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Re: [InetBib] Retrokonsolen



Liebe Liste,

RetroPie und Co. halte ich für nur bedingt geeignet, weil es Software-Emulation 
ist, die viel Einstellaufwand benötigt wenn es mit möglichst wenig Input-Lag 
laufen soll. Lag-frei kriegt man RetroPie aber ohnehin nicht. Da gibt es 
wesentlich bessere Möglichkeiten.

Hier nun auch für die Liste, was ich Herrn Urmetzer bereits geschickt hatte:

Vorneweg: Ich bin kein Jurist und dies ist daher auch keine juristische 
Beratung.

Es gibt bei Retro-Konsolen grundsätzlich das Problem der TV-Standards. Die USA 
und Japan nutzen NTSC (60Hz, 30 Bilder/s). Viele Spiele wurden damals nicht an 
den PAL-Standard (50Hz, 25 Bilder/s) angepasst und laufen daher auf 
PAL-Konsolen ca. 16% zu langsam. Auch gibt es das Problem, dass moderne 
Bildschirme eine höhere Auflösung und langsamere Reaktionszeit haben. Der 
Vorteil der Mini-Konsolen und der FPGA-Klone ist, dass diese HDMI-Out haben und 
Upscaler integriert sind, die das Bild hochrechnen. Bei Originalkonsolen 
müssten Sie sonst einen Upscaler dazwischenschalten und da taugen günstige 
Varianten nichts. Die Königsklasse war früher der Micomsoft Framemeister aus 
Japan, der ca. 400$ kostet. Mittlerweile gibt es einen „Open Source Scan 
Converter (OSSC)“ [1], der günstiger zu haben ist. Moderne Monitortechnik (und 
besonders TVs) reagieren aber langsamer als CRTs, daher müssen Sie auf die 
Reaktionszeit achten und bei TVs den „Game Mode“ aktivieren, der jegliches 
Post-Processing abschaltet. Sie haben sonst eine zu große Verzögerung zwischen 
Eingabe und Reaktion auf dem Bildschirm (Input-Lag). Bestimmte Spiele, wie Mike 
Tyson’s Punch Out auf dem NES kann man daher auf einem anderen Monitor als 
einem CRT nicht oder kaum gewinnen.

Die von Ihnen erwähnten Mini-Konsolen von Nintendo (NES und SNES Classic) kann 
man durchaus empfehlen. Die Software-Emulation ist gut und es sind eine Menge 
Spiele drauf, die Sie sonst mühsam antiquarisch zusammenkaufen müssten, sie 
nutzen aber proprietäre Controller-Anschlüsse und kein USB (die Beschaffung von 
genügend Controllern und Verlängerungskabeln ist anzuraten).

Die Mini-Konsole von Sony hat aber genau mit den TV-Standards das Problem, dass 
NTSC-Spiele auf der PAL-Version mit ausgeliefert werden und diese dann zu 
langsam laufen. Stellen Sie sich Fighting-Games wie Tekken 16% verlangsamt vor. 
Sonys Playstation Classic kann man daher nicht empfehlen. 

Bei günstigen Konsolen und Handhelds eher unbekannter Hersteller, die mit 
hunderten Spielen vorinstalliert kommen muss man vorsichtig sein, da man 
vermuten kann, dass die enthaltenen Spiele nicht lizensiert sind.

Angekündigt sind noch neue Mini-Konsolen von NEC [2] und SEGA [3]. Bei beiden 
wird die Emulation von M2 realisiert, einer Firma mit hervorragender 
Reputation, was Qualität und Genauigkeit der Emulation angeht.

Auch eine Möglichkeit sind die Spielereihen von HAMSTER Corp. (ACA / ACA Neo 
Geo) [4] und SEGA (SEGA AGES) [5]. HAMSTER bringt alte Arcade- und Neo 
Geo-Klassiker emuliert wieder auf dem Markt, wobei Sie die meisten Titel auf 
der Playstation 4 und der Nintendo Switch finden werden (ich selbst nutze die 
Reihen auf der Nintendo Switch). Die Emulation ist gut (bei SEGA AGES wieder 
von M2 realisiert) und es sind in der Regel Filter mit integriert, sodass Sie 
Scanlines und Unschärfe hinzuschalten können, damit es wieder mehr nach CRT 
aussieht. Mit ca. 6,99€ pro Spiel (digital Download) ist das auch recht 
erschwinglich.

Das war bisher alles Software-Emulation. Mit Software-Emulation können Sie ein 
Retro-System aber nie wirklich genau, sondern nur approximiert emulieren. Der 
Unterschied zum Original muss dabei aber nicht zwangsläufig wahrnehmbar sein. 
Eine noch relativ neue Entwicklung auf dem Markt sind daher FPGA-basierte 
„Klon-Konsolen“. Vereinfacht gesagt ist ein FPGA ein programmierbarer Chip, der 
erstmal nichts kann, aber beliebige, physikalische und nicht permanente 
Schaltungen aufbauen kann und so im Idealfall die alte Hardware funktional oder 
wirklich 1:1 in Hardware reimplementiert. Es gibt hier zwei gute Möglichkeiten:

Die Konsolen der Firma Analogue [6] besitzen einen Schacht und Steckplätze für 
Originalmodule und –Controller. Von 8bitdo gibt es passende Retroreceiver und 
Gamepads, die sehr gut und wireless sind und für den Analogue Mega SG können 
Sie die neuen Gamepads, nachgebaut mit SEGA-Lizenz von Retrobit mit 
Originalanschluss [7], verwenden. Sie stecken also einfach Originalspiele ein 
und die laufen (der Mega Drive-Klon, Mega SG, kann sogar einen original SEGA 
CD-Unterbau verwenden und soll bald das 32X-Modul unterstützen). Analogue hat 
FPGA-Konsolen für NES, SNES und Mega Drive / Genesis. Hier können Sie auch 
zwischen NTSC und PAL umschalten. 

Alternativ gibt es noch ein Open Source-Projekt namens MiSTer-FPGA [8]. Hierbei 
handelt es sich um einen Port des MiST-FPGA auf das neuere Terasic DE-10 Nano 
FPGA-Board. Dies hat allerdings keinen Modul-Schacht, sondern kann nur ROMs von 
SD-Karte lesen und Sie benötigen noch mindestens eine RAM-Erweiterung, besser 
auch noch das I/O-Board. Eine Sammlung an ROMs für den SEGA Mega Drive gibt es 
im HumbleBundle-Store zu kaufen [9]. Die Sammlung ist an den Steam-Client 
gebunden und im Spiele-Ordner finden Sie ein Verzeichnis „Uncompressed ROMs“ 
(ggf. Lizenzbedingungen der Sammlung vorher prüfen). Nur dafür lohnt sich diese 
Sammlung, da die enthaltene Emulation zu viel Input-Lag hat (besonders auf der 
Nintendo Switch). Eine weitere Sammlung ist die „NeoGeo Classic Complete 
Collection“ [10]. Derzeit arbeitet die Open-Source-Gemeinde an einem 
NeoGeo-Core (ein „Core“ ist die Konfigurationsdatei, die den FPGA programmiert) 
und einem größeren RAM-Modul (128MB vs früher 32MB). NeoGeo-Spiele sind zu groß 
für nur 32MB RAM, da bei der Sammlung aber das notwendige NeoGeo-BIOS mit dabei 
ist wäre das ein Punkt, der für die Zukunft zu beobachten wäre. Der Vorteil vom 
MiSTer ist die Bandbreite an Geräten, die Sie simulieren können (auch C64, 
Amiga, Apple I…).

Nun ist die Frage, was genau Ihr Anwendungsgebiet ist und wie Ihre Ansprüche 
aussehen: Wenn Sie eine historisch so genau wie mögliche Rekreation der alten 
Bedingungen schaffen wollen, würde ich zur Originalkonsole + CRT (Sony PWM wenn 
möglich) raten, da Sie nur auf einem CRT das Original-Bild haben. Diese Technik 
stirbt aber leider aus, also ist das irgendwann keine Option mehr. Gleichauf 
folgen dann direkt die FPGA-Konsolen.

Wenn Sie Spiele einer Konsole möglichst originalgetreu präsentieren wollen, 
ohne Upscaler etc. zu kaufen und bereit sind Originalmodule zu beschaffen, dann 
sind die Geräte von Analogue eine gute Variante. Wollen Sie aber auch gekaufte 
ROM-Abbilder, wie aus der vorher erwähnten Sammlung präsentieren, dann brauchen 
sie noch einen SD-Adapter, wie bspw. ein Everdrive-Modul [11]. Für 
Nintendo-Konsolen sind mir allerdings keine derartigen Sammlungen alter Spiele 
bekannt.

Der MiSTer ist generell am vielseitigsten und kann mit dem I/O-Board per 
VGA-Out auch an einen CRT angeschlossen werden. Es gibt seit Jahren 
Modullesegeräte wie den Retrode 2 [12] auf dem Markt, hier müssten sie aber die 
Frage abklären, ob das Auslesen der in Ihrem Besitz befindlichen Spielmodule 
juristische Fallstricke beinhaltet.

Wollen Sie einfach eine größere Auswahl alter Spiele, einer Konsole, ohne 
großen Aufwand zeigen, dann sind die Minis eine gute Wahl. Sollte bei den Minis 
Ihre Wahl auf einen SEGA Mega Drive Mini fallen, so achten Sie bitte darauf 
__nicht__ die bereits erhältliche Mini-Konsole von ATGames zu kaufen. Warten 
Sie stattdessen auf die neue Version von Atlus [13] und lesen Sie nach 
Erscheinen Fachrezensionen. Sollen es Arcade-Spiele sein, dann Können Sie eine 
Switch oder PS4 in die Bibliothek stellen und sich die Reihen von HAMSTER und 
SEGA AGES anschauen. GoG.com hat auch viele, alte Computerspiele im Angebot.

Gut wäre auch die Präsentation in die Historie einzuordnen. Hierzu kann ich 
Ihnen die Bücher von Bitmap Books [14] und Geeksline Publishing [15] empfehlen. 
Von Bitmap Books verlegt gibt es auch das CRPG Book, das die Historie der 
Computerrollenspiele behandelt, gratis als PDF [16]. Es war ein 
Non-Profit-Projekt des Brasilianers Felipe Pepe, welches ich Ihnen bezogen auf 
Literatur besonders ans Herz legen möchte.

Es werden auch immer noch Spiele für alte Konsolen produziert, bspw. Tanglewood 
[17], welches Sie auf gog.com inklusive ROM-Datei kaufen können. Der Entwickler 
hat das Spiel auf einer original Mega Drive/Genesis Entwicklerkonsole in 68k 
Assembler geschrieben. Dies würde sich dann wieder auf dem MiSTer und einem 
Mega SG + Everdrive abspielen lassen.

Quellen:
[1] https://www.retrorgb.com/ossc.html
[2] 
https://www.golem.de/news/minikonsole-von-konami-necs-pc-engine-kommt-nach-europa-1906-141842.html
[3] https://genesismini.sega.com/
[4] http://www.hamster.co.jp/american_hamster/arcadearchives/switch/index.htm
[5] https://segaages.sega.com/
[6] https://www.analogue.co/
[7] 
https://www.amazon.de/Retro-Bit-Official-Controller-6-Button-Genesis/dp/B07H3S5NNS
[8] https://github.com/MiSTer-devel/Main_MiSTer/wiki
[9] https://www.humblebundle.com/store/sega-mega-drive-and-genesis-classics
[10] https://www.humblebundle.com/store/neogeo-classic-complete-collection
[11] https://www.dragonbox.de/de/everdrives
[12] 
https://www.dragonbox.de/de/zubehoer/modul-ausleser/retrode-2-mit-allen-plugins-modul-ausleser
[13] https://www.amazon.de/Atlus-ATLA18-UK-61ST-SEGA-Mega-Drive/dp/B07NVMYB7K
[14] https://www.bitmapbooks.co.uk/
[15] https://www.geeksline-publishing.com/  
[16] https://crpgbook.wordpress.com/
[17] https://www.gog.com/game/tanglewoodr

Mit freundlichen Grüßen,
Andreas Lorenz



-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: InetBib <inetbib-bounces@xxxxxxxxxx> Im Auftrag von Tobias Zeumer via 
InetBib
Gesendet: Sonntag, 25. August 2019 13:43
An: inetbib@xxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Retrokonsolen

vielleicht ist RetroPie als All-in-one-Paket ja was:
https://retropie.org.uk/. Wenn das Standard-Acryl-Gehäuse zu unstylisch ist, 
kann man sich ja selber eins basteln (oder ggf 3D-drucken), aber vermutlich ist 
die Originaltreue des Gerätes ja nicht so wichtig.
Persönlich wichtig fände ich ja bei C64/Amiga den 
https://www.amazon.de/s?k=competition+pro aber ansonsten kann man am RetroPie 
eigentlich alle möglichen Controller anschließen ;)

Ein paar recht wahllose Artikel
*
https://www.golem.de/news/c64-umbau-mit-dem-raspberry-pi-die-wiedergeburt-der-heimcomputer-legende-1708-129185.html
*
https://www.nerdsheaven.de/magazin/artikel/tipps-und-tricks/raspberry-pi-retropie-einrichten-tricks-und-kniffe/
* https://ichwillinsindernet.de/retropie-mit-amiga-emulator/

Viele Grüße
Tobias Zeumer
-------------------------------------------------------

PGP: 4731 C371 DD3B D8A0 7C09 BE05 DBAE 4607 8E20 748E


Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen,

im Zuge der Digitalisierung und für diverse Angebote der Vermittlung von 
Medienkompetenz habe ich überlegt für die Stadtbibliothek Ahaus 
Retrokonsolen, wie bspw. :

https://www.amazon.de/Anbernic-Handheld-Spielkonsole-Konsole-Retro/dp/
B079KC8Y4Z/ref=sr_1_2?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&keywo
rds=gameboy&qid=1566455528&s=gateway&sr=8-2

https://www.amazon.de/Nintendo-Classic-Mini-Entertainment-System/dp/B0
73BVHY3F/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&keyword
s=supernintendo&qid=1566455681&s=gateway&sr=8-1

https://www.amazon.de/Sony-9999492-PlayStation-Classic-Konsole/dp/B07H
HJQ1D5/ref=pd_sbs_63_3/259-6583250-9446822?_encoding=UTF8&pd_rd_i=B07H
HJQ1D5&pd_rd_r=88f06a59-d03a-4699-9967-e77f579c3f4f&pd_rd_w=9HQmO&pd_r
d_wg=UIdxd&pf_rd_p=74d946ea-18de-4443-bed6-d8837f922070&pf_rd_r=PVRYVK
JD40XFMFBNVGJQ&psc=1&refRID=PVRYVKJD40XFMFBNVGJQ

zu kaufen. Hat damit schon jemand Erfahrungen gemacht? Wo wurden diese 
Konsolen gekauft?

Ich bin um jede Antwort dankbar!

Mit freundlichen Grüßen
Daniel Urmetzer

Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.