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Re: [InetBib] PokemonGo-freie Zone in Nordenham



Hallo zusammen,

ich gehöre der etwas jüngeren Generation von Bibliothekaren an und probiere 
vieles aus. Und zufällig habe ich gerade in meiner Mittagspause ein "Traumato" 
gefangen. Ein knubbeliges, gelbes Ding (etwas untersetzt) mit komischen 
Kulleraugen. Und auch wenn hier die Urinstinkte des Jagens und Sammelns 
angesprochen werden, sehe ich selbstverständlich diesen ganzen Pokemon-Hype 
auch kritisch... Aber da habe ich auch schon einen Punkt angesprochen: Es ist 
ein Hype. Und deswegen sehe ich das Ganze etwas lockerer...

Natürlich wird durch die Implementierung von Goggle-Maps und dem 
"Belohnungssystem durch Besuche von Sehenswürdigkeiten" die Bibliothek in 
irgendeiner Art und Weise "benutzt"... Aber hat das nicht auch was Gutes? Ich 
finde es zum Beispiel gut, wenn die Kids (und auch älteren Kids) von ihrer 
Playstation/Couch wegkommen und stattdessen draußen rumlaufen und sogar 
Sehenswürdigkeiten, Denkmäler etc. zu Gesicht bekommen, die sie vorher 
teilweise noch niemals wahrgenommen haben (auch wenn hauptsächlich aufs Handy 
gestarrt wird). Und sogar der Bibliothek einen Besuch abstatten. Toll! :)

Herr Dudek, ich kann es voll und ganz verstehen, wenn Sie diesen Pokemonkram 
nicht gut heißen (ich zum Teil auch nicht). Jedoch muss man sich eines vor 
Augen führen: Momentan ist Pokemon Go in aller Munde. Und das zum größten Teil 
im positiven Sinn. Leider macht man sich als Institution sehr schnell 
unbeliebt, wenn man (aus welchen Gründen auch immer) bestimmte Kundengruppen 
aussperrt bzw. sich gegen deren Hobby in irgendeiner Weise ausspricht. Und 
negative Erlebnisse kriegt man aus Kundenköpfen leider sehr schwer wieder raus 
und ZACK - hat man ein Imageproblem. Und um das wieder auszubügeln... Das 
dauert leider sehr lange.

Herr Dudek, auf Ihre Fragen bezogen:
- Natürlich sollten sich Bibliotheken mit aktuellen Trends kritisch 
auseinandersetzen. Jedoch empfinde ich persönlich ein Verbot schon als harte 
Maßnahme.  
- Kostenfallen sehe ich in diesem Spiel auch nicht. Natürlich kann man 
"Echtgeld" ausgeben, muss man aber wirklich nicht und versteckt sind diese 
Angebote auch nicht. Des Weiteren haben Eltern die Möglichkeit, über den 
Appstore "In-Game-Käufe" zu unterbinden. Das ist auch nicht sonderlich 
kompliziert und sollte jedes Elternteil bei Handys von Kindern vornehmen. Aber 
das ist ja nicht unser Job. Zum zweiten Punkt: Diese Diskussionen gabs ja 
schon, Google-Autos-Sei-Dank. Wie oben erwähnt: Das Beste aus der Situation 
machen. Ich kann mich noch gut an eine Bibliothek erinnern, die ein Banken-Logo 
serienmäßig auf ihren Ausweis gedruckt hat... Wie Herr Spliess bereits 
erwähnte: Firmen gibt es in Bibliotheken schon lange und gar nicht mal so 
selten...

Herr Spliess hat tolle Ideen, was den Umgang damit betrifft: Man kann die 
Kunden machen lassen (vielleicht sogar fürs Bibliotheksmarketing nutzen), aber 
jedoch auch die kritischen Aspekte kommunizieren. Der Kunde soll sich 
wohlfühlen und auch in einer Bibliothek Spaß haben. Und solange man nur mit 
virtuellen Pokebällen und nicht mit Handys oder anderen Gegenständen um sich 
schmeißt, sehe ich das halb so wild. Darüber hinaus hat sich das Thema (wie so 
viele andere auch) in ein paar Monaten beruhigt. Wenn der Kunde etwas möchte 
und ein Medium/Dienst auch gerne in der Bibliothek nutzt, sollte man abwägen, 
inwieweit das der Bibliothek schadet (oder sogar nützt!). Darüber kann man 
natürlich vortrefflich streiten. Aber das ist nur meine Einschätzung...

Viele Grüße aus Osnabrück

Julian Bursky        

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: InetBib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxx] Im Auftrag von Christian 
Spliess
Gesendet: Dienstag, 19. Juli 2016 13:55
An: Stadtbücherei Nordenham
Cc: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] PokemonGo-freie Zone in Nordenham

Guten Tag,

darf ich in Erinnerung rufen: Sie berufen sich dezidiert auf die Definition des 
3. Ortes - und müssen sich dann an den Kriterien für den messen lassen.
Und das mit dem Shitstorm könnte man regeln, wenn man fundiert auf Kritiken bei 
Facebook antwortet - aber waren Sie sich nicht im Klaren darüber, dass das 
kontrovers werden wird? Wie dem auch sei...

Stadtbücherei Nordenham <nordenhamerbuecherei@xxxxxxxxx> schrieb am Di., 19. 
Juli 2016 um 13:03 Uhr:

Meine Anfrage umfasst zwei Punkte:

   1. Ist es in Ordnung, wenn sich Bibliotheken UNKRITISCH zum Werkzeug der
   Marketingkampagne eines Konzer machen, wobei das Produkt Kostenfallen
   enthält und eine merkwürdige "Sponsoring"-Tour fährt?


Nun, dies ist eine Frage die gestellt werden kann und muss. Jedoch das Wort 
"Kostenfallen" bei PokemonGo - haben Sie sich das Spiel mal angesehen? - ist 
ein wenig hochgegriffen. Wie so viele andere Spiele in dem Bereich ist es 
erstmal kostenlos zu spielen - die Frage nach der Nutzung von Daten stellen Sie 
gar nicht, das wäre zum Beispiel aber eine, an der sich eine kritische 
Diskussion entzünden könnte. Schade. Es gibt die Möglichkeit gegen Geld 
Gegenwerte zu erwerben. Das kennt man aus WOW und anderen Modellen.
Natürlich kann man überlegen, ob es fair ist wenn jemand eine Menge Geld in das 
Spiel steckt und damit die Arenen einfacher besetzten kann. Man kann auch gerne 
den ganzen kompletten Ansatz von Spielen kritisieren, die auf diese Art und 
Weise funktionieren.
Eine Falle aber wäre es, wenn man ungewollt Geld für etwas ausgibt. Das nennt 
man auch Verbrauchertäuschung und das kann man ahnden. Das ist bei PokemonGo 
nun nicht so - es ist ganz klar: Dafür zahle ich Geld, das erhalte ich als 
Gegenwert.

Nun war es auch bei Ingress - dem Vorläufer, selbe Firma - schon so, dass 
Sponsoring-Spots im Spiel gebucht werden konnten. Das wird auch definitiv 
kommen und auch das kann man kritisieren - und man kann das verdeutlichen, in 
dem man sich mit dem Spiel auseinandersetzt, die Jugendlichen Spieler bewußt 
auch anspricht und sich mit ihnen kreativ auf Augenhöhe begibt.

Das aber - und dazu haben Sie immer noch nichts gesagt - ist nur möglich, wenn 
die Bibliothek den Spielern den Zugang erlaubt. Wie Sie kritisches Bewusstsein 
schaffen möchten, wenn Sie signalisieren, dass die Zielgruppe - der Sie ja 
offenbar eine bestimmte kritische Haltung beibringen wollen - konsequent 
erstmal den Zugang bzw. die Nutzung nicht bei ihnen machen darf; das geht 
meiner Ansicht nach nicht zusammen.



   2. Ist es in Ordnung, dass hier eine Firma UNGEFRAGT und UNAUTHORISIERT
   einen öffentlichen, sicheren Raum - unsere Bibliotheken - zum virtuellen
   Spielfeld erklärt?


Das ist durchaus diskussionswürdig.
Wie bei jeder neuen Technologie und neuen Entwicklung müssen wir vernünftig 
abwägen, was nützlich daran ist und welche Fehler man möglichst nicht machen 
sollte. Auf PokemonGo-Spieler draufzuhauen, weil sie dem kommerziellem 
Gedankengut verfallen sind bringt aber weder Sie noch die Diskussion wirklich 
weiter.
Im Gegenteil: Die obige Frage greift ja noch weiter aus: Firmen sind schon in 
der Bibliothek vorhanden! Sie haben ihre Produkte durchaus schon platziert! 
Oder haben Sie keine Spiele-DVDs zum Ausleihen für Spielekonsole im Bestand 
oder gar welche selbst in den Räumen? Impliziert Ihre Haltung nicht, dass dann 
auch dieses Sachen kommerziell und damit nicht brauchbar und nicht in 
Bibliotheken erlaubt sind? Das Weiterdenken dieser Frage wirft durchaus 
grundlegende Problematik auf.

Falls Sie definitive Antworten erwarten: Nein, die habe ich nicht. Die kann man 
nach knapp drei Wochen nach Einführung einer neuen Technologie - na ja, so neu 
ist das nicht, Augmented Reality gibts schon länger, Ingress als Spiel seit 
2013 - ich würde mich nicht wundern, wenn Sie davon nichts mitbekommen hätten, 
die Pokestops im Spiel basieren auf den Ingres-Punkten und seltsamerweise sind 
vermehrt kulturelle und wichtige Gebäude als "Portale" oder jetzt "Pokestops" 
bei Ingress eingereicht worden...
Jedenfalls, Antworten auf diese Fragen habe ich nicht.

Jedoch: Die Sorgen und Befürchtungen regelt man nicht, in dem man konsequent 
ein Verbot ausspricht. Sondern in dem man sich auf Augenhöhe mit den 
Jugendlichen begibt.
Ich dachte immer Bibliotheken hätten auch einen Bildungsauftrag - einen 
Auftrag, der darin besteht Techniken zu vermitteln und Dinge in Zusammenarbeit 
mit Benutzern auf Augenhöhe zu verhandeln. Habe ich mich geirrt?

Grüße aus dem klimatisiertem Tectrum in Duisburg,

Christian Spließ




Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.