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Re: [InetBib] Wissenschaftsbibliotheken und Marktmacht



Am 2017-02-28 11:15, schrieb Christian Spliess via InetBib:
Liebe Liste,

ich hätte gerne dazu mal die Meinung der Kollegen aus den
Wissenschaftsbibliotheken - diese kommt im Buchreport natürlich nicht
unbedingt vor. Hüstel:
https://www.buchreport.de/2017/02/27/missbrauchen-die-wissenschaftsbibliotheken-ihre-marktmacht/

Aus dem grauen Duisburg,

Christian Spließ

Liebe Liste,

die Frage “Missbrauchen die Wissenschaftsbibliotheken ihre Marktmacht?” entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn man sich daran erinnert, dass die “internationalen Wissenschaftsriesen Elsevier, Springer Nature und Wiley” schon seit etlichen Jahrzehnten horrende jährliche Preissteigerungen und auch Gewinne verlangt haben. Wer hier die Marktmacht bislang missbraucht hat, ist also seit langem bekannt. Wobei DEAL und Open Access die inzwischen unausweichliche Antwort der Bibliotheken war, für die es unvertretbar ist, immer höhere Erwerbungsetats einzufordern, nur damit die Verlage ihre Preissteigerungen durchsetzen können. Dass dadurch viele kleine Verlage immer stärker unter Druck gerieten ist ebenfalls seit Jahrzehnten bekannt.

Interessanterweise wird bei dieser Gelegenheit von den Verlagslobbyisten mit Erfolg behauptet, 1. wir hätten ein Zeitschriftensterben, um das Mitleid der Juristen für die Verlage zu erwecken, und so die Enteignung der Bibliotheken bei E-Journals zu begründen, und 2. die Erwerbungsetats der Bibliotheken würden sinken, weil die Abonnements der E-Journals meist über die Konsortien getrennt bezahlt werden.

Das eigentliche Problem ist, dass es den “internationalen Wissenschaftsriesen“, die natürlich nur Verlagsriesen im Wissenschaftsbereich sind, gelungen ist, mit Hilfe ihrer peer reviewings und hochgetricksten Journal Impact Factors eine Unverzichtbarkeit bei den Universitätsbibliotheken vorzutäuschen (mit Qualität hat das meist gar nichts zu tun), weil Zeitschriften, die viel zitiert werden, auch zwangsläufig von den Lesern nachgefragt werden, oft auch nur um die enthaltenen Publikationen zu falsifizieren. Das erklärt auch, warum wir die sog. Bildungs- und Wissenschaftsschranke brauchen. Wir sprechen hier nicht von Unterhaltungsliteratur, wo die Auflagenzahl (Zahl an Kopien, Redundanz) honoriert wird. Auch ein Lehrbuch wird nicht dadurch besser oder schlechter, in dem mehr Exemplare verkauft werden. Es gibt also keinen Grund beispielsweise Lehrbücher oder MOOCs solide zu finanzieren und dann allgemein anzubieten.


MfG
Walther Umstätter




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