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WI95



MWFNW-ZA4

An die Bibliotheksnetzwerker

Betr.: Tagung Wirtschaftsinformatik 95 in Frankfurt vom 15.-
17.2.95

Vielleicht interessiert Sie ja mein Vermerk ueber die Jahrestagung der 
Wirtschaftsinformatiker, die sich ziemlich stark ums Internet drehte.

MfG Marquardt 25.3.95

Mein subjektiver Eindruck vorweg: Es war die bestorganisierte
Tagung, die ich je erlebt habe, vermutlich auch die
aufwendigste. Mein zweiter Eindruck: Mir ist voellig
raetselhaft wie die deutsche Wirtschaft auf Dauer weltweit
konkurrieren soll; mir ist ferner raetselhaft wie jemals die
Verwaltung im Verhaeltnis zur Wirtschaft und die
Wissenschaftsverwaltung im Verhaeltnis zu den Instituten
ihren Rueckstand einholen wollen. Diese Defizite habe ich
nicht nur im Hinblick auf die Technik empfunden, sondern
auch hinsichtlich Arbeitsstil und Umgangsformen: so fremd
wie ich heute im Buero Kollegen mit Aermelschoner, Federkiel
und Stehpult empfinden wuerde, so seltsam moegen wohl die
Organisations- und DV-Kuenste der Verwaltungen auf
Aussenstehende wirken.

Ueberblick:

A) Die Referate sind in einem umfangreichen Tagungsband abgedruckt bzw. 
auf CD gespeichert. Hier nur eine Zusammenfassung, die sich am 
Schlusswort von Koenig (12 Thesen) orientiert:

1) Moderne Informationsverarbeitung beeinflusst den
Wettbewerb der Wirtschaft (Diese Feststellung koennte man
auch auf Verwaltung und Wissenschaft uebertragen, wurde
aber in Frankfurt leider nur am Rande diskutiert)

2) Die weltweite Vernetzung bietet den englischsprachigen
Laendern einen Wettbewerbsvorteil (Beispiele: software-
Entwicklung in Indien zu etwa 20 Prozent der normalen
Kosten, Verbreitung ueber Internet; Erstellung eines
englischsprachigen Multimedia-Auslandsfuehrers durch SNI
in den USA)

3) Globale Netze fuehren zum kooperativen Arbeiten (Beispiel
war eine Videokonferenz mit Professoren in USA und Kanada,
Moderation: Krallmann, Berlin; Internet-Praktikum)

4) Die vernetzte Gesellschaft wird ueber die privaten
Haushalte eingefuehrt (Beispiel: home banking: Deutsche
Bank), frueher erfolgte die Einfuehrung moderner Technik
weitgehend ueber die Arbeit

5) Die organisatorisch-psychologische Folgen werden wenig
ueberdacht (die Technik eilt der Organisation voraus); bei
dieser Thematik bestehen ganz offensichtlich Luecken in der
Informatik (jedenfalls empfanden das so die juengeren
Teilnehmer)

6) Sicherheitsproblemen kann man nicht ausweichen, sie sind
schon da, also sind sie zu loesen (Vorstandsmitglied Endres,
Deutsche Bank machte die globale Vernetzung der
Bankgeschaefte deutlich, welche mit Sicherheitsproblemen
verbunden sind; Benutzung eines IBM-Portable im Auto
durch Fuehrungskraefte)

7) Der Beruf des Informationsbroker entsteht neu in der
Wirtschaft (neuer Markt fuer die Banken), war wohl bisher
eher ein Monopol oeffentlicher Stellen

8) Die Bedeutung von Standards nimmt zu (Dadurch werden
die Endbenutzer befaehigt, die Systeme effektiver zu nutzen,
so dass die Folgekosten begrenzt werden koennen)

9) In den Firmen entsteht eine neue Rolle fuer den Chief
Information officer (Lieferant von Infrastruktur)

10) Outsourcing (Im Vergleich zu den USA besteht ein
Rueckstand in Deutschland; auf die Risiken machte ein sehr
eindrucksvoller Vortrag von McFarlan, Harvard Business
School, aufmerksam)

11) Welche Arbeitsplaetze verschwinden? Wie kann der
Verlust kompensiert werden? (Davor fuerchten sich die
juengeren Informatiker, wenn auch die aelteren noch sehr gut
leben koennen)

12) Von den Moden zu den Trends in der Informatik; Folgen
fuer Lehre und Forschung? (Vortrag Mertens, Nuernberg; nach
meiner Meinung der beste, wenn ich auch nicht allen
Aussagen zustimme):
enger Bezug zu Verwaltung und Politik,
internationale Aspekte,
Methoden,
Ziel: sinnhafte Vollautomation?

B) Eindruecke
1) Beeindruckend war die Atmosphaere in Frankfurt;
Stichworte: viele internationale Gesichter, Tagung in einem 
amerikanisch gefuehrten Hotel, Sicherheitsprobleme: statt eines 
Schluessels zur Zimmertuer eine Codekarte, MultimediaTV (US-Programme) 
mit Infodienst, Zugang Internet, Sponsoren dezent im Hintergrund. Alles 
in allem eine
faszinierende Mischung aus Bankenwelt, IT-Firmen, Wissenschaft und 
Studenten in internationaler Atmosphaere.

2) Ausstellung Firmen: SNI (Deutschlandfuehrer fuer Auslaender), DB 
(Electroning banking) , SAP (Unternehmensanalyse), Internet-Anschluss

3) Ausstellung DFG-Projektfoerderung Informatiklehrstuehle

4) Studentische Projekte, Tutorien

C) den interessantesten Vortrag im Hinblick auf die Wirtschaft
hielt nach meiner Meinung Dr. Michael Endres, Deutsche
Bank: Informationstechnologie und Bankgeschaeft

Er betonte zunaechst hoeflich Verbindung zu den
Hochschulen:
- Praktikantenplaetze fuer Studenten,
- Themen fuer Diplomarbeiten,
- TraineeProgramm fuer Berufsanfaenger,
- Zusammenarbeit mit 10 Lehrstuehlen bei DV-Problemen
nannte dann einige Kennzahlen:
600 Mrd. DM Bilanzsumme
6 Mrd DM Betriebsergebnis
70 Tsd. Mitarbeiter
2500 Geschaeftsstellen

Stichworte Vortrag:
1 Einflussfaktoren auf das Bankgeschaeft:
- Deregulierung, Liberalisierung
- Verbriefung
- Internationalisierung der Finanzmaerkte als Folge der
Liberalisierung
- moderne Informationstechnologie
(die Faktoren bedingen sich gegenseitig im Sinne eines
Regelkreises)

2 Informationstechnik
IT ist nicht mehr nur Hilfsmittel im Sinne der DV-
Unterstuetzung von Buchungsvorgaengen
(Buchungsautomaten), sondern dient der Wertschoepfung
durch das Angebot neuer Dienste und Fuehrungsinstrument
durch Unterstuetzung der internen Kommunikation. Die DV
hat grosse Bedeutung fuer den Konzern: 642 Mio DM
Investitionen jaehrlich fuer IT, IT ist Produktionsfaktor)

3 Generationen der IT
(Evolution der IT,
 zur Zeit Phase 3: electroning banking,
 kuenftig Phase 4: Netzwerk einschliesslich Kunden)
(Praesentation eines entsprechenden DV-Systems der DB fuer
homebanking)

4 Kritik:
Nicht nur die Technik machte Probleme, weitere Probleme
sind:
- Parallelentwicklung (Eigenentwicklungen, Ursachen lagen
bei der Softwareindustrie),
- Inselloesungen,
- 1:1-Abbildung der bestehenden Organisation,
- Integrationsmaengel (deutsche Systeme sind komplexer als
US-Systeme und daher aufwendiger zu pflegen);
ERGEBNIS: In Zukunft werden die Anwender bei der
Programmentwicklung staerker einbezogen sowie die
Anwender zum DV-Einsatz befragt.

5 Strategie
Fuer das Selbstverstaendnis der Bank sind verschiedene
Faktoren von Bedeutung, u.a. die Internationalisierung des
lokalen Geschaeftes. Dieses Selbstverstaendnis hat Folgen fuer
die IT-Organisation, zB gibt es zentrale Dienste, die die
weltweiten Konzernaktivitaeten unterstuetzen.

6 IT-Konzept
- zentrale Organisation der DV,
- Nutzerorientierung der DV,
- Grundsaetze der Informationsverarbeitung,
- internationale Rechenzentren, arbeitsteilig,
- Internet, Datenautobahnen, Loesung von
Sicherheitsproblemen,
- weltweit gueltige Kundenkarte
software:
einheitliche Standards
 MVS UNIX Windows OS2 usw.
 Hauptanwendungssysteme unternehmensweit festgelegt
 Verhaeltnis Eigen- und Fremdentwicklung
 Kompetenzzentren (zB electroning banking in Asien)
DAS PROBLEM LIEGT NICHT IN DER ERARBEITUNG
DER GRUNDSAETZE, SONDERN IN DEREN
DURCHSETZUNG. ZEIT ALS WETTBEWERBSFAKTOR
FUEHRT ZUM RISIKO, EINBEZIEHUNG DER
HOCHSCHULEN

D) Am Rande:
1) Von Interesse fuer die Hochschulverwaltungen ist ein
Projekt von Ferstel/Sinz im Auftrag des MWK Bayern:
Geschaeftsprozesse in bayerischen Hochschulen mit
Personalwirtschaft und Organisationspsychologie,
Modellierung am Beispiel Versand (SIMFAC)

2) SNI Multimedia Hermes for Windows: BWL-Lehrgang der
Uni Wuerzburg: von Mac auf Windows umgestellt

3) SNI: Multimedia Facts about Germany (interessant fuer
Auslandsaemter)

4) SAP R3-Analyzer


Marquardt


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