Gesendet: Donnerstag, 25. Januar 2018 um 06:40 Uhr
Von: "Thomas Hartmann via InetBib" <inetbib@xxxxxxxxxx>
An: inetbib@xxxxxxxxxx
Betreff: [InetBib] Ankündigung weiterer Musterklagen bei Open Access-Vorgaben
Guten Morgen Kolleginnen und Kollegen,
in der heutigen Ausgabe der F.A.Z. ist auf Seite 6/Bildungswelten der
ausführliche Gastbeitrag "Der neue Zwang zum Open Access" von Bernhard
Kempen erschienen; er ist Präsident des Deutschen Hochschulverbandes
(dhv) mit seinen rund 30.000 Mitgliedern, darunter überwiegend
Universitätsprofessoren/innen.
Kempen kündigt an, dass der Deutsche Hochschulverband "weitere
Musterprozesse anstrengen und unterstützen" werde, "wenn Wissenschaftler
in Hochschulen oder Forschungseinrichtungen durch gesetzliche
Anforderung, durch Arbeitsvertrag oder auf vermeintlich freiwilliger
Basis mittels individueller Zielvereinbarung zum Open-Access-Publizieren
angehalten werden." U.a. widerspricht er energisch der Open
Access-These, "dass dem Staat durch die Finanzierung von
Wissenschaftlern aus Steuermitteln ein wie auch immer geartetes Recht
erwachse, die von diesen erarbeiteten Forschungsergebnisse öffentlich
zugänglich zu stellen. Diese Position ist kulturfeindlich,
urheberfeindlich, antiindividualistisch und antifreiheitlich." Ferner
besteht nach Ansicht Kempens in dem neuen gesetzlich garantierten
Zweitveröffentlichungsrecht der Wissenschaftsautoren (§ 38 Abs. 4 UrhG
seit 2014) "in Wahrheit ein Eingriff in deren Publikationsfreiheit und
zugleich ein herber Schlag für die Verlage, die von exklusiven
Publikationen leben."
Anlässlicher Sündenfall ist § 44 Abs. 6 im 2014 novellierten
Landeshochschulgesetz (LHG) Baden-Württemberg. Demnach ist das
Hochschulpersonal in Baden-Württemberg per Hochschulsatzung zu einer
frei zugänglichen Zweitveröffentlichung der Forschungsbeiträge zu
verpflichten. Die Universität Konstanz hat als bundesweit erste
Universität eine solche Satzung erlassen und sieht sich deshalb nun seit
November 2017 mit einer Verfassungsbeschwerde eigener Professoren/innen
vor dem Bundesverfassungsgericht; die Verfassungsbeschwerde wird
unterstützt vom Deutschen Hochschulverband. Eine Einschätzung zu den
wichtigsten (Rechts-)Fragen in meinem Beitrag "Zwang zum Open
Access-Publizieren? Der rechtliche Präzedenzfall ist schon da!",
erschienen vor kurzem im OA-Journal LIBREAS, siehe
http://libreas.eu/ausgabe32/hartmann/ Zum Zweitveröffentlichungsrecht
bzw. Green Open Access ist mein Aufsatz im Praxishandbuch Open Access
als Zweitveröffentlichung frei abrufbar unter
http://hdl.handle.net/11858/00-001M-0000-002D-6F30-3
ps. Diskussionswerte Aussagen des F.A.Z.-Artikels von Bernhard Kempen
habe ich oben konkret zitiert, denn Zeitungsartikel dürfen bekanntlich
nach der Urheberrechtsreform (UrhWissG) nicht mehr wie bisher in den
elektronischen Semesterapparaten, Forscher-Intranetplattformen "geteilt"
werden. Hochschulangehörigen, die sich für Zeitungsartikel
interessieren, müssen in den Lesesaal ihrer Bibliothek oder dort
nachfragen, ob die Bibliothek die F.A.Z. oder eine entsprechende
Datenbank lizenziert hat.
Mit freundlichen Grüßen, Thomas Hartmann