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Re: [InetBib] Gasttwitterei und OK Science DE



Lieber Herr Heller,

es ist interessant, dass die Aktivität von Brewster Kahle, die er im März 1997 im Scientific American publiziert hatte, inzwischen anscheinend schon so weit in Vergessenheit geraten ist, dass sie nun sozusagen wieder als Neuheit erscheint. Auch Google hatte damals eine Art Archivfunktion, die dann wieder aus dem sichtbaren Bereich verschwand, weil damals die Copyrightverletzungen diskutiert wurden. Auch einige Länder sammeln meines Wissens im Stillen ihre Dokumente weiter. Insofern ist es gut und wichtig, dass Sie mal wieder daran erinnern.

Was Twitter, Facebook, Google+, Whatsapp etc. betrifft, so kann ich gut nachvollziehen, dass viele Menschen, Verlage, oder Betriebe darüber eine gewisse Aufmerksamkeit zu erreichen versuchen, und gerne möglichst viele Follower hätten, auch wenn mir der Like Button meist zu undifferenziert ist. Was ich nicht verstehe ist, dass alle Welt die Überwachung im Internet beklagt, aber dann Nachrichten Twittern, die weder die NSA noch mspy etwas angehen.

Als die NSA-Affäre bekannt wurde, haben viele Journalisten uns allen auch empfohlen, unsere Nachrichten zu verschlüsseln, damit ihre verschlüsselten Informationen besser im Heuhaufen der Massen verschwinden, denn jeder wusste, dass verschlüsselte Nachrichten für Hacker und die NSA besonders attraktiv sind.

Es ist für mich schon enttäuschend, dass alle meine Recherchen und Publikationen seit Jahrzehnten durch amerikanische Rechner laufen, und trotzdem wurde ich von den entsprechenden Headhuntern noch immer nicht entdeckt ;-) Vermutlich war mein Fehler, dass ich bei Twitter und Co unter Pseudonymen laufe, ob die NSA das schon richtig zuordnen konnte, weiß ich nicht, aber sie arbeiten hart daran. Meine Neigung zur Zurückhaltung scheint aber nicht nur Herr Fenn zu teilen.

Als das Internet eigentlich nur für Wissenschaftler und Studierende da war, hatte es niemand gestört, dass das amerikanische Militär alles verfolgte, und das Netz mit aufbauen half, es war ja ohnehin zur wissenschaftlichen Publikation gedacht. Erst ab etwa 1995, durch die Kommerzialisierung des Internets, und durch die immer stärkere Anlockung mit Twitter etc. kamen immer mehr Informationen ins Netz, die oft viel zu privat waren, und nicht selten Stammtischniveau erreichten.

Ich vermute, dass über Brewster Kahle hinaus etliche Menschen mehr ein Interesse am Internet Archiv haben, schon allein um Knowledge Acquisition zu betreiben. Um so interessanter ist es da zu ermitteln, welche Daten wann wieder gelöscht werden - ein neues Forschungsgebiet ;-)

MfG

Walther Umstätter


Am 2015-06-01 17:59, schrieb Lambert Heller:
Hallo Frau Dürlich, hallo Liste!

Ja, Twitter ist beschränkt - aber das ist zugleich (auch) seine Stärke!

Ich will das kurz an einem Beispiel demonstrieren.

Ich habe gestern abend folgenden Tweet abgesetzt:
https://twitter.com/Lambo/status/605137288285306881

Diese Empfehlung eines ausführlichen FAZ-Artikels über das Internet Archive
hätte ich natürlich auch hier via Inetbib schicken können, oder auf
Facebook posten können. Warum ich das nicht gemacht habe will ich kurz
erläutern.

Auf Inetbib hätte ich gleich eine Einschränkung auf die Abonnenten von
Inetbib - das sind zwar viele, aber auf Twitter folgen mir z.B. auch
Menschen, die nicht im engeren Sinne bibliothekarisch interessiert sind.

Aber noch wichtiger ist das Redundanz-Problem des Mediums Mailingliste.
Jede zusätzlich Mail landet bei x-tausend AbonnentInnen in der Mailbox, ob
sie wollen oder nicht. Es entstehen unweigerlich Meta-Diskussionen über
unpassende Mails, etc. Anders bei Twitter, bei dem jedeR sich seine
Informationskanäle individuell zusammenstellen kann, und danach
(vergleichbar mit einem Radio) ein- und ausschalen kann, wann sie mag.

Zudem passt schon das Format der Mailinglisten-Nachricht kaum zu meinem
Kommunikationszweck. Wie rede ich diese Liste eigentlich an? Was schreibe
ich in meinen Mail-Footer? Wie lang darf die Mail sein, um überhaupt
wahrgenommen zu werden? Und wenn sie allzu kurz ist - wird das schon wieder als Spam wahrgenommen? Und diese Aufzählung ließe sich noch fortsetzen. All diese Probleme stellen sich bei Twitter nicht. Link rein, sagen dass ich
den FAZ-Artikel mag, zack, der Tweet ist draußen.

Und warum nicht Facebook? Facebook legt fest, wer meinen Beitrag zu sehen
bekommt und wer nicht. Manches sehen nur eingeloggte, manches nicht.
Manches sehen nur Personen die mir folgen. Manches erscheint weiter unten oder überhaupt nicht, weil es als weniger relevant nach "unten" sortiert wird, oder nicht. Letzteres entscheidet sich überdies anhand eine Vielzahl von Indikatoren, die kaum jemand überblickt. Last not least ändert Facebook regelmäßig die Regeln, nach denen all dies geschieht. Dabei will ich doch nur alle, die es vielleicht interesiert, öffentlich auf den FAZ-Artikeln
aufmerksam machen! Kurz gesagt, Facebook eignet sich für meine
Kommunikationsziele ebenfalls kaum. (Und das tut es zumindest für meine
beruflichen Kommunikation generell immer seltener.)

Twitter, um das gleich klar zu stellen, passt mir auch nicht. ;-) Aber
einige von den oben genannten Minimal-Anforderungen für meinen Wunsch,
diesen FAZ-Link weiterzuverbreiten, erfüllt diese Plattform, und solange
ich nichts besseres habe, ist dann die Web-Öffentlichkeit (fast) aller
Tweets kombiniert mit einer kritischen Masse von BenutzerInnen für mich
ausschlaggebend.

Übrigens, der Twitter-Statistik zufolge ist dieser Beispiel-Tweet von mir
inzwischen mehr als 10.000 mal betrachtet worden, was u.a. auf diverse
Retweets zurück zu führen ist. Diese Reichweite stellt dann sogar Inetbib
in den Schatten, aber das ist natürlich von Tweet zu Tweet sehr
unterschiedlich.

Und um auf das, wovon wir hier sprechen, noch gleich eine Meta-Ebene drauf
zu stapeln: Twitter einschätzen zu können, grob zu wissen, wofür und in
welchem Maße man das gebrauchen könnte - das sind klar Bestandteile einer
zeitgemäß verstandenen Medien- und Informationskompetenz. Gerade
Konferenzen wie der Bibliothekartag sind eine Gelegenheit, bei der das
Medium Twitter seine Stärken voll ausspielt. (Dies hier zu begründen würde den Rahmen des Mediums Mailingliste wiederum sprengen, weshalb ich mich auf
zwei interessante Links zum Thema beschränke:
http://ceur-ws.org/Vol-718/paper_04.pdf und
http://dx.doi.org/10.1371/journal.pcbi.1003789)

Übrigens hatte der 104. Bibliothekartag in dieser Hinsicht einige
ermutigende Ansätze: Einen recht gut kommunizierten offiziellen
Twitter-Hashtag, einen offiziellen Account des Bibliothekartags, eine
Twitter-Wall und einiges mehr. Siehe auch hier:
http://topsy.com/s?q=%23bibtag15&window=a Dafür noch ein explizites Lob an Bibliothekartags-VeranstalterInnen und Community! Vielleicht können wir ja
beim nächsten Bibliothekartag / Bibliothekskongress ergänzend zum
traditionellen Newcomer-Treff auch einen New-#Bibtag-Twitterer-Treff haben?
;-)

Viele Grüße,
Lambert Heller




Am 1. Juni 2015 um 15:45 schrieb K. D. <kduerlich@xxxxxxxx>:

Sehr geehrter Herr Heller,
vielleicht geht es anderen ja wie mir. Ich sehe in Twitter einfach keine Vorteile. Es gibt doch E-Mail und Facebook und Blogs... Wozu brauche ich da
noch Twitter? In meinen Augen ist Twitter wie seine Zeichenanzahl:
beschränkt.
Mit freundlichen Grüßen,Katrin Dürlich
      Von: Lambert Heller <lambert.heller@xxxxxxxxx>
 An: Internet in Bibliotheken <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
 Gesendet: 12:22 Montag, 1.Juni 2015
 Betreff: [InetBib] Gasttwitterei und OK Science DE

Hallo Liste,

beim Bibliothekartag musste ich mal wieder feststellen, dass leider immer noch gefühlt 90% der BibliothekarInnen illiterat hinsichtlich Twitter sind
- das ist schade, gerade bei solchen Konferenzen!

Aber es ist nie zu spät es auszuprobieren! Eine lustige Gelegenheit bietet sich heute: Ich gast-twittere unter dem Account der Open Science AG der
Open Knowledge Foundation Deutschland, siehe unter:
https://twitter.com/OKScienceDE

Viel Spaß beim Lesen, folgen, kommentieren und retweeten! :)

Grüße,
Lambert Heller

--
Lambert Heller
Schwalenberger Str. 5
D-30449 Hannover

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