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[InetBib] Grundsatzfragen zur aktuellen Wissenschafts-Debatte
- Date: Fri, 10 Mar 2017 12:34:06 +0000
- From: Christine Guntermann via InetBib <inetbib@xxxxxxxxxx>
- Subject: [InetBib] Grundsatzfragen zur aktuellen Wissenschafts-Debatte
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
vielleicht darf ich Ihnen an dieser Stelle meine Gedanken zur Situation um die
Debatte zur Urheberrechtsreform und zum DEAL-Projekt sowie in diesem
Zusammenhang aufgekommene Grundsatzfragen zur Diskussion stellen, die mich in
letzter Zeit umtreiben:
In den Diskussionen über die Urheberrechtsreform und das DEAL-Projekt, die man
an verschiedenen Stellen verfolgen kann, lässt sich erkennen, dass sich die
Fronten zwischen Verlagen/Buchhandel sowie Wissenschaft/Bibliotheken verhärtet
haben. Ich finde diesen Zustand sehr bedauerlich. Für meinen Teil (als
Bibliothekarin einer kleinen wissenschaftlichen Spezialbibliothek) stelle ich
fest, dass ich teilweise in einzelnen Punkten die Befürchtungen und auch
Bedürfnisse beider (!) Seiten, die in diesen Diskussionen und in den
Stellungnahmen zum Referentenentwurf für das UrhWissG angebracht werden,
nachvollziehen kann.
Meiner Meinung nach ist ein wesentlicher Aspekt bei der gesamten Diskussion die
Tatsache, dass im wissenschaftlichen Bereich unentwegt eine Vielzahl von
Publikationen jeglicher Art und Form produziert und veröffentlicht wird. Dies
geht offenbar einher mit dem Druck, unter dem WissenschaftlerInnen stehen,
publizieren zu müssen. Hier in unserem Institut hat bereits der eine und die
andere WissenschaftlerIn seinen/ihren Unmut dahingehend geäußert. Wenn ich
Literaturvorschläge an sie verschicke, erhalte ich manchmal die scherzhaft
dargestellte Rückmeldung, "wer das alles lesen soll". Aber durch ein offenes
Gespräch mit einem Wissenschaftler habe ich erfahren, dass die Situation
hinsichtlich der Publikationsflut, die sie überblicken müssen, und des Drucks,
selbst publizieren zu müssen, ein Dilemma zu sein scheint. Daher frage ich
mich, ob es nicht sinnvoll wäre, dass die Wissensschaft ihre eigene Situation
dahingehend einmal genauer hinterfragt?
Ebenso überlege ich, ob nicht auch einige (Wissenschafts-)Verlage, die von
dieser Publikationsflut profitieren, ihre Vorgehensweise im Hinblick auf
"Fairen Handel" überdenken sollten. Gleichzeitig bestehen auch im
Bibliotheksbereich womöglich Anforderungen, die wir vielleicht auf gerechte
Umsetzbarkeit überprüfen sollten? Ich denke, dass die genannten Parteien eine
Symbiose bilden sollten und habe aber derzeit das Gefühl, dass es aus dem Ruder
läuft.
Hier im Institut wird sich u.a. mit den Fragen des "gerechten Friedens" und des
"gerechten Krieges" auseinandergesetzt. Vielleicht sollten wir uns einmal
ernsthaft mit der Frage der "gerechten Wissenschaft" auseinandersetzen und auch
ethische Gesichtspunkte bei all den gegenseitigen Anforderungen bedenken?
Freundliche Grüße aus Hamburg
Christine Guntermann
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.