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Re: [InetBib] Ein Wort zur Informationskompetenz



Sehr geehrter Herr Böttcher,

Witz oder nicht, bei der Passage über strategische Desinformation habe ich 
spontan an die Kampagnen gedacht, die ich benannt habe. Und weil man ja selbst 
die Dinge nicht so sieht wie Beobachter von außen habe ich mir erlaubt die 
Liste darauf hinzuweisen, wie die Kampagnen bei mir und vielen Kollegen 
ankommen.

Falls es Sie interessiert: mein Eindruck ist, dass zum Rahmenvertrag 
Informationen an die Medien und die Studentenschaft und die Politik gegeben 
werden, die die Situation bewusst verzerrt wiedergeben, um Druck aufzubauen. 
Die Geschichte von 52a ist ja lang. Zu Beginn wurde von Bibliotheksseite 
angeboten, dass eine Pauschale von (den genauen Betrag weiß sicher jemand im 
Forum) etwa 250.000 Euro die Nutzung abdecken soll. Wohlgemerkt, die 
anbietenden Bibliotheken kannten das ungefähre Nutzungsvolumen, die Verlage 
nicht. Als dann erste statistische Erhebungen gemacht wurden, hat man an den 
Betrag verzehnfachen müssen. 
Dann folgte das Verfahren vor Gericht. Die Verlagsseite hat das krachend 
verloren. Aber immerhin hat der BGH Eckpunkte gesetzt, Vorrang der 
Verlagslizenz, maximaler Umfang, Einzelabrechnung und einen Seitenpreis, der 
nach meiner Erinnerung nur ein Zehntel dessen betrug, was das Patentamt als 
Aufsichtsbehörde der VG Wort für angemessen hielt und was schon weit unter dem 
lag, was Verlage für angemessen gehalten haben. Aber wenigstens Rechtsklarheit 
durch höchstrichterlichen Bescheid.
Dann folgte der Test in Osnabrück. Für diesen hat die VG Wort eine Webseite 
programmiert, die ein einfaches Meldeverfahren ermöglicht. Nach diesem wurde 
das Meldeprozedere aufgrund der Rückmeldungen noch einmal vereinfacht. Die 
Frist zur Umsetzung des BGH Entscheids hat man noch einmal um ein Jahr 
verlängert.
Dann wurde mit der KMK der Rahmenvertrag verhandelt, um das umzusetzen.
Und jetzt heißt es, dass das in der Kürze der Zeit nicht umsetzbar sei, obwohl 
man Jahre zur Vorbereitung hatte? Jetzt heißt es, dass der Preis inakzeptabel 
sei, obwohl er nur Bruchteile dessen beträgt, was mal von dritter Seite als 
angemessen bezeichnet wurde? Jetzt heißt es, dass die Meldeprozedur 
unerträglich lange dauert, obwohl er vor der Überarbeitung bei 3,8 Minuten lag 
und durch die Vereinfachung um 1-2 Minuten gesenkt wurde?
Das Zusammenstellen eines Semesterapparats mit vier bis fünf Dokumenten dauert 
dann rund zehn Minuten. Wenn das inakzeptabel ist, wie viele Sekunden sind denn 
angemessen? Es geht doch um fremdes Eigentum, das hier billigst unter der 
Schranke genutzt werden darf. 
Und zur Einzelabrechnung: wir Verlage schulden den Autoren Einzelabrechnungen, 
eine genaue Auskunft über den Umfang der Nutzung. Der Justizminister verschärft 
gerade das Auskunftsrecht des Autors. Aber für Hochschulen soll das nicht 
gelten, so dass wir dem Autor bei seiner Frage über die Nutzung seines 
Lehrbuchs im Semesterapparat sagen müssen: der BGH hat zwar so entschieden, die 
Hochschulen wollen das aber nicht akzeptieren, und deshalb haben wir keinerlei 
Informationen?
Ist die Nutzung in Wahrheit viel höher, man möchte das aber verschleiern, um 
dem Autor seine angemessene Vergütung vorzuenthalten?

Gibt es irgend eine Information von Hochschulen für die Öffentlichkeit, in der 
die korrekten Zahlen dargestellt werden? In der es heißt, das dauert 3,8 
Minuten und das finden wir zu viel? In der es heißt, wir haben gehofft, das 
wird alles noch anders und deshalb die Vorbereitung für die technische 
Umsetzung verbummelt? In der die Kosten pro Student verglichen werden mit den 
Kopierkosten oder dem substituierten Kauf?

Das empfinde ich als bewusste strategische Desinformation. Und: nein, ein Witz 
ist es in Wahrheit natürlich nicht, sondern ein Vorgehen, bei dem 
Budgetprobleme statt durch die zuständigen Stellen jetzt auf Kosten der Autoren 
und Verlage gelöst werden sollen. Und die Bibliotheken, die für Studenten 
Lehrmittel bereitstellen sollen arbeiten konsequent an der Zerstörung 
derselben. Ein Witz? Nein, leider nicht.

Ich freue mich über jede Richtigstellung, denn es wäre schön, wenn das alles 
anders wäre!

Herzliche Grüße
Matthias Ulmer

Am 30.11.2016 um 20:05 schrieb Boettcher, Uwe <Uwe.Boettcher@xxxxxxx>:

Sehr geehrter Herr Ulmer,

da Sie es vorziehen, diese Diskussion (entgegen meiner Absicht) öffentlich zu 
führen - bitte schön:

Falls Ihre Bemerkung als Witz gemeint war, so finde ich ihn geschmack- und 
gedankenlos und als solchen in dieser Liste für überflüssig.

Sollten Sie es aber nicht als Witz gemeint haben, so empfinde ich es als 
höchst unangemessen, Hochschulen Agitation, Lug und Betrug zu unterstellen. 
Das ist beleidigend, ehrverletzend und gehört daher - siehe Netiquette der 
Inetbib - ebenfalls nicht in diese Liste.

Sollten Sie etwas Konkretes zur §52a-Frage beizutragen oder zu kritisieren 
haben, so nennen Sie Ross und Reiter, und wenn Sie dabei sachlich bleiben 
gibt es hier sicher viele - mich eingeschlossen, die sich mit Interesse an 
dieser DIskussion beteiligen. Launige, pauschale Anwürfe und Unterstellungen 
sind aber weder hilfreich, noch fördern sie Verständnis für Ihre sicher 
gleichfalls berechtigten Interessen. Insofern sollten wir die 15 Minuten 
Aufmerksamkeit dafür hier auch enden lassen.

Mit freundlichem Gruss

Uwe Böttcher
________________________________________
Von: Matthias Ulmer <mulmer@xxxxxxxx>
Gesendet: Mittwoch, 30. November 2016 17:26
An: Boettcher, Uwe; inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff: Re: AW: [InetBib] Ein Wort zur Informationskompetenz

Sehr geehrter Herr Böttcher,

ich hätte Ihnen ja gerne ganz konkret und sachlich geantwortet, konnte aber 
von Ihrer Hochschule keinerlei Statement zum Rahmenvertrag finden. Können Sie 
mir sagen, warum Sie sich vom meiner Aussage betroffen fühlen?

Freundliche Grüße
Matthias Ulmer

Am 30.11.2016 um 16:33 schrieb Boettcher, Uwe <Uwe.Boettcher@xxxxxxx>:

Sehr geehrter Herr Ulmer,

das ist keineswegs so witzig, wie Sie es vielleicht gemeint haben. Derartige 
Polemik trägt nicht zur Lösung des Problems bei, und als Vertreter unserer 
Hochschule verbitte ich mir auch die Unterstellung, die Hochschulen würden 
hier Desinformation und Unwahrheiten betreiben. Uns mit russischen 
Agitprop-Agenten gleichzusetzen ist schon ein ziemlich starkes Stück.

Mit freundlichen Grüßen

Uwe Böttcher


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: InetBib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxx] Im Auftrag von Matthias 
Ulmer via InetBib
Gesendet: Mittwoch, 30. November 2016 15:50
An: Walther Umstaetter <walther.umstaetter@xxxxxxxxxxxxxxxx>; 
inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Ein Wort zur Informationskompetenz

Lieber Herr Umstaetter,

da haben Sie sehr recht:


Wir stehen aber mit zunehmender Informationskompetenz vor der Frage, wann, 
wie, wo und womit man uns in jeder neuen  Nachricht zu betrügen versucht. 
Es sind ausgefuchste Informationsspezialisten die massenhaft Informationen 
fälschen und verbreiten.

Haben Sie da auch die "Informations"kampagne gegen den 52a-Rahmenvertrag und 
die Kampagne The right to e-read gemeint?

Fröhliche Grüße
Matthias Ulmer






Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.