[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]
Re: Anfrage: Verträge zum Urheberschutz
Lieber Herr Hilberer, liebe Liste,
wenn es so einfach wäre, bräuchten wir keine Urheberrechtsänderung. Was
Sie vorschlagen, entspricht der in § 53 Abs. 3 Nr. 1 UrhG geregelten
Kopierfreiheit für den Unterricht in Klassenstärke. Erfaßt ist davon
explizit der Unterricht in Schulen, in nichtgewerblichen Einrichtungen
der Aus- und Weiterbildung und der Berufsbildung. Der Gesetzgeber hat
es aber bei der Novellierung des UrhG im Jahre 1985 abgelehnt, entgegen
einer Forderung des Bundesrats die Kopierfreiheit auch auf
Unterrichtszwecke in Hochschulen auszudehnen, "weil damit einem nicht
mehr überschaubaren Personenkreis das Kopieren ohne vorherige
Genehmigung gestattet würde und so die Rechte der Urheber zu stark
zurückgedrängt würden." (vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses ..., Bericht der Abgeordneten Saurin und Stiegler,
nachzulesen auf der schon genannten Website des Instituts für Urheber-
und Medienrecht, http://www.urheberrecht.org/law/normen/urhg/
Ein Versand von Texten aus Semesterapparaten via e-mail an ganze
Mailinglisten von Studis ist also ohne Genehmigung der Urheber bzw.
Rechtsinhaber wohl nicht zulässig. Hierfür kann wohl auch keine
weitergehende Auslegung von § 53 Abs. 2 Nr. 1 als das "wissenschaftliche
Forschen, Darstellen und Lehren" umfassend (Hoeren) herangezogen werden,
da es dort um die Herstellung "einzelner Kopien" geht.
Dagegen würde der neu eingeführte § 52 a Abs. 1 UrhG E als Schranken-
bestimmung zum exklusiven Recht der "öffentlichen Zugänglichmachung"
(in Netzen) die Bereitstellung elektronischer Semesterapparate (für
einen bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen) ermöglichen, da der
Begriff Unterricht hier im Unterschied zu § 53 nicht weiter
eingeschränkt ist bzw. jetzt nach der vorliegenden Formulierungshilfe
für den Rechtsausschuss explizit neben den Schulen und Aus-, Weiter- und
Berufsbildung auch die universitäre Lehre einbezogen werden soll.
Wenn unsere Gesellschaft Telelernen fördern will, dann kann sie auf die
Aufnahme eines solchen Ausnahmetatbestandes auf keinen Fall verzichten.
Dessen konkrete Ausgestaltung wird allerdings sicher noch Gegenstand
mancher Debatten sein. Der in den USA am 3.10.2002 verabschiedete
TEACH Act (Technology, Education and Copyright Harmonization Act), vgl.
http://www.ala.org/washoff/teach.html, auf den in der Diskussion jetzt
oft verwiesen wird, könnte hier Vorbild werden für einen
Interessenausgleich zwischen den Erfordernissen des Bildungssystems und
dem Schutz des Markts für kommerziell verfügbare Unterrichtsmaterialien.
Weit entfernt davon, eine Enteignung von Verlagen anzustreben, definiert
er strikte Randbedingungen, unter denen nicht-kommerzielle
Bildungseinrichtungen urheberrechtlich geschütztes Material
vergütungsfrei im Rahmen des Telelernens (Distance Education) einsetzen
können. Es wäre aber ein Mißverständnis anzunehmen, das damit das simple
Scannen und Hochladen kompletter oder größerer Werke auf einer Webseite
und deren Zugänglichmachung für Studenten während eines Semesters
gemeint sei. Vielmehr hat der Gesetzgeber in den USA die Nutzung als
integrale Bestandteile von Lehreinheiten zum Gegenstand des TEACH Acts
gemacht. Die ALA betont deshalb, daß Alternativen verfolgt werden
müssten, wo der Teach Act nicht ausreiche und nennt u.a. die
Bereitstellung von Semesterapparaten, Fernleihe u.a. im Rahmen von Fair
Use und von Bibliotheken ausgehandelten Lizenzvereinbarungen.
Nochmal zurück zum ursprünglichen Thema:
Die Weitergabe bloß an einen bestimmt abgegrenzten Kreis von Teilnehmern
bei öffentlicher Wiedergabe erfordert natürlich in jedem Fall technische
Schutzmaßnahmen. Die Frage der Kollegin aus Essen ist deshalb
berechtigt.
(N.B.: Bei öffentlicher Zugänglichmachung von Verlagen angebotenen
digitalen Materialien besteht kein Anspruch auf Durchsetzung von
Schrankenbestimmungen, soweit die Verlage lizenzvertragliche Regelungen
für die Bereitstellung in Netzen anbieten. Die berechtigten Interessen
der Verlage bleiben also gewahrt.)
Mit freundlichen Grüßen,
Bernd-Christoph Kämper, UB Stuttgart
Thomas Hilberer wrote:
>
> Liebe Liste,
> elektronische Semesterapparate lassen sich viel einfacher "einrichten":
> da die Studis ohnehin alles lesen sollen, richtet der Dozent eine Mailing-
> Liste ein, und verschickt darueber die Texte.
> Das ist urheberrechtlich 100% wasserdicht und braucht weder Vertraege
> noch komplizierte technische Einrichtungen.
> Beste Gruesse,
> Thomas Hilberer
>
> Datum: Thu, 27 Mar 2003 11:31:21 +0100
> Von: Janine Pickardt <pickardt _at__ bibl.uni-essen.de>
> An: INETBIB _at__ ub.uni-dortmund.de
> Betreff: Anfrage: Verträge zum Urheberschutz
> Antwort an: Internet in Bibliotheken <INETBIB _at__ ub.uni-dortmund.de>
>
> > Liebe Liste,
> >
> > auf unserem lokalen Dokumentenserver sollen zusätzlich elektronische
> > Semesterapparate zur Verfügung gestellt werden, wobei der Zugriff auf
> > die Dokumente natürlich mit Paßwort geschützt werden kann. In diesem
> > Zusammenhang möchten wir mit den entsprechenden Dozenten Verträge
> > abschließen, in denen sie versichern, daß sie das jeweilige Paßwort
> > nur einer begrenzten Anzahl von Studierenden (Seminar etc.) zur
> > Verfügung stellen, damit der Urheberschutz gewährleistet bleibt. Weiß
> > jemand, wo Musterverträge zu diesem Thema zu finden sind? Oder hat
> > jemand schon selbst solche Verträge abgeschlossen? Auch über sonstige
> > Erfahrungsberichte wären wir sehr dankbar.
> >
> > Beste Grüße aus Essen!
> >
> > Janine Pickardt
>
> -------
> Dr. Thomas Hilberer, Fakultaetsbibliothek Neuphilologie
> Tel.: 07071 29-74325; FAX: 29-5811
> Wilhelmstr. 50, 72074 Tuebingen
> http://www.uni-tuebingen.de/fb-neuphil/
--
Bernd-Christoph Kaemper, Dipl.-Physiker, Bibl.-Rat
Fachreferent für Physik und Koordination elektronischer Ressourcen
Universitätsbibliothek Stuttgart, Postfach 104941, 70043 Stuttgart
Tel +49 711 685-4780, Fax +49 711 685-3502, kaemper _at__ ub.uni-stuttgart.de
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.