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[InetBib] WG: [Inetbib] OT: Weg mit den Büchern! Ball in der NZZ
- Date: Wed, 10 Feb 2016 08:42:06 +0000
- From: "Lutterer Wolfram ZHB Luzern" <Wolfram.Lutterer@xxxxxxxxxxxx>
- Subject: [InetBib] WG: [Inetbib] OT: Weg mit den Büchern! Ball in der NZZ
Liebe Liste,
bei all der Ballschen Polemik gegen das gedruckte Buch amüsiert ein Blick auf
die Ausleihstatistik "seiner" ETH-Bibliothek durchaus: Denn dort steigen (!) im
Mehrjahresvergleich die Ausleihzahlen mittlerweile eher, als dass sie sinken
würden.
http://e-collection.library.ethz.ch/eserv/eth:24060/eth-24060-16.pdf (S. 29)
freundliche Grüsse
Wolfram Lutterer
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KANTON LUZERN
Zentral- & Hochschulbibliothek Luzern
Dr. Wolfram Lutterer
Leiter Fachreferate
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wolfram.lutterer@xxxxxxxxxxxx
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www.zhbluzern.ch
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-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: InetBib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxx] Im Auftrag von Walther
Umstaetter
Gesendet: Dienstag, 9. Februar 2016 19:32
An: inetbib@xxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] [Inetbib] OT: Weg mit den Büchern! Ball in der NZZ
Liebe Liste,
Kollege Mummenthaler hat leider Recht: „Rafael Ball ... liefert keine
konkreten Vorschläge.“
Es ist dagegen beunruhigend, dass man erst so viele provokante
Halbwahrheiten in die Welt setzen muss, um Aufmerksamkeit zu erlangen.
So ist es zwar richtig, dass “in der Geschichte der Menschheit ja
unglaublich viel Mist geschrieben und publiziert” wurde. Und natürlich
steht der “jetzt auch in den Bibliotheken”, damit er im Sinne K. Poppers
falsifiziert, zumindest nicht wiederholt werden muss. (Man erinnert sich
beispielsweise an die Diskussion über die kommentierte Ausgabe von Adolf
Hitlers „Mein Kampf".) Das hat aber nichts damit zu tun, dass “80
Prozent der Literatur in den Speichern der Bibliotheken ... nie
ausgeliehen” wird. Außerdem ist diese Behauptung falsch. Es ist zwar
richtig, dass es die 80 : 20 Regel als Vereinfachung des Bradford`s Law
of Scattering gibt, und dass Bibliotheken mit etwa 20 % ihres Bestandes
80 % der Anfragen abdecken können, aber das heißt natürlich nicht, dass
die restlichen 80 % nie gebraucht würden. In der Pittsburgh Study (1979;
s. dazu „Lehrbuch des Bibliotheksmanagements“ 2011. S. 139) wurde auch
untersucht, dass in sieben Jahren in der Universitätsbibliothek
Pittsburgh etwa die Hälfte des Freihandbestandes nie ausgeliehen wurde,
das führte damals im anglo-amerikanischen Sprachraum zu einer heftigen
Diskussion über die Erwerbungspolitik in Bibliotheken, während man im
deutschsprachigen Raum davon kaum Kenntnis nahm. Das Ergebnis ist, dass
viele Quellen in Bibliotheken in erster Linie dazu wichtig sind, zu
erkennen, was man nicht zu lesen braucht, weil es bessere Quellen gibt.
Das spart in der Wissenschaft die meiste Zeit und unschätzbar viel Geld.
Die Bibliothekare haben in den letzten Jahrzehnten immer wieder ein
Bibliothekssterben und auch ein Zeitschriftensterben (das es gar nicht
gab, weil auf zwei neue Zeitschriften nur eine starb, und weil immer
mehr elektronische Zeitschriften entstanden), beklagt, regen sich nun
aber auf, wenn R. Ball Bibliotheken „in ihrer heutigen Form“ eine
düstere Zukunft vorher sagt. Glaubt irgendjemand ernstlich, dass sich
Bibliotheken ab morgen nicht mehr weiter modernisieren müssen.
Natürlich war und ist es ein Fehler, den Untergang des Bibliothekswesens
zu beklagen, anstatt deutlich zu machen, welche Funktionen Bibliotheks-
und Informationswissenschaftler übernehmen können und müssen. Da darf
man sich doch nicht wundern, wenn z.B. die Informationswissenschaft in
Düsseldorf und so manche Bibliothek, die ein veraltetes
Bibliotheksmanagement betreibt, geschlossen wird. Die Tatsache, dass die
meisten Bibliotheken heute mehr denn je genutzt werden, zeigt doch, dass
wir bislang auf dem richtigen Weg der Modernisierung waren – und bleiben
müssen. Vorausgesetzt, die Juristen enteignen die Bibliotheken im
Digitalen Raum nicht weiter.
Wenn man das Interview von R. Ball und die Kommentare dazu liest, ist
unverkennbar, dass wir in Deutschland zu wenig Bibliotheks- und
Informationswissenschaftler haben. Die Vielzahl an Fehlern in dieser
Diskussion aufzuzählen würde leider zu weit führen, aber dass
Bibliotheken, ebenso wie das Internet, der publizierte „Wissensspeicher
der Menschheit“ ist, steht doch außer Frage, wenn wir erkennen, dass
Wissen begründete Information ist, und das weiß jeder, der ein Lehrbuch
genauer studiert hat. Dass dieses Wissen von Menschen nachvollzogen und
verstanden werden muss, ist eine völlig andere Frage. So wie es auch von
Expertensystemen (Software) verstanden werden muss, wenn deren
Inferenzmaschinen damit ihre Entscheidungen treffen sollen. Das geht
übrigens schon lange nicht mehr auf Papier.
MfG
Walther Umstätter
Am 2016-02-09 08:45, schrieb Mumenthaler Rudolf:
Liebe Liste
Hier noch der Link zu meiner Replik auf das NZZ-Interview mit Rafael
Ball:
http://ruedimumenthaler.ch/2016/02/08/sind-bibliotheken-uberflussig-eine-replik/
Freundliche Grüsse
Rudolf Mumenthaler
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Rudolf Mumenthaler
HTW Chur
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