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Re: Macht und Moral im Internet
Hallo Liste,
>Eigentlich kurios, dass das Internet die Ideologie der
>Volksbildungsbuechereien (30er Jahre) wiederaufleben laesst:
>durch wertende Buchauswahl und intensive Beratung sollte der
>Leser erzogen werden. Aber nett, dass es hier 'mal wieder eine
>kleine Diskussion gibt!
zwischen einer "Zensur" (die es in Deutschl. uebrigens nicht gibt, wenn man das
Wort Zensur genau nimmt) in dem Sinne, dass man Kinderpornographie verbietet
oder die Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts verhindert und dem
Gedanken der "Volksbildung" durch Buecherein (im Sinne von Erziehung) sehe ich
noch einen gewaltigen Unterschied.
Natuerlich kommt auch niemand auf die Idee, das Internet zu verbieten, den das
waere wirklich so, wie wenn man Strassen verbieten wuerde, weil dort LKWs mit
Kinderpornos fahren. (Wir sollten dann vielleicht auch kein Eisenerz mehr
gewinnen, weil ja damit die Motoren hergestellt werden, die die LKWs antreiben,
die Kinderpornos transportieren <bg>) Wenn man aber wuesste, DASS in diesen LKWs
Kinderpornos transportiert wuerden, waere es legitim, diesen LKWs die Benutzung
der Strassen zu verbieten. Es geht also - ganz richtig - niht um Wege, sondern
Inhalte. Ich habe im uebrigen auch noch niemanden gehoert, der ernsthaft das
Internet verbieten wollte (von unbedeutenden, generell technikfeindlichen
Gruppen vielleicht abgesehen), daher ist die Aufregung diesbezueglich
uebertrieben. Bei der Einschraenkungen der Verbreitung von INHALTEN, - sofern
solche Vorhaben realisierbar sind - wird es sich um Inhalte handeln, deren
Verbreitung ueber die konventionellen Medien auch heute schon verboten sind,
d.h. Theman, die du, ihr, wir und ich wahrscheinlich niemals in unserem Leben
uebers Internet verbreiten werden. Ich denke, es wird in diesem Sinne kein
getrenntes recht fuer Print-, Audio-visuelle medien oder das Internet geben.
Ich stimme zwar auch denen zu, das die beste Praevention immernoch die
Aufklaerung und nicht das Verbot ist, aber Verbote haben auch etwas mit
Persoenlichkeits- und Personenschutz zu tun. Diejenigen, die die 100%-tige
Meinungs- und Meinungsverbreitungsfreiheit (wie in den USA) befuerworten,
bedenken wahrscheinlich nie, wie sie wohl reagieren wuerden, wenn sie mal
"Opfer" dieser sog. Meinungsfreiheit waeren.
Wenn ich z.B. Buecher schreiben, grosformatige Anzeigen in Zeitungen schalten
wuerde und im Radio und TV sagen wuerde: "Helga Musterfrau ist ein
Riesena.......h", und Sie waeren besagte Helga Musterfrau, dann weiss ich nicht,
ob Sie dies noch als Meinungsfreiheit ohne weiteres schlucken wuerden. Und
selbst wenn, es mag Ihnen ja nichts ausmachen, aber es koennte andere stoeren,
wenn man gleiches mit deren Namen tun wuerde.
Und dieses Beispiel waere immernoch glimpflich verglichen mit einer Behauptung,
es haette beispielweise im "Dritten Reich" keine KZs und Judenmorde gegeben,
denn damit beleidigt man ein ganzes Volk bzw. eine Religiongruppe und
unterstellt den ermordeten Juden, sie waeren ja in Wirklichkeit nie umgebracht
worden.
Ein Internet-Provider kann sicherlich nicht 100%tig alle strafbaren
Informationen rausfiltern, aber es ist sehr leicht, die Newsgroups zu sperren
bzw. nicht zu abonieren, die sich fast ausschliesslich mit solchen Themen
befassen (es geht hier nicht um wenige, individuelle, rechts- oder
linksextremistische Aeusserungen in irgend einem Diskussionsforum).
Wuenschenswert waere auch in meinen Augen ein internat. gueltiges Recht (es
wurde hier mal der Vergleich mit dem Seerecht angestellt). Problem: den
gemeinsamen Nenner zu finden, der sicherlich nicht sehr gross sein wird. Dafuer
sind die Auffassungen sicherlich zu unterschiedlich, und Deutschland waere mit
seinem immernoch sehr liberalen Verstaendnis bestimmt auch Kritik anderer
Laender ausgesetzt, in denen Zensur wirklich zur Tagesordnung gehoert.
Wie schoen erwaehnt, sachliche und informative Aufklaerung halte ich immernoch
fuer das Beste - und diese Art von "Erziehung" ist IMHO auch nicht verwerflich,
auch in dem Sinne, dass man die ALLERSCHLIMMSTEN Faelle der Luegnerei (z.B.
Auschwitz-Luege) verbietet.
Im uebrigen kann ich mich nur Ulrich Babiaks Aesserungen anschliessen und auch
von meiner Seite ausdruecklich betonen, dass Vergleiche des Internet mit auf der
Strasse rollenden LKWs, die Kinderpornos transportieren, oder privaten
Telefongespraechen, mehr als hinken. Telefongespraeche sind NICHT allgemein
zugaengliche Individualkommunikationen. Gleiches gilt fuer eine private e-Mail,
die sicher nicht der Zensur zum Opfer fallen werden. Ein ftp-Server jedoch, der
Kinderpornos ins Netz speist, ist schon eher mit jemandem zu vergleichen, der
irgendwo ein schwarzes Brett mit Kinderporno-Photografien aufhaengt. Es geht
hier v.a. um Server bzw. Personen, die dies systematisch tun, kein Provider kann
natuerlich was dafuer, wenn man z.B. in seinen /pub-Softwarebereich
"WWW-Software" ein Upload eines Kinderpornos vornimmt.
Wichtig erscheint mir auch der Hinweis von Ulrich, Selektion nicht mit Zensur zu
verwechseln. Ich fuer meinen Teil bin ueber die Selektion, die meine abonierte
Wochenzeitung oder die "Tagesschau" betreibt recht dankbar, als dass ich von
einer Flut irrelevanter Nachrichten ueberschuettet werde (wobei man natuerlich
ueber die Relevanz verschiedener Fernseh-Nachrichten-Beitraege trefflich
streiten kann). Aehnliches betreiben auch Bibliotheken, OeBs aufgrund ihrer
Groesse notgedrungen staerker als UBs, wer aber mehr haben will, als in der
Bibl. steht, bekommt dies ja auch, aber eben nicht so einfach, sondern uber der
Weg der Fernleihe (von den Bruchteilen von Promille an Publikationen abgesehen,
die eben aus rechtlichen Gruenden verboten sind.)
Aber eine Frage habe ich noch: Vertreter der Meinung, das Internet muesse ein
solcher rechtsfreier Raum bleiben, muessten doch analog auch fuer die
Abschaffung von FSK-Regelungen bei Filmen sein, das heisst: freier Zugang zu
Hardcore-Pornos und Horror-Filmen fuer jedes Alter - denn die sind ja in
Deutschland im Gegensatz zu Kinderpornographie nicht verboten, sondern
unterliegen ja lediglich einer Altersbeschraenkung.
MfG Martin Spieler
P.S.: Natuerlich soll auch verbotene Lit. auch weiterhin fuer Forschungszwecke
zugaenglich bleiben, wie es auch in dt. Bibliotheken vorgesehen ist.
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.