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Handelsblatt zur Urheberrechtsreform / Beschlussvorlage fuerden Rechtsausschuss
- Date: Sat, 29 Mar 2003 19:49:06 +0100
- From: kaemper _at__ ub.uni-stuttgart.de
- Subject: Handelsblatt zur Urheberrechtsreform / Beschlussvorlage fuerden Rechtsausschuss
Koalition lenkt im Streit mit Verlagen ein
"Urheberrechtsreform soll entschärft werden"
http://www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/GoAr
t!200013,200050,617215/SH/0/depot/0/index.html
titelt das Handelsblatt in seiner Freitagsausgabe ganz unter dem
Einfluß der Kampagne des Börsenvereins, die den bisherigen
Gesetzentwurf bis zur Unkenntlichkeit verzerrt dargestellt hat.
"Im Streit zwischen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und
den Verlagen um die geplante Novellierung des Urheberrechtsgesetzes
zeichnet sich ein Kompromiss ab: Die umstrittene Regelung, dass künftig
Bücher, Zeitschriftenaufsätze und andere urheberrechtlich geschützte
Werke kostenfrei ins Intranet von Universitäten, Schulen und
wissenschaftlichen Einrichtungen gestellt werden dürfen, soll deutlich
eingeschränkt werden." (...)
"Nach Auskunft eines Sprechers hat das Bundesjustizministerium mit dem
Formulierungsvorschlag nicht selbst die Initiative ergriffen, sondern
nur einen bereits im Rechtsausschuss erreichten Konsens in Gesetzesform
gegossen. Einen solchen Konsens gibt es aber noch nicht, sagte Norbert
Röttgen, rechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag,
dem Handelsblatt. Zwar begrüße er, dass Zypries zu Zugeständnissen
bereit sei. ?Von dem alten Entwurf ist jetzt nur noch ein Viertel
übrig.? Dennoch sei aus Sicht der Union die vollständige Streichung der
Sonderrechte für Schulen und Universitäten die beste Lösung."
Zu unserer Verblüffung dürfen wir zur Kenntnis nehmen, daß die Union
von den seit jeher und aus gutem Grund fundamental und im Urheberrecht
verankerten Privilegien für Unterricht und Forschung nichts hält; hier
scheinen parteitaktische Überlegungen endgültig den Sieg über den
gesunden Menschenverstand davongetragen zu haben.
Der Artikel bezieht sich auf eine Formulierungshilfe vom 14.3.2003 der
Berichterstatter der Koalitionsfraktionen mit den Beschlussvorlagen des
Rechtsausschusses für die Sitzung des Rechtsausschusses am 9.4.2003,
der als Faksimile auch auf den Seiten des Instituts für Urheber- und
Medienrecht zur Info-Richtlinie
http://www.urheberrecht.org/topic/Info-RiLi/
wiedergegeben ist (Synopse des Regierungsentwurfs vom 6. November mit
den vorgeschlagenen Änderungen), nebst der dazu gegebenen Begründung.
Kernpunkte sind (soweit ich dies überblicke)
- in § 52 a die Beschränkung der öffentlichen Zugänglichmachung auf
nurmehr "kleine Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie
einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften" für den Unterricht,
wobei dieser den Forderungen aus dem Hochschulbereich folgend jetzt
explizit "Schulen, Hochschulen, nichtgewerblichen Einrichtungen der
Aus- und Weiterbildung sowie (...) Einrichtungen der Berufsbildung"
einbezieht.
- für den Wissenschaftsbereich soll die gleiche Einschränkung gelten,
aber ohne die Beschränkung auf "kleine" Teile.
(Ein groteskes Mißverständnis am Rande offenbart ein Satz aus der
Begründung: "Darüber hinaus ist bei eigentlicher wissenschaftlicher
Forschung die Nutzung von Monographien möglich (Werke geringen
Umfangs).")
- Bereichsausnahmen der Schrankenbestimmungen werden eingeführt für
Werke, die explizit für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmt
sind (also z.B. Schulbücher) und Filmwerke in den ersten zwei Jahren
nach Beginn der Vermarktung in Filmtheatern (d.h. in diesen Fällen ist
eine Zugänglichmachung in Netzen lizenzpflichtig).
- Für die durch § 52 a abgedeckten Vervielfältigungshandlungen erfolgt
eine Präzisierung und Beschränkung auf die "zur öffentlichen
Zugänglichmachung erforderlichen Vervielfältigungen" (also z.B. die
Digitalisierung), während die Vervielfältigungshandlungen durch die
Nutzer wie früher auch schon Gegenstand von § 53 sein sollen).
(Mit dieser durchaus wünschenswerten Präzisierung und Abgrenzung zu
§ 53 entfällt m.E. ein erheblicher Teil der Argumente für eine weitere
Beschränkung des Umfangs der öffentlichen Zugänglichmachung
auf "(kleine) Teile von Werken, ..." etc., da diese Einschränkungen
durch § 53 in Bezug auf Vervielfältigungshandlungen durch den Nutzer
doch ohnehin schon bestehen. Schließlich werden Bücher in einer
Bibliothek den Lesern auch als ganzes und nicht lediglich kapitelweise
zugänglich gemacht, ohne daß sie damit das Recht hätten, diese Bücher
auch komplett zu kopieren.)
- Bei der Durchsetzung von Schrankenbestimmungen sollen durch eine
Beweislastumkehr zu Gunsten der Rechteinhaber [!] freiwillige Abreden
der Verbände der Rechtsinhaber mit den Verbänden der
Schrankenbegünstigten begünstigt werden.
- In der Frage der Durchsetzung des Rechts der in § 53 Abs. 1 für
zulässig erklärten *digitalen* Privatkopie im Falle kopiergeschützter
Medien zeichnet sich noch keine Einigung ab; sie soll im Zuge der
Vorbereitung der nächsten Novelle des Urheberrechts weiter geprüft
werden, mit dem Ziel, Lösungen zu suchen, die den Interessen der
Verbraucher wie der Verwerter gerecht werden.
Die genannte Website des Institut für Urheber- und Medienrechts enthält
neben dem Antrag der Berichterstatter der Koalitionsfraktionen auch
schon Stellungnahmen der Verbände aus den letzten Tagen. Geäußert haben
sich bisher der Börsenverein am 25.03. und der Verband Privater
Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) am 27.03.
Mit freundlichen Grüßen,
Bernd-Christoph Kämper, Stuttgart
--
Bernd-Christoph Kaemper, Dipl.-Physiker, Bibl.-Rat
Fachreferent für Physik und Koordination elektronischer Ressourcen
Universitätsbibliothek Stuttgart, Postfach 104941, 70043 Stuttgart
Tel +49 711 685-4780, Fax +49 711 685-3502, kaemper _at__ ub.uni-stuttgart.de
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.