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Re: [InetBib] Save the date: 5. Workshop Informationskompetenz "im Norden" am 1.2.2018



Informationskompetenz im Wandel

Seit Jahrzehnten wird von Information Professionals darauf hingewiesen wie wichtig es in unserer heutigen Zeit ist, eine ausreichende Informationskompetenz zu besitzen, für Kinder, Schüler, Studierende, für Ärzte, Chemiker, Juristen oder Geisteswissenschaftler. Bei fast allen dieser Hinweise werden auch Vorschläge gemacht, welche Kenntnisse mit zu einer modernen Informationskompetenz gehören sollten. Ob es dabei, dem Vorbild des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen folgend, sinnvoll ist, einen "Referenzrahmen Informationskompetenz" zu entwickeln, ist insofern diskussionswürdig, da dieser auf Schüler ausgerichtet zu sein scheint.

Schon die ersten Onliner erkannten sehr rasch, dass zwischen der Informationskompetenz in der Physik und in der Psychologie Welten liegen. Damals wurde noch diskutiert, ob man mehr als eine Datenbank mit ihrer Fachterminologie professionell recherchieren kann. Deutlicher gesagt: Es gibt nicht nur eine Informationskompetenz, sondern unzählige Facetten. Insofern kann man das “Unbehagen mit der Informationskompetenz” von Karsten Schuldt (https://bildungundgutesleben.wordpress.com/2013/05/13/das-unbehagen-mit-der-informationskompetenz/) und anderen Information Professionals verstehen.

Für die ersten Onliner war die Frage nach der Qualität von Dokumenten die sie recherchierten eher zweitrangig, da die meisten Datenbanken ohnehin nur wissenschaftliche Zeitschriften mit ausreichendem Renommee inhaltlich erschlossen. Erst als Google immer mehr Quellen mit dreisten Behauptungen, abenteuerlichen Meinungsäußerungen, Werbung, Shitstorm-Äußerungen, bis hin zu Fake News erfasste, rückte die Qualität der Quellen in das Zentrum der Informationskompetenz.

Schon um die Jahrtausendwende machte das Wortspiel vom "information litter" zur der „information literacy“ die Runde, und am plakativsten war wohl J. Naisbitts geflügeltes Wort: „We are drowning in information, but starving for knowledge“. Der Ruf nach gut fundiertem Wissen gegenüber irreführender Information wurde immer lauter.

Es war ohne Zweifel die National Library of Medicine mit ihren Datenbanken (insbesondere MEDLINE) und die Ausbildung zu Medizinischen Dokumentationsassistenten, die die Informationskompetenz in der Medizin zum Vorläufer einer Entwicklung machte, die inzwischen bis zu den Digital Humanities reicht. Diese Entwicklung hat dann zur Evidence Based Medicine und zu MedlinePlus geführt, wobei wir in der Medizin recht gut unterscheiden können zwischen der Informationskompetenz der Ärzte, Apotheker bzw. der Patienten (health literacy). In dieses Bild vom Wandel, vom Informationsmanagement zum Wissensmanagement, passt auch, dass beim DGI-Forum Wittenberg mit der Feststellung „Glaubwürdigkeit und das informationskompetente Handeln sind Kernaufgaben der Infoprofis“ (Elgin Helen Jakisch: Open Password - 26.9. 2017) das verlässliche Wissen in den Fokus des Interesses gerückt wurde. Nur wer in der Lage ist, gut fundierte Informationen (Wissen) von den Unmengen lobbyistischer Information zu trennen, bis hin zu den Fake News, kann sich heute als Informationskompetent betrachten.

Um ein einfaches Beispiel aus der Medizin zu nennen. Das Internet ist voll lobbyistischer Begeisterung über die großen Erfolge der Onkologie, bei dem heutigen bzw. baldigen Sieg der palliativen Chemotherapie über den Krebs. Seit einem halben Jahrhundert wird bei Krebspatienten alle zehn Jahre viel Hoffnung erzeugt, die allerdings auch viel leere Versprechungen enthielten. Betrachtet man dagegen zwei einfache Zahlen, die der jährlichen Krebsdiagnosen in Deutschland (knapp Fünfhunderttausend) und die der Krebstoten (knapp 250.000/J) so muss man kein Onkologe sein, um zu erkennen, dass die Heilungsrate unmöglich 50% signifikant übersteigen kann. Wenn man dazu beispielsweise berücksichtigt, dass es etliche Menschen gibt, die trotz Krebsdiagnose eher an einer Herzinsuffizienz, einem Schlaganfall, einer Lungenentzündung, einem Unfall, einer Infektionskrankheit etc. sterben, so bleibt für erfolgreiche Siege über den Krebs nicht viel Spielraum. Ein guter Trick für hoffnungsvolle Erfolgsmeldungen in der Krebstherapie ist dabei die Früherkennung. Je früher ein Krebs entdeckt wird, desto wahrscheinlicher ist, dass der Patient die nächsten fünf Jahre überlebt. Das hat zunächst mit einer erfolgreichen Therapie nichts zu tun. Eher noch mit der wachsenden Gefahr von Fehldiagnosen, und eine falsch positive Krebsdiagnose heilt den Krebs sozusagen von allein aus. Es ist bekannt, „dass selbst die Ärzte den Nutzen einer Krebsfrüherkennung überschätzen.“ (www.bertelsmann-stiftung.de/de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/pid/krebs-frueherkennung-fehldiagnose-risiko-wenig-bekannt/). Wer schon öfter mit Krebspatienten Kontakt hatte, kennt den Klassiker. Die Patienten freuen sich, sobald sie ihren Krebs endlich besiegt haben, erliegen aber bald darauf den Metastasen bzw. einem anderen Krebs (www.rp-online.de/leben/gesundheit/medizin/krebs/tod-von-miriam-pielhau-wie-krebs-unbemerkt-wiederkommt-aid-1.6119312.). Der Lobbyismus unserer Zeit und die wachsenden Trollarmeen haben das Auffinden relevanten Wissens, trotz Google und wissenschaftlich orientierter Datenbanken zu einer Suche der Stecknadel im Heuhaufen der Fehlinformationen gemacht. Fachlich fundierte Informationskompetenz ist unsere einzige Chance dieser Problematik Herr zu werden.

MfG
Walther Umstätter


Am 2017-09-25 16:31, schrieb Dr. Oliver Schoenbeck via InetBib:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

zum mittlerweile fünften Mal werden wir im kommenden Februar einen
Workshop zur Informationskompetenz "im Norden" veranstalten. Aus der
Runde der AG Informationskompetenz im GBV wird dieses Mal die
Universitätsbibliothek Oldenburg die Veranstaltung ausrichten und
gemeinsam mit der Hochschule Hannover vorbereiten.
Der "Referenzrahmen Informationskompetenz" soll im Workshop
Ausgangspunkt sein, einmal Nicht-Bibliothekare zu Wort kommen zu
lassen. Gemeinsam wird nach Schnittstellen der Informationskompetenz
zu Forschung, Lehre und Studium gesucht - ganz im Sinne einer besseren
Vernetzung, wie sie mittlerweile vielfach für das Thema und seine
Akteure gefordert wird.

Nähere Informationen zu Programm und Anmeldung wird es in den
kommenden Wochen geben. Wir möchten Sie aber jetzt schon bitten, sich
bei Interesse den 1.2.2018 für eine Reise nach Oldenburg vorzumerken.

Viele Grüße,
Anke Wittich (Hochschule Hannover)
Oliver Schoenbeck (BIS Oldenburg)


________________________________________
Dr. Oliver Schoenbeck
Fachreferent Pädagogik, Philosophie, Buch- und Bibliothekswesen
Stellv. Leitung Nutzerdienste
BIS - Bibliotheks- und Informationssystem
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Postfach 2541
26129 Oldenburg - Germany

Mail: oliver.schoenbeck@xxxxxxxxxxxxxxxx
Tel.: 0441 798-4257
Fax: 0441 798-4040
URL: http://www.bis.uni-oldenburg.de/


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