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Re: Klassische Literaturversorgung gefaehrdet?, war: Re: WWW-Se



Lieber Herr Logies,

zu Ihrer Anmerkung bezueglich kostenpflichtiger Online-Bestellungen: 
> 
> Ich hatte vor einigen Tagen hier in der Liste nachgefragt, ob irgendwo  
> eine Fernleihe von Zeitschriftenartikeln ueber email moeglich sei,  
> moeglichst zu den ueblichen Bedingungen (kostenlose Kopien).
> 
> Erreicht hat mich persoenlich eine Antwort aus Potsdam, die mich an  
> Jason-NRW (Journal Articles on Demand) verwies. Lieferung per email  
> kostete dort 6 DM fuer privat (3 DM fuer Bibliotheken). Das Verfahren  
> erschien mir mit vorher zu loesenden Transaktionsnummern und  
> Bestellung ueber telnet unstaendlich.
> 
> Insofern ist das Angebot der UB Goettingen eine Verbesserung, da es  
> auch die Bestellung ueber email erlaubt.
> Dass bei Lieferung (selbst ueber email) nach Empfaengerland  
> unterschieden wird, wirkt kurios. Ich nehme an, das hat vornehmlich  
> politische Gruende: Kommerzielle Dienste wie Uncover machen diese  
> Unterscheidung z. B. fuer die Faxlieferung nicht, sind aber teurer,  
> die NLM laesst auslaendische Nutzer aber nicht einmal an Medline  
> heran.
> 
> Angesichts der fuer mich als privatem Nutzer bisherigen kostenlosen   
> Literaturversorgung sind beide Angebote eine Verschlechterung.
> 
> Sollen die neuen elektronischen Angebote dem bisherigen deutschen  
> Fernleihsystem das Wasser abgraben, oder worauf zielen sie langfristig  
> ab?

Grundsaetzlich geht es m.E. zunaechst um einen zusaetzlichen Service fuer 
diejenigen, die einen schnellen Zugriff auf Dokumente wollen. Der 
bisherige, kostenlose Fernleihdienst laeuft natuerlich weiter. Daher 
sind beide Angebote keine Verschlechterung fuer Sie als Benutzer. Der 
bisherige kostenlose Fernleihverkehr existiert weiterhin. Die 
Angebote sind somit als zusaetzliche Option zu verstehen. 

Dass sie mittel- und langfristig Rueckwirkungen auf den traditionellen 
und in seiner Struktur nicht mehr zeitgemaessen Leihverkehr haben 
werden, ist natuerlich keine Frage. Hier sind die Bibliotheken m.E. 
gefordert, darauf zu achten, dass die freie Literaturversorgung 
erhalten bleibt und nicht vorschnell Kommerzialisierungstrends 
geopfert wird. 
> 
> Ich als privater Nutzer wuerde mir eine zentrale Anlaufstelle fuer die  
> Fernleihbestellungen meines Fachgebietes (Zahnmedizin) wuenschen (z.  
> B. dadurch nur ein Leihscheinformat).
> Nach Lage der Dinge kann die nur in Koeln sitzen. Um Koeln zu  
> entlasten, koennten per email aufgegebene Fernleihen automatisch durch  
> Abfrage der Kataloge der Unibibliotheken des Landes, aus dem der  
> Besteller kommt, an diese zurueckverwiesen werden. So es schon  
> elektronische Kataloge der Stadtbibliotheken gibt, waere auch eine  
> Verweisung hierauf denkbar.
> Von den letztgenannten Bibliotheken aus koennte dann der Versand an  
> den Besteller erfolgen.

Automatisches Weiterleiten von Bestellungen zwischen verschiedenen 
Katalogen - das klingt sehr schoen, ist technisch aber im Detail nicht 
unaufwendig. Vielleicht sollte man sich auch ein wenig daran 
orientieren, was unter bibliothekspolitischen und finanziellen 
Rahmenbedingungen realisierbar ist. 
> 
> Die Gebuehren muessten deutlich geringer als die oben genannten sein,  
> bei Monographien hielte ich schon die Portogebuehren, die der  
> Besteller fuer den Ruecktransport aufwenden muss, als Schutzgebuehr  
> ausreichend.
> 
> Bei Zeitschriften waere ein gewisse Zahl kostenloser Artikel denkbar.  
> Bei Ueberschreiten dieser Zahl (deren Registrierung fuer das oben  
> vorgeschlagene zentrale Modell spricht) koennte eine moderate  
> Schutzgebuehr erhoben werden. Die obigen Kosten passen nicht in das  
> Bild der bisherigen Literaturversorgung. 

Die obigen Kosten sind auch, um es nochmals zu wiederholen, nicht 
Teil der bisherigen Literaturversorung, sondern Kosten fuer einen 
neuen, zusaetzlichen Service. 

Die technischen Moeglichkeiten, die wir heute haben, und dies ist der 
entscheidende Punkt, bieten die Voraussetzung fuer einen 
Direktbestellservice, wie er bislang nicht moeglich war. Also kann man 
einen solchen Service als zusaetzliche, neue Dienstleistung fuer 
auswaertige Nutzer anbieten, die, aus welchen Gruenden auch immer, 
nicht ueber die Bibliothek ihrer Umgebung bestellen wollen. Warum soll 
eine Bibliothek nicht die neuen technischen Moeglichkeiten nutzen? 

Eine bessere Vernetzung der Bibliotheken generell boete dann in 
Zukunft die Option, auch den kostenlosten Leihverkehr auf eine neue, 
technische Grundlage zu stellen. Dafuer gibt es auch Ansaetze, wie 
SUBITO. Die Frage ist natuerlich, wann (und ob) diese realisiert 
werden. Dies sind jedoch bibliothekspolitische Fragen, die weit ueber 
die Gestaltungsmoeglichkeiten einer einzelnen Bibliothek hinausgehen. 
Was diese tun kann, ist zunaechst einmal dies technisch zu 
realisieren, was eine einzelne Bibliothek als Zusatzservice leisten 
kann. 

Es duerfte m.E. besser sein, einen solchen Service anzubieten, als zu 
warten, bis irgendwann eine optimale Loesung realisiert ist. Bis dahin 
sind dann viele vielleicht doch zu den rein kommerziellen 
Dienstleistern abgewandert.

Mit freundlichen Gruessen aus Goettingen

Wilfried Enderle






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Dr. Wilfried Enderle
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