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Re: [InetBib] Kleiner aber feiner Nachtrag
- Date: Sat, 20 May 2017 21:39:59 +0200
- From: Walther Umstaetter via InetBib <inetbib@xxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Kleiner aber feiner Nachtrag
Am 2017-05-20 00:33, schrieb Oliver Hinte via InetBib:
Es gibt Neuigkeiten in den Kapselschriften
http://kapselschriften.blogspot.de/
Herzlichen Dank, für den feinen Nachtrag.
Ist der Satz: “Das primäre Geschäftsmodell von Zeitungen wird dadurch
ernsthaft gefährdet.” (
https://pbs.twimg.com/media/DAGJLC5UMAU_UR5.jpg:large) nicht köstlich,
wenn man das “dadurch” auf das Urheberrechts-Wissenschafts-Gesetz
bezieht. Denn dieses "primäre Geschäftsmodell", bei dem Wert darauf
gelegt wird, dass ein Leser eines bestimmten Beitrags immer auch die
Werbung dazu kaufen muss, über die der Beitrag finanziert wurde, hat
fast nichts mit den Verwertungsrechten des Beitrags und noch weniger mit
dessen Urheberrechten zu tun. Dass das "primäre Geschäftsmodell von
Zeitungen" seit Jahren in eine massive Krise geraten ist, hat einfache
und bekannte Gründe. Es wurde vom privaten Fernsehen, von Youtube,
Google, Amazon, den sozialen Netzwerken und vielen anderen (die auch
ihre Urheberrechte einfordern) übernommen, und die haben so den
Werbemarkt der gedruckten Zeitungen und Zeitschriften erheblich
gemindert. Dabei hat die Digitalisierung für die Werbefachleute drei
wichtige Vorteile:
1. Man wirbt verstärkt individuell für das, wofür die Leser bereits
Interesse gezeigt haben.
2. Man zwingt die Leser immer öfter erst die Werbung zur Kenntnis zu
nehmen, bevor diese an die eigentlich gewünschten Informationen gelangen
3. Man automatisiert marktanalytisch interessante Fragen.
Für uns Nutzer wird diese Werbung immer nervtötender, wenn wir merken,
wie unser Verhalten mehr und mehr überwacht und gesteuert wird, wenn bei
jeder neuen Internetseite die auf dem Bildschirm erscheint, zwei- oder
mehrfach Werbung nachgeladen wird, und wir immer öfter zu Klicks
gezwungen werden, die unserer Zeit kosten.
In gewisser Hinsicht ist auch die wiederholte Klage, über den Angriff
auf die freie Presse köstlich, nachdem die schon seit Jahrzehnten durch
das "primäre Geschäftsmodell" in bekannter Abhängigkeit von der
jeweiligen Werbung und den Sponsoren steht. Ebenso köstlich ist auch die
Kritik, dass so viele Informationen heute unentgeltlich verfügbar sind,
obwohl gerade diese Kostenlosmentalität durch das "primäre
Geschäftsmodell" der Zeitungen hervorgerufen wurde. Vermutlich haben
sich schon etliche Insider über so manchen gutgläubigen Leser köstlich
amüsiert, nur für die Printmedien ist es wirklich ernst und
existenzbedrohend. Es hat aber trotzdem nichts mit dem Recht der Urheber
geistigen Eigentums zu tun, denn auch von denen verlangen nun schon in
der Wissenschaft immer mehr Verlage, dass sie zahlen, um im
publish-or-perish nicht unterzugehen. Das eingeforderte Geld von den
Informations- und Redundanzempfängern ist ja nur ein Zubrot, um den
Eindruck zu erwecken, man habe als Leser seine Information auch bezahlt.
Es soll sogar Menschen geben, die das glauben – nach dem Motto: Qualität
hat ihren Preis. Auch hier kann man als Insider mit Jahrzehnte langer
Erfahrung über den Witz nur lachen. Als würden Autoren beim primären
Geschäftsmodell nach gelieferter Qualität bezahlt.
MfG
Walther Umstätter
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.