Liebe Katja,
besten Dank für diese wertvolle Mail einer Wissenschaftlerin und aktiven Editorin. Ich gebe Dir in allem Recht. Argumente, die für OA sprechen, sind leider zuweilen ambivalent. Z.B.
das Impact-Argument, das Du kritisch kommentierst. Auf der einen Seite schimpfen alle über Impact-Maße, auf der anderen Seite ködert man damit Wissenschaftler. Ja, ich weiß,
der SNIP hat gegenüber dem JIF Vorteile, aber auch er kann aus einer Quantität keine Qualität ableiten - zumal die ermittelte Quantität Resultat vielfacher Selektionen ist.
Das gleiche Problem habe ich mit dem Argument, OA fördere die Wirtschaft - wenn wir dem Argument folgen, dann ist es kein großer Schritt dazu, eine Publikation nach ihrem
wissenschaftlichen Wert zu bemessen - und dann stehen Journale wie FQS schlechter da als STM-Journale und eben auch wertloser. Qualität hat aber nun mal gar nix mit SNIP, JIF oder Return of
Investment zu tun. Das Argument, Open Access habe wirklich wissenschaftsimanente Vorteile (Beschleunigung der Wissenschaft, Transparenz, Überprüfbarkeit, Verbreitung UND
*Partizipation*, science as a public good) wird, zumindest meiner Meinung nach, randständiger. Auch das mag Gründe haben, denn großflächige Versuche, Open Access
voranzubringen, stammen nicht selten aus Institutionen, in denen es eben um Impact und Verwertbarkeit geht, auch zur Dokumentation der wirtschaftlich-effizienten Verwendung öffentlicher
Mittel. Und was ich auch zugeben muss: Diese Institutionen haben vllt. wirklich den Einfluss, Open Access voranzutreiben (wenn auch möglicher Weise zu Bedingungen, die mir am Ende nicht
gefallen), ihr Engagement pro OA konnten wir allerdings leider nicht mit den genannten wissenschaftsimanenten Argumenten stimulieren, sondern nur im Impact-Wirtschaft-Framework. Was bleibt?
Vielleicht, dass gute Open Access Journale, die keinen nach einem anerkannten Verfahren (so fragwürdig es ist) messbaren Impact und keine Verwertbarkeit haben, in der vermeintlich
qualitativen Bewertung außerhalb ihrer Community zu Unrecht wenig Geltung haben - womit sich OA und CA nichts nehmen.
Viele Grüße
Uli
----- Am 30. Okt 2018 um 12:45 schrieb Katja Mruck katja.mruck@xxxxxxxxxxxx:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wenigstens kurz und zugegeben reichlich müde: Ich bin Hrsg. einer in
dieser Liste nicht geführten Zeitschrift (FQS,
http://www.qualitative-research.net/). Die Zeitschrift ist im Januar
2000 gestartet, 2003 bin ich auf die Idee gekommen, dass wir uns um
Aufnahme in den Social Sciences Citation Index bewerben könnten. Erst
nach der abschlägigen Nachricht 2006 habe ich mir Gedanken darüber
gemacht, wie der Impact-Faktor berechnet wird und dass wir – sollten wir
wünschen, dort je aufgenommen zu werden – einige Dinge würden ändern
müssen:
1. Wir veröffentlichen zuviel (im Durchschnitt 33 Artikel pro Ausgabe,
drei Ausgaben pro Jahr). Und entlang der Bandbreite der Themen, Methoden
usw., mit denen wir zu tun haben
(http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/search/titles), haben
nicht alle eine Chance, oft (und an den richtigen Orten, siehe 2.)
zitiert zu werden. Wenn wir also an einer für die Berechnung des IF
relevanten Größe drehen, nämlich der Zahl der Artikel (weniger, und wir
wissen natürlich, welche Themen und Autor/innen wir brauchen, um viele
Zitationen zu bekommen), würde das sicher schon sehr viel besser aussehen.
2. Es geht nicht um Qualität, sondern um Politik. Wir müssten unsere FQS
verbundenen Autor/innen, und es sind nicht wenige
(http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/search/authors),
bitten, darauf zu achten, dass sie ihre Veröffentlichungen strategisch
platzieren, nämlich in Zeitschriften, die bereits im SSCI sind, und aus
FQS-Artikeln sowas von zu zitieren.
Wir haben uns dagegen entschieden: FQS sollte ein Ort sein mit Platz für
Mainstream UND für (thematische, methodische, disziplinäre, nationale)
Nischen, und eben ein Platz zum Veröffentlichen und nicht für
Veröffentlichungsstrategien.
Leider hat FQS es aus Gründen, die mit den zuvor genannten zu tun haben,
nicht in die Liste der "Meist-zitierten Open-Access-Zeitschriften"
geschafft. Das wäre nicht so schlimm, wäre es einfach eine entlang
bestimmter Rechenwege erstellte Liste. Zudem habe ich von Frau Jobmann
erfahren, FQS entwickle sich mit Blick auf den SNIP-Wert "positiv, das
heißt perspektivisch könnte Ihre Zeitschrift auch in die Liste
aufgenommen werden". Das hat mich nach 20 Jahren FQS natürlich gefreut.
Es ist aber eben nicht nur eine Liste zum Zählen von Zitationen für die,
die Spass dran haben. Die Intention sei nicht, ein zweites DOAJ
aufzusetzen, so Frau Jobmann, "sondern Wissenschaftler_innen die
Möglichkeit [zu] geben[,] ein Open-Access-Journal zu finden, das ihren
Anforderungen an Qualität, Sichtbarkeit und Relevanz entspricht".
Qualität? FQS-Beiträge werden doppelt-blind begutachtet und im Falle
einer Veröffentlichungsempfehlung erst nach entsprechendem
mutterspachlichen Lektorat publiziert. Sichtbarkeit? Wir haben über
20.000 registrierte Leser/innen weltweit, hinzukommen die, die FQS
nutzen, aber nicht registriert sind. Relevanz? Ein Blick auf Inhalte und
Autor/innen könnte dies beantworten.
Wir sind nun also aus dem Herzen der OA-Bewegung gefordert, Dinge zu
tun, die wir lieber lassen wollen, um im Herzen der OA-Bewegung zu
bleiben. Vielleicht ist es wirklich Zeit, uns für weniger Artikel zu
entscheiden (spart ja auch Lebenszeit der vielen ehrenamtlich in FQS
involvierten Kolleg/innen) oder am Ende doch noch über Closed Access
nachzudenken.
Herzliche Grüße
Katja Mruck
**** Mehrfachempfang bitte ich zu entschuldigen ****
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wir haben die Internationale Open-Access-Woche
<http://www.openaccessweek.org/> und den Artikel in der Süddeutschen
Zeitung zum Thema Predatory Publishing
<https://www.sueddeutsche.de/wissen/wissenschaft-hochschulen-reagieren-auf-pseudojournale-1.4167118>
(https://www.sueddeutsche.de/wissen/wissenschaft-hochschulen-reagieren-auf-pseudojournale-1.4167118)
zum Anlass genommen und ein neues Feature auf unserer Homepage
installiert:
Ab sofort gibt es unter der Kategorie Ressourcen eine Übersicht
<https://oa2020-de.org/pages/frequentlycitedoajournals/> mit ca. 700
häufig zitierten Open-Access-Fachzeitschriften aus allen
wissenschaftlichen Disziplinen. Ziel dieser Übersicht ist es,
etablierte und relevante Open-Access-Zeitschriften für Forscher_innen
sichtbar zu machen und ihre Auffindbarkeit zu erhöhen. Auf diese Weise
unterstützen wir die Forscher_innen dabei, geeignete und
einflussreiche Open-Access-Zeitschriften aus ihrer Disziplin für das
Einreichen ihres Manuskripts auszuwählen.
Wir empfehlen außerdem wissenschaftlichen Bibliotheken, die einen
Publikationsfond betreiben und/oder ihre Wissenschaftler_innen über
Open Access informieren, die Liste der "Meist-zitierten
Open-Access-Zeitschriften" auf ihrer Homepage zu verlinken.
https://oa2020-de.org/pages/frequentlycitedoajournals/
Mit vielen Grüßen aus Bielefeld
Alexandra Jobmann
--
Alexandra Jobmann
National Contact Point Open Access OA2020-DE
Bielefeld University - Library
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Tel: +49 (0) 521/106-2546
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