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Die Zukunft der Universitaetsbibliothek
Wenn die State University of California einen neuen Campus ohne
Universitaetsbibliothek eroeffnet, weil man ja alle benoetigten
Informationen aus den Datennetzen ziehen koenne, dann ist das natuerlich
Unfug. Faktisch kann man eben NICHT ALLES aus den Datennetzen ziehen. Dass
man es einst (in welcher Zukunft, in der nahen, in einer fernen?) koenne,
ist Zukunftsmusik, deren Basso continuo kraeftig nach Utopie klingt.
Der Fehler ist im wesentlichen ein gedanklicher: dass die neuen Medien
(welcher Art auch immer) die alten Medien komplett ersetzen koennten, und
dass dieser Ersatz ganz wunderbare neue Moeglichkeiten und Freiheiten mit
sich bringe.
Ebendiese Gedankenfigur des Ersatzes aber ist falsch. Neue Medien ersetzen
alte nicht einfach, sondern sind ersteinmal anders. Dass sie daher etwas
anderes koennen, als die alten Medien, sei jedem, der darauf stolz ist,
geschenkt. Denn es gilt auch das Umgekehrte: dass die alten Medien etwas
koennen, was die neuen nicht koennen. Loest man sich daher endlich von
dieser gedanklichen Ersatz-Figur, dann stellt sich die Frage ganz anders:
wofuer taugt welches Medium?
In diesem Kontext sollte man dann mindestens unterscheiden zwischen:
einfacher Mitteilung von Faktischem (der Eiffelturm ist soundso hoch, die
neue chemische XY-Verbindung sieht soundso aus) und Reflexion bzw. Theorie.
Ich halte allerdings dafuer, dass das Buch aus Papier als ein langsames
Medium genau fuer Reflexionen und Theorie geeignet ist, waehrend es Email
nicht ist. Email taugt fuer kurze Fakten und ist hoechstens aphoristisch
(und damit lobt man das Medium schon zu sehr).
Wenn daher eine kalifornische Universitaet einen Campus ohne Bibliothek
baut, dann muss man zunaechst einmal fragen, welche Faecher auf dem Campus
angesiedelt sind. Vielleicht sind es ja lauter chemische Labors? Man muss
aber auch -- zweitens -- darauf sehen, dass dieser neue Campus von den
anderen Campus lebt, d.h. natuerlich wird es ein lokales Leihsystem fuer
Buecher geben.
Also nicht immer gleich zusammenzucken, wenn ein wenig informierter
Journalist wieder einmal den Medienutopisten auf den Leim gegangen ist!
Mit der Hoffnung auf mehr Medienrealismus
Ihr
U. Jochum
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Dr. Uwe Jochum
Fachreferent
Universität Konstanz
Bibliothek
78457 Konstanz
Tel. 07531 / 882835
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