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Re: [InetBib] Retrokonsolen
- Date: Mon, 26 Aug 2019 09:10:40 +0000
- From: "Lorenz, Andreas via InetBib" <inetbib@xxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Retrokonsolen
Liebe Liste,
RetroPie und Co. halte ich für nur bedingt geeignet, weil es Software-Emulation
ist, die viel Einstellaufwand benötigt wenn es mit möglichst wenig Input-Lag
laufen soll. Lag-frei kriegt man RetroPie aber ohnehin nicht. Da gibt es
wesentlich bessere Möglichkeiten.
Hier nun auch für die Liste, was ich Herrn Urmetzer bereits geschickt hatte:
Vorneweg: Ich bin kein Jurist und dies ist daher auch keine juristische
Beratung.
Es gibt bei Retro-Konsolen grundsätzlich das Problem der TV-Standards. Die USA
und Japan nutzen NTSC (60Hz, 30 Bilder/s). Viele Spiele wurden damals nicht an
den PAL-Standard (50Hz, 25 Bilder/s) angepasst und laufen daher auf
PAL-Konsolen ca. 16% zu langsam. Auch gibt es das Problem, dass moderne
Bildschirme eine höhere Auflösung und langsamere Reaktionszeit haben. Der
Vorteil der Mini-Konsolen und der FPGA-Klone ist, dass diese HDMI-Out haben und
Upscaler integriert sind, die das Bild hochrechnen. Bei Originalkonsolen
müssten Sie sonst einen Upscaler dazwischenschalten und da taugen günstige
Varianten nichts. Die Königsklasse war früher der Micomsoft Framemeister aus
Japan, der ca. 400$ kostet. Mittlerweile gibt es einen „Open Source Scan
Converter (OSSC)“ [1], der günstiger zu haben ist. Moderne Monitortechnik (und
besonders TVs) reagieren aber langsamer als CRTs, daher müssen Sie auf die
Reaktionszeit achten und bei TVs den „Game Mode“ aktivieren, der jegliches
Post-Processing abschaltet. Sie haben sonst eine zu große Verzögerung zwischen
Eingabe und Reaktion auf dem Bildschirm (Input-Lag). Bestimmte Spiele, wie Mike
Tyson’s Punch Out auf dem NES kann man daher auf einem anderen Monitor als
einem CRT nicht oder kaum gewinnen.
Die von Ihnen erwähnten Mini-Konsolen von Nintendo (NES und SNES Classic) kann
man durchaus empfehlen. Die Software-Emulation ist gut und es sind eine Menge
Spiele drauf, die Sie sonst mühsam antiquarisch zusammenkaufen müssten, sie
nutzen aber proprietäre Controller-Anschlüsse und kein USB (die Beschaffung von
genügend Controllern und Verlängerungskabeln ist anzuraten).
Die Mini-Konsole von Sony hat aber genau mit den TV-Standards das Problem, dass
NTSC-Spiele auf der PAL-Version mit ausgeliefert werden und diese dann zu
langsam laufen. Stellen Sie sich Fighting-Games wie Tekken 16% verlangsamt vor.
Sonys Playstation Classic kann man daher nicht empfehlen.
Bei günstigen Konsolen und Handhelds eher unbekannter Hersteller, die mit
hunderten Spielen vorinstalliert kommen muss man vorsichtig sein, da man
vermuten kann, dass die enthaltenen Spiele nicht lizensiert sind.
Angekündigt sind noch neue Mini-Konsolen von NEC [2] und SEGA [3]. Bei beiden
wird die Emulation von M2 realisiert, einer Firma mit hervorragender
Reputation, was Qualität und Genauigkeit der Emulation angeht.
Auch eine Möglichkeit sind die Spielereihen von HAMSTER Corp. (ACA / ACA Neo
Geo) [4] und SEGA (SEGA AGES) [5]. HAMSTER bringt alte Arcade- und Neo
Geo-Klassiker emuliert wieder auf dem Markt, wobei Sie die meisten Titel auf
der Playstation 4 und der Nintendo Switch finden werden (ich selbst nutze die
Reihen auf der Nintendo Switch). Die Emulation ist gut (bei SEGA AGES wieder
von M2 realisiert) und es sind in der Regel Filter mit integriert, sodass Sie
Scanlines und Unschärfe hinzuschalten können, damit es wieder mehr nach CRT
aussieht. Mit ca. 6,99€ pro Spiel (digital Download) ist das auch recht
erschwinglich.
Das war bisher alles Software-Emulation. Mit Software-Emulation können Sie ein
Retro-System aber nie wirklich genau, sondern nur approximiert emulieren. Der
Unterschied zum Original muss dabei aber nicht zwangsläufig wahrnehmbar sein.
Eine noch relativ neue Entwicklung auf dem Markt sind daher FPGA-basierte
„Klon-Konsolen“. Vereinfacht gesagt ist ein FPGA ein programmierbarer Chip, der
erstmal nichts kann, aber beliebige, physikalische und nicht permanente
Schaltungen aufbauen kann und so im Idealfall die alte Hardware funktional oder
wirklich 1:1 in Hardware reimplementiert. Es gibt hier zwei gute Möglichkeiten:
Die Konsolen der Firma Analogue [6] besitzen einen Schacht und Steckplätze für
Originalmodule und –Controller. Von 8bitdo gibt es passende Retroreceiver und
Gamepads, die sehr gut und wireless sind und für den Analogue Mega SG können
Sie die neuen Gamepads, nachgebaut mit SEGA-Lizenz von Retrobit mit
Originalanschluss [7], verwenden. Sie stecken also einfach Originalspiele ein
und die laufen (der Mega Drive-Klon, Mega SG, kann sogar einen original SEGA
CD-Unterbau verwenden und soll bald das 32X-Modul unterstützen). Analogue hat
FPGA-Konsolen für NES, SNES und Mega Drive / Genesis. Hier können Sie auch
zwischen NTSC und PAL umschalten.
Alternativ gibt es noch ein Open Source-Projekt namens MiSTer-FPGA [8]. Hierbei
handelt es sich um einen Port des MiST-FPGA auf das neuere Terasic DE-10 Nano
FPGA-Board. Dies hat allerdings keinen Modul-Schacht, sondern kann nur ROMs von
SD-Karte lesen und Sie benötigen noch mindestens eine RAM-Erweiterung, besser
auch noch das I/O-Board. Eine Sammlung an ROMs für den SEGA Mega Drive gibt es
im HumbleBundle-Store zu kaufen [9]. Die Sammlung ist an den Steam-Client
gebunden und im Spiele-Ordner finden Sie ein Verzeichnis „Uncompressed ROMs“
(ggf. Lizenzbedingungen der Sammlung vorher prüfen). Nur dafür lohnt sich diese
Sammlung, da die enthaltene Emulation zu viel Input-Lag hat (besonders auf der
Nintendo Switch). Eine weitere Sammlung ist die „NeoGeo Classic Complete
Collection“ [10]. Derzeit arbeitet die Open-Source-Gemeinde an einem
NeoGeo-Core (ein „Core“ ist die Konfigurationsdatei, die den FPGA programmiert)
und einem größeren RAM-Modul (128MB vs früher 32MB). NeoGeo-Spiele sind zu groß
für nur 32MB RAM, da bei der Sammlung aber das notwendige NeoGeo-BIOS mit dabei
ist wäre das ein Punkt, der für die Zukunft zu beobachten wäre. Der Vorteil vom
MiSTer ist die Bandbreite an Geräten, die Sie simulieren können (auch C64,
Amiga, Apple I…).
Nun ist die Frage, was genau Ihr Anwendungsgebiet ist und wie Ihre Ansprüche
aussehen: Wenn Sie eine historisch so genau wie mögliche Rekreation der alten
Bedingungen schaffen wollen, würde ich zur Originalkonsole + CRT (Sony PWM wenn
möglich) raten, da Sie nur auf einem CRT das Original-Bild haben. Diese Technik
stirbt aber leider aus, also ist das irgendwann keine Option mehr. Gleichauf
folgen dann direkt die FPGA-Konsolen.
Wenn Sie Spiele einer Konsole möglichst originalgetreu präsentieren wollen,
ohne Upscaler etc. zu kaufen und bereit sind Originalmodule zu beschaffen, dann
sind die Geräte von Analogue eine gute Variante. Wollen Sie aber auch gekaufte
ROM-Abbilder, wie aus der vorher erwähnten Sammlung präsentieren, dann brauchen
sie noch einen SD-Adapter, wie bspw. ein Everdrive-Modul [11]. Für
Nintendo-Konsolen sind mir allerdings keine derartigen Sammlungen alter Spiele
bekannt.
Der MiSTer ist generell am vielseitigsten und kann mit dem I/O-Board per
VGA-Out auch an einen CRT angeschlossen werden. Es gibt seit Jahren
Modullesegeräte wie den Retrode 2 [12] auf dem Markt, hier müssten sie aber die
Frage abklären, ob das Auslesen der in Ihrem Besitz befindlichen Spielmodule
juristische Fallstricke beinhaltet.
Wollen Sie einfach eine größere Auswahl alter Spiele, einer Konsole, ohne
großen Aufwand zeigen, dann sind die Minis eine gute Wahl. Sollte bei den Minis
Ihre Wahl auf einen SEGA Mega Drive Mini fallen, so achten Sie bitte darauf
__nicht__ die bereits erhältliche Mini-Konsole von ATGames zu kaufen. Warten
Sie stattdessen auf die neue Version von Atlus [13] und lesen Sie nach
Erscheinen Fachrezensionen. Sollen es Arcade-Spiele sein, dann Können Sie eine
Switch oder PS4 in die Bibliothek stellen und sich die Reihen von HAMSTER und
SEGA AGES anschauen. GoG.com hat auch viele, alte Computerspiele im Angebot.
Gut wäre auch die Präsentation in die Historie einzuordnen. Hierzu kann ich
Ihnen die Bücher von Bitmap Books [14] und Geeksline Publishing [15] empfehlen.
Von Bitmap Books verlegt gibt es auch das CRPG Book, das die Historie der
Computerrollenspiele behandelt, gratis als PDF [16]. Es war ein
Non-Profit-Projekt des Brasilianers Felipe Pepe, welches ich Ihnen bezogen auf
Literatur besonders ans Herz legen möchte.
Es werden auch immer noch Spiele für alte Konsolen produziert, bspw. Tanglewood
[17], welches Sie auf gog.com inklusive ROM-Datei kaufen können. Der Entwickler
hat das Spiel auf einer original Mega Drive/Genesis Entwicklerkonsole in 68k
Assembler geschrieben. Dies würde sich dann wieder auf dem MiSTer und einem
Mega SG + Everdrive abspielen lassen.
Quellen:
[1] https://www.retrorgb.com/ossc.html
[2]
https://www.golem.de/news/minikonsole-von-konami-necs-pc-engine-kommt-nach-europa-1906-141842.html
[3] https://genesismini.sega.com/
[4] http://www.hamster.co.jp/american_hamster/arcadearchives/switch/index.htm
[5] https://segaages.sega.com/
[6] https://www.analogue.co/
[7]
https://www.amazon.de/Retro-Bit-Official-Controller-6-Button-Genesis/dp/B07H3S5NNS
[8] https://github.com/MiSTer-devel/Main_MiSTer/wiki
[9] https://www.humblebundle.com/store/sega-mega-drive-and-genesis-classics
[10] https://www.humblebundle.com/store/neogeo-classic-complete-collection
[11] https://www.dragonbox.de/de/everdrives
[12]
https://www.dragonbox.de/de/zubehoer/modul-ausleser/retrode-2-mit-allen-plugins-modul-ausleser
[13] https://www.amazon.de/Atlus-ATLA18-UK-61ST-SEGA-Mega-Drive/dp/B07NVMYB7K
[14] https://www.bitmapbooks.co.uk/
[15] https://www.geeksline-publishing.com/
[16] https://crpgbook.wordpress.com/
[17] https://www.gog.com/game/tanglewoodr
Mit freundlichen Grüßen,
Andreas Lorenz
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: InetBib <inetbib-bounces@xxxxxxxxxx> Im Auftrag von Tobias Zeumer via
InetBib
Gesendet: Sonntag, 25. August 2019 13:43
An: inetbib@xxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Retrokonsolen
vielleicht ist RetroPie als All-in-one-Paket ja was:
https://retropie.org.uk/. Wenn das Standard-Acryl-Gehäuse zu unstylisch ist,
kann man sich ja selber eins basteln (oder ggf 3D-drucken), aber vermutlich ist
die Originaltreue des Gerätes ja nicht so wichtig.
Persönlich wichtig fände ich ja bei C64/Amiga den
https://www.amazon.de/s?k=competition+pro aber ansonsten kann man am RetroPie
eigentlich alle möglichen Controller anschließen ;)
Ein paar recht wahllose Artikel
*
https://www.golem.de/news/c64-umbau-mit-dem-raspberry-pi-die-wiedergeburt-der-heimcomputer-legende-1708-129185.html
*
https://www.nerdsheaven.de/magazin/artikel/tipps-und-tricks/raspberry-pi-retropie-einrichten-tricks-und-kniffe/
* https://ichwillinsindernet.de/retropie-mit-amiga-emulator/
Viele Grüße
Tobias Zeumer
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PGP: 4731 C371 DD3B D8A0 7C09 BE05 DBAE 4607 8E20 748E
Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen,
im Zuge der Digitalisierung und für diverse Angebote der Vermittlung von
Medienkompetenz habe ich überlegt für die Stadtbibliothek Ahaus
Retrokonsolen, wie bspw. :
https://www.amazon.de/Anbernic-Handheld-Spielkonsole-Konsole-Retro/dp/
B079KC8Y4Z/ref=sr_1_2?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&keywo
rds=gameboy&qid=1566455528&s=gateway&sr=8-2
https://www.amazon.de/Nintendo-Classic-Mini-Entertainment-System/dp/B0
73BVHY3F/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&keyword
s=supernintendo&qid=1566455681&s=gateway&sr=8-1
https://www.amazon.de/Sony-9999492-PlayStation-Classic-Konsole/dp/B07H
HJQ1D5/ref=pd_sbs_63_3/259-6583250-9446822?_encoding=UTF8&pd_rd_i=B07H
HJQ1D5&pd_rd_r=88f06a59-d03a-4699-9967-e77f579c3f4f&pd_rd_w=9HQmO&pd_r
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JD40XFMFBNVGJQ&psc=1&refRID=PVRYVKJD40XFMFBNVGJQ
zu kaufen. Hat damit schon jemand Erfahrungen gemacht? Wo wurden diese
Konsolen gekauft?
Ich bin um jede Antwort dankbar!
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Urmetzer
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.