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Re: [InetBib] Karl-Preusker-Medaille 2015



Liebe Listenteilnehmer/innen,

es gibt Momente, in denen teile ich die Befürchtung W. Göderts: “Der Letzte macht das Licht aus!”, zumal nicht nur einige der Information Professionals selbst schon seit längerer Zeit an die Wurzeln ihrer Existenz Hand angelegt haben, sondern auch die Politik und die Wirtschaft mit ihren manchmal eher fraglichen Privatisierungen, und auch die Juristen, die eBooks und Online-Bibliografien als Dienstleistungen (aber nicht zu (digitale) Bücher) definieren.

Auch wenn der Kollege Gödert, als Spezialist für Sacherschließung, sein Licht unter den Scheffel stellt, wenn er “aus der Sicht eines an Erschließungsfragen interessierten Vertreters der bibliothekarischen Profession” über seine Erfahrungen berichtet, so ist unverkennbar, dass in unserer Profession schon seit Jahren kaum noch Lehrbücher gelesen, geschweige studiert werden, und die Konsequenzen liegen auf der Hand. Natürlich liegt die Ausrede nahe, dass diese schon beim Erscheinen veraltet sind, aber in Wirklichkeit ist Göderts Hinweis, dass sich viele Bibliothekare ihre “fachlichen Standards lieber von anderen vorgeben” lassen, richtig, wenn wir beispielsweise auch an Information Management, Knowledge Management oder an Google denken. Aber damit geht eine bibliothekarische Identität immer stärker verloren. Was wird unser Alleinstellungsmerkmal in absehbarer Zukunft sein? Zur Ausleihe gedruckter Bücher, siehe die Thesen von K. Umlauf.

Vom Zettelkatalog zur Suchmaschine bis hin zu den Erschließungsmöglichkeiten im “semantic web” gab und gibt es eine kontinuierliche Weiterentwicklung, bei der aber ohne Zweifel immer mehr Bibliothekare auf der Strecke blieben und damit der “Neigung zur selbstgenügenden Agonie” verfielen. Diese kontinuierliche Evolution erfolgte natürlich nicht ohne revolutionierende Umbrüche, wie die Online Revolution vor einem halben Jahrhundert und die darauf folgende allgemeine Digitalisierung, gegen die sich einige der Kollegen besonders heftig wehrten. Das hat auch das Leben vieler Dozenten in den bibliothekarischen Ausbildungseinrichtungen schwer gemacht, von denen sich etliche gezwungen sahen vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, und damit haben auch immer mehr Absolventen unter den Defiziten in ihrer Ausbildung gelitten.

Nun geht es aber darum, die neuen zeitgemäßen Inhalte klar zu benennen und zukunftsträchtige Konzepte zu entwickeln. Wobei diese Konzepte um so revolutionärer werden müssen, je länger ihre Entwicklung hinausgezögert werden, denn die Entwicklung schreitet ungebrochen fort. Es reicht auch nicht nur Vorschläge zu machen, wir müssen einen Konsens für die Bibliothek von morgen, die Aufgaben der Informationsspezialisten und der Knowledge Manager publizierter Information finden.

K. Umlauf hat dazu Vorschläge gemacht und W. Gödert hat insbesondere zur Entwicklung neuer Erschließungsmethoden angeregt. Wobei ich den Hinweis, dass bibliothekarische Entwicklungen auf allgemeine Lebensbereiche ausstrahlen sollten, auch dahingehend verstehe, dass die Information Professionals deutlich machen müssen, wo ihre Expertise in unserer heutigen Gesellschaft unverzichtbar ist und bleibt.

MfG
Walther Umstätter



Am 2015-11-24 12:36, schrieb Winfried Gödert:
Liebe Leser der Liste,

Frau Braß und Herr Umstätter plädieren in ihren Postings dafür, die
von Konrad Umlauf anlässlich der Verleihung der Karl-Preusker-Medaille
formulierten Thesen zu diskutieren. Da eine solche Diskussion vom
Spannungsbogen der zu vertretenden Auffassungen profitiert, möchte ich
nachstehende Thesen einbringen, die eine alternative Sicht
formulieren:

1. Die bibliothekarische Zunft betont zum Reklamieren von Ansprüchen
gerne ihre kulturgeschichtliche Verbundenheit. Sie tut aber wenig,
dies auch in der eigenen Zunft zu entwickeln und als Vermächtnis
zukünftigen Generationen zur Verfügung zu stellen.

2. Die bibliothekarische Zunft hat Abstand davon genommen, für als
wichtig empfundene Fachfragen eigene Lösungen zu erarbeiten. Fragen
und Lösungen werden dem technischen Primat nachgeordnet und das
Nachmachen verflachter Praktiken erfährt mehr Aufmerksamkeit als das
eigenständige Vor-Entwickeln.

3. Ungeachtet eines befremdlichen Hangs zur Selbstüberschätzung hat
die Ambition stark abgenommen, mit bibliothekarischen Entwicklungen
auf allgemeine Lebensbereiche ausstrahlen zu wollen. Eine Neigung zur
selbstgenügenden Agonie ist unverkennbar.

Diese Thesen finden sich mit ausführlicher Begründung in dem Beitrag
„Hashtag Erschließung“, auf den ich mit einem Posting an die Liste vom
27.02.2015 aufmerksam gemacht habe und der unter
http://eprints.rclis.org/24677/ eingesehen werden kann.

Viele Grüße

Winfried Gödert


Am 24.11.2015 um 11:00 schrieb Walther Umstaetter:
Herzlichen Dank Frau Dr. Braß für diesen Hinweis.

Denn kein geringerer als der diesjährige Karl-Preusker-Medaillen Gewinner hat hier sieben Thesen “über die Zukunft der Bibliotheken” aufgestellt, über die man nicht nur nachdenken sondern auch fachlich diskutieren sollte, denn sie stehen unter www.bideutschland.de/download/file/KPM_2015_Dankesrede.pdf nun auch schriftlich zur Verfügung.

Diskussionswürdig sind diese Thesen aus meiner Sicht insbondere darum, weil ich bedauerlicherweise mehrfach darauf hinweisen musste, dass gerade die Digitale Bibliothek von den Juristen durch Enteignung der digitalen Bücher (eBooks) bereits weitgehend ausgehebelt wurde. Das ändert aber nichts daran, das die Einschätzung K. Umlaufs “weil Medien noch stärker als heute omnipräsent und frei zugänglich sein werden” nicht nur wünschenswert, sondern auch volkswirtschaftlich notwendig ist. Denn auch hier gilt das alte Wort von A. von Harnack (1921), dass die Professur für Bibliothekswissenschaft die Nationalökonomie des Geistes zum zentralen Thema haben sollte. Darum stimme ich auch darin zu, dass ethische Grundsätze “im bibliothekarischen Handeln an Bedeutung gewinnen” werden.

Da die “Systeme und Dienstleistungen weiterzuentwickeln” sind, würde ich noch deutlicher darauf hinweisen wollen, dass die Information Professionals, allgemein gesprochen, diese Weiterentwicklung auf wissenschaftlicher Basis vorantreiben müssen, und dies im Sinne von modernem “Informationsmanagement” und entsprechender “Beratung.” Dem müssen auch “berufsbegleitende weiterbildende Studiengänge” Rechnung tragen.

Aus meiner Sicht sind dazu auch solide Grundkenntnisse zur Informationstheorie und zum modernen Bibliotheksmanagement notwendig, denn man kann eine Einrichtung wie das traditionsreiche Bibliothekswesen nicht in ein zukunftsträchtiges Knowledge Management publizierten Wissens hinein führen, ohne den ist- und den soll-Zustand zu kennen.

MfG
Walther Umstätter


Am 2015-11-23 11:49, schrieb Dr. Monika Braß:
Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

am 30. Oktober 2015 wurde die Karl-Preusker-Medaille an Professor Dr. Konrad
Umlauf verliehen. Lesen Sie mehr über den Festakt im
Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum in Berlin unter
http://www.bideutschland.de/deutsch/aktuelles/?news=123

Sie finden dort auch die Dankesrede mit den interessanten Thesen des
Preisträger zur Zukunft der Bibliotheken sowie die Laudatio von Professor
Birgit Dankert im Wortlaut.

Eine ausführliche Berichterstattung erfolgt im Dezember-Heft von BuB.



Mit freundlichen Grüßen

Monika Braß

_____________________________________



Dr. Monika Braß

Bibliothek & Information Deutschland (BID) e.V.

Geschäftsstelle

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Tel.: 030 / 644 98 99 -20

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