimmt der Designer meist eine progressive Haltung ein
  (man möchte das neueste, beste, tollste, bunteste etc. präsentieren und
  sich profilieren, sowohl das Unternehmen selbst wie auch die einzelnen
  Designer/Projektmanager), während der Software-Entwickler in der Regel
  eher defensiv denkt.

- Dummerweise kann bei Konzeption und Realisierung der Designer seine Arbeit
  zeigen, der Software-Entwickler seine Bedenken nicht. Denn die Software ist
  eh erstmal "unsichtbar", und "geht nicht" gibt es im Zeitalter unserer
  hochmodernen Technik ja ohnehin nicht. Konsequenz: Bedenken der Software-
  Entwickler werden in den Wind geschlagen, Bedienoberflächen werden z. T.
  am technisch sinnvollen Weg vorbeigeplant etc. Wenn der Software-Entwickler
  dann nicht direkt vom Kunden, sondern indirekt über die Agentur involviert
  wird, ist das Ergebnis des Abstimmungsprozesses dabei vorhersagbar.

- Erschwerend kommt bei Projekten, wo der Software-Entwickler hinter einer
  Agentur hängt, hinzu, daß im projektierten Gesamtrealisierungszeitraum
  seitens der Agentur der Zeitaufwand für die Software-Entwicklung mangels
  Detailkenntnis oft unterschätzt wird. Die Designer nehmen sich 80 % der
  Zeit, um Bildchen hin und herzuschieben und beim Kunden möglichst gut
  dazustehen, und die Softwareseite wird dann in 2-3 Wochen durchgeprügelt,
  oft mit entsprechenden konzeptionellen "Folgeschäden" oder Bereichen, die
  einfach untern Tisch fallen. Für eine framesetfreie Alternativversion bleibt
  z. B. grundsätzlich im Zeitplan keine Luft, und davon abgesehen würde sie
  ja Mehraufwand bedeuten und damit auch mehr Geld kosten.

- An dieser Entwicklung tragen die Entscheidungsträger beim Kunden oft
  eine deutliche Mitverantwortung, indem sie "blackbox-mäßig" bestellen
  und nichts von den technischen Innereien des beauftragten Systems sehen
  wollen. Mangels Problembewußtsein und aufgrund fehlender Zeit, sich in
  ein paar für eine erfolgreiche Realisierung wichtige Schlüsselthemen zu-
  mindest oberflächlich einzuarbeiten, fehlt es kundenseitig oft an wichtigem
  Grundlagenwissen, so daß man sich dort teilweise erst einige Zeit nach
  Projektabschluß der technischen Probleme bewußt wird.

- Sinnvolle "vermittelnde" Beratungsgespräche sowie bedarfsorientierte
  Evaluierungen vor und während der Realisierungsphase können aufgrund des
  allgemeinen Zwangs zum Sparen oft nicht stattfinden. 


Insgesamt sieht es ziemlich düster aus für die technische Qualität im
WWW-Bereich. Und als Software-Entwickler kann man dabei häufig auch nicht
viel daran ändern, weil die Konstellationen einfach keine Spielräume
zulassen.

Wer einen WWW-Auftritt plant und komplexere Strukturen realisieren oder
Backend-Technik anbinden möchte, sollte auf jeden Fall mal selbst mit
den "Softwerkern" reden, auch wenn es manchmal vielleicht Überwindung
kosten mag, weil die "Computermenschen" ja doch alle irgendwie ein
wenig komisch sind... :-) Es kann aber helfen, technische Mängel dieser
Art im Vorfeld zu verhindern und sorgt sicher auch für eine bedarfs-
gerechtere technische Realisierung.

Viele Grüße aus Ostwestfalen,
Daniel Rödding



-- 
Daniel Roedding                                       phone: +49 5252 9838 0
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