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Re: [InetBib] Bibliotheken könnten mehr für die Public Domain, tun



Sehr geehrter Herr Graf,

normalerweise bin ich nur stiller Leser der Liste (wie viele Kolleginnen und Kollegen), aber dieser Ihrer unzähligen Beiträge nötigt mich doch zu einer Beteiligung, vor allem weil er viele nicht zusammengehörende Dinge miteinander verquickt.

Ihrem Betreff "Bibliotheken könnten mehr für die Public Domain tun" kann man wohl kaum widersprechen.

Ihr fortgesetztes Werben für Internet Archive bzw. Wikimedia Commons (Wer steckt eigentlich hinter den Foundations? Gilt europäisches Urheberrecht? Warum ist kein Impressum auf den Seiten? Warum gerade die beiden?), wird hingegen auch nach zig Wiederholungen nicht viel mehr Erfolg bringen, da genauso wie jeder Wissenschaftler und jeder Verlag seine Publikationen unter seiner eigenen Hoheit haben möchte, auch jede Hochschule den Erfolg Ihrer Wissenschaftler zeigen möchte und deshalb für Open-Access-Publikationen jeweils ein hochschul-eigenes Repository erstellt. Und dass man sich in Zeiten des Internet nicht mehr nur an einer Stelle Infos holt (früher schlug man einfach im Brockhaus nach ...), sondern zig verschiedene Suchen eingeben und Links anklicken muss, daran sollte man sich inzwischen gewöhnt haben.

Sie beschweren sich lautstark, dass die "Frau Professorin H., Direktorin des landgeschichtlichen Instituts der traditionsreichen württembergischen Universität in T." (warum schreiben sie nicht gleich den Namen, ist per Google in 10 Sekunden ohnehin zu ermitteln?) Sie nicht mit Scans versorgt hat. Meines Wissens sind auch in T. die Institutsbibliotheken nicht dem Leihverkehr angeschlossen, mithin nicht verpflichtet, Kopien oder gar Scans an auswärtige Benutzer zu liefern. Tun sie es dennoch, so geschieht es auf freiwilliger Basis, so wie wir dies auch gelegentlich machen. Auf freiwilliger Basis heißt aber auch, dass ein entsprechender Wunsch abgelehnt werden darf und das sollte dann von dem Wünschenden auch akzeptiert werden. Ein Nachtreten, gar so öffentlich wie Sie es in dieser Liste tun, ist ein absolut unmögliches Verhalten.

Sie schreiben "Etliche Hochschulen bieten ihren Wissenschaftlern eine Luxusversorgung mit Scans". Haben Sie nachgeprüft, ob dies auch in T. der Fall ist? Haben Sie sich jemals nach den Gründen hierfür erkundigt? Ich habe während meiner Ausbildung ein 3-monatiges Praktikum in der Chemischen Bibliothek der Henkel KGaA (die dem Leihverkehr angeschlossen war) gemacht. Dort wurden wichtige Chemische Zeitschriften in bis zu 12 Exemplaren bestellt und in verschiedene Umläufe gegeben, weil man gegengerechnet hat, was es an Zeit (und damit indirekt auch Lohn) kostet, wenn der hochbezahlte Forscher sich von seinem Arbeitsplatz erhebt, quer über das Werksgelände in die Bibliothek geht (um dort die Zeitschrift zu lesen) und wieder zurück geht. Dies wurde dann ins Verhältnis zu den Abokosten gesetzt. Genauso wurden eilige Aufsatzkopien (für 20 DM pro Stück) per Fax bei der TIB Hannover und der ZB Med bestellt, statt eine Fernleihbestellung aufzugeben. Die waren dann innerhalb weniger Stunden statt Wochen da!


Sie schreiben, "Es ist ein Unding, dass bei Fernleihbestellungen gemeinfreier Aufsätze (als Kollateralschaden urheberrechtlichen Beschränkungen) keine elektronischen Versionen geliefert werden". Fragen Sie mal nach dem Wieso? Weil viele Bibliotheken keine langwierigen Recherchen betreiben wollen, ob nun ein Artikel urheberrechtlichen Beschränkungen unterliegt. Sie wollen nicht ermitteln müssen, wann der letzte beteiligte Autor eines Zeitschriftenartikels gestorben ist und darauf 70+1 Jahre rechnen. Also wird einfach generell angenommen, dass eine Publikation dem Urheberrecht unterliegt und deshalb (derzeit) nur eine Papierkopie geliefert werden darf. Wenn es um Mitglieder der eigenen Hochschule geht, ist das Urheberrecht erheblich einfacher; hochschulintern sind Scans durchaus erlaubt. Also vergleichen Sie bitte nicht Äpfel mit Kürbissen, nur weil beide rund sind.

Was Ihr Argument "Investieren ehrenamtliche Mitarbeiter freier Projekte viel Freizeit in freie Inhalte, die der Allgemeinheit ohne jeden Zweifel erheblich nützen ..." angeht, so ist dies unerheblich, da für eine Beurteilung, ob eine Bibliothek etwas macht, wozu sie nicht verpflichtet ist, oder nicht, nicht die Motive und nicht die Person des den Wunsch Äußernden maßgebend sein können. Sonst könnte schnell nach dem Motto "Für Herrn K. Graf haben Sie doch kostenlos Scans gefertigt, warum für mich nicht?" aus der Ausnahme eine Massengeschäft werden, welches dann schon "im Massengeschäft eines Luxusdokumentlieferdienstes für die Uni-Mitarbeiter wie in T." wieder ins Gewicht fallen könnte.


Bezüglich Ihres "Nach wie vor haben es die Bibliotheken nicht geschafft, meinen in INETBIB gemachten Docster-Vorschlag aus dem Jahr 2001 (wiederholt 2010) zu realisieren, also gemeinfreie Aufsatz-Scans der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.", steckt auch hier - meiner Meinung nach - mehr gekränkte Eitelkeit (wegen Nichtbeachtung Ihrer ach so genialen Idee) als wirkliche Auseinandersetzung mit dem Thema dahinter. Einen Zeitschriftenartikel zu scannen und diesen Scan per E-Mail zu verschicken, geht sehr schnell (max. 15 Minuten).
Diesen Scan dauerhaft aufzuheben, erfordert aber viel mehr:
- 1. einen Server für die Ablage der Scans
- 2. müssen Metadaten zu dem Scan eingegeben werden, damit man ihn wiederfindet - 3. eine wie auch immer geartete Datenbank zur Verwaltung der ganzen Metadaten - 4. eine dauerhafte Finanzierung für Server, Erfassungspersonal, IT-Personal und Datenbank

Soll das ganze dann auch noch hochschulübergreifend geschehen, sind zusätzlich noch Verträge zwischen den beteiligten Einrichtungen abzuschließen und eventuell muss auch noch ein übergeordnetes Rechenzentrum oder eine Zentralredaktion eingerichtet und finanziert werden. Mit anderen Worten, das geht nicht mal eben so - und im Vergleich auch zum 15-maligen Scannen des gleichen Aufsatzes, ist es erheblich aufwändiger und teurer.


Ihren "Bitten", Herr Graf, möchte ich entgegnen:

- Bitten um kostenlose Scans, kann (nicht muss! und auch nicht soll!) man im Einzelfall erfüllen - auf freiwilliger Basis, sofern es die eigene Benutzungsordnung (haben Sie die von T. geprüft?) und der Aufwand zulässt.

- Forderungen nach Erfüllung, sind hingegen völlig unangemessen, da es sich um eine freiwillige Leistung handelt!

- Die Fernleihe darf durch solche Direktanfragen nicht ausgehebelt werden!

- Ob "Scans gemeinfreier Vorlagen [...], die noch nicht im Netz sind, [...] diese der Allgemeinheit im Internet zur Verfügung gestellt werden", müssen Sie schon der erstellenden Einrichtung überlassen, denn diese hat den Aufwand und ggfs. die Kosten zu tragen!


Markus Heine


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