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Re: Gedicht von Tucholsky + Dank für In fos zu neuen Medien in KiJu-Literatur
- Date: Thu, 4 Apr 2002 18:07:02 +0200
- From: Corinna Henning <CorinnaHenning _at__ web.de>
- Subject: Re: Gedicht von Tucholsky + Dank für In fos zu neuen Medien in KiJu-Literatur
Internet in Bibliotheken <INETBIB _at__ ub.uni-dortmund.de> schrieb am 04.04.02:
> Liebe Liste,
>
> für die Infos zur Darstellung der Neuen Medien in der Kinder- und Jugendliteratur herzlichen Dank!
>
> Nun eine neue Frage:
>
> ein Leser sucht ein Gedicht von Tucholsky, in dem Palmengarten und Nordsee(strand?) vorkommt und das als Thema die Zufriedenheit, bzw. ewige Unzufriedenheit des Menschen haben soll.
>
> Kennt jemand das Gedicht? Die Angaben sind dürftig, ich weiss...
>
> In der Hoffnung auf Antwort von Tucholsky-Fans
>
>
> Gudrun Völcker
> Stadtbücherei Iserlohn
> Alter Rathausplatz 1
> 58636 Iserlohn
> Tel. 02371/217-1926
> Fax. 02371/217-2985
Liebe Frau Völcker,
Das Gedicht heißt: Das Ideal, und geht so:
Das Ideal
Ja, das möchste:
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn-
aber abends zum Kino hast dus nicht weit.
Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit:
Neun Zimmer, - nein, doch lieber zehn!
Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn,
Radio, Zentralheizung, Vakuum,
eine Dienerschaft, gut erzogen und stumm,
eine süße Frau voller Rasse und Verve-
(und eine fürs Wochend, zur Reserve)-,
eine Bibliothek und drumherum
Einsamkeit und Hummelgesumm.
Im Stall: Zwei Ponies, vier Vollbluthengste,
acht Autos, Motorrad ? alles lenkste
natürlich selber ? das wär ja gelacht!
Und zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd.
Ja, und das hab ich ganz vergessen:
Prima Küche ? erstes Essen ?
alte Weine aus schönem Pokal ?
und egalweg bleibst du dünn wie ein Aaal.
Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion.
Und noch ne Million und noch ne Million.
Und Reisen. Und fröhliche Lebensbuntheit.
Und famose Kinder. Und ewige Gesundheit.
Ja, das möchste!
Aber, wie das so ist hienieden:
manchmal scheints so, als sei es beschieden
nur pöapö, das irdische Glück.
Immer fehlt dir irgendein Stück.
Hast du Geld, dann hast du nicht Käten;
Hast du die Frau, dann fehln dir Moneten-
Hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:
Bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.
Etwas ist immer.
Tröste dich
Jedes Glück hat einen kleinen Stich.
Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.
Daß einer alles hat:
Das ist selten.
(Kurt Tucholsky: Gedichte, Reinbek: Rowohlt 1992, S. 550f.)
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