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Re: [InetBib] Keine Sonntagsöffnung mehr für Bibliotheken? - Milchkühe und arme Hunde
- Date: Thu, 4 Dec 2014 10:33:36 +0000
- From: Annette Kustos <Annette.Kustos@xxxxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Keine Sonntagsöffnung mehr für Bibliotheken? - Milchkühe und arme Hunde
Guten Tag Herr Jobmann, liebe Liste,
hier lohnt sich die Vereinsmitgliedschaft!: eine aus meiner Sicht
geisteswissenschaftlich- informationswissenschaftlich fundierte OA!!
Zeitschrift von Bibliothekaren, nämlich
LIBREAS mit diesem Kommentar zum Thema
http://libreas.tumblr.com/post/104161256861/tom-becker-inetbib
Gruß
A. Kustos
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Peter
Jobmann
Gesendet: Mittwoch, 3. Dezember 2014 16:18
An: inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Keine Sonntagsöffnung mehr für Bibliotheken? - Milchkühe
und arme Hunde
Liebe KollegInnen, sehr geehrter Herr Becker,
die nun eine Woche währende Diskussion hat mit dem Beitrag von Herrn Becker
eine Dimension bekommen, die mich doch dazu bringt in diese etwas schräge
Diskussion einzusteigen.
Selbst losgelöst von den Funktionen kann ich von einem Kommentar eines
FH-Dozenten eine Sach- und Fachlichkeit erwarten, die seiner eigentlichen
Funktion gerecht wird. Leider konnte ich in Ihrem Kommentar Herr Becker nichts
vom vorgenannten erkennen.
"Nur wer seine LeserInnen als KundInnen sieht" - hat bis heute keinen
wissenschaftlichen Beleg für die Nutzbarkeit des KundInnenbegriffs im
bibliothekarischen Raum erbracht. Mir ist wohl bereits aufgefallen, dass meine
Fachwissenschaft es tunlichst vermeidet in die Diskussion um den
KundInnenbegriff fern betriebswirtschaftlicher Nebelkerzenwerferei
einzusteigen. Unbekannt war mir aber, dass man selbst auf der Ebene der
FH-Profs. Texte verfasst, deren Inhalt sich auf Bausteine eines
BWL-Bullshit-Worthülsengenerators beschränken.
"Nur wer seine LeserInnen als KundInnen sieht, kann es als selbstverständlich
ansehen, diesen unter bestimmten Rahmenbedingungen die Türen auch sonntags zu
öffnen." - ehrlich? Das ist eine Nullaussage, quasi der einleitende Satz zum
folgenden fachlichen Nichts. In diesem einen Satz manifestiert sich dabei
trotzdem das ganze Missverständnis der Bibliothekswissenschaft,
herrschaftliches Verhalten im Öffentlichen Dienst als durch den
KundInnenbegriff aufgelöst oder überhaupt angegriffen zu betrachten. Im
nächsten Satz aber folgt noch das Sahnehäubchen auf dem fachlichen
Nichtigskeitsirrsinn: der Verweis auf den kommerzfreien Bildungsort.
Wäre es nicht so traurig, ich hätte herzlich gelacht.
Spätestens nachdem der dbv, in offensichtlich mit der ekz abgestimmten
Pressemitteilungen, den "Kaufbutton" der ekz öffentlich verteidigt, dabei aber
wissentlich den Punkt der Provisionen für die teilnehmenden Bibliotheken
ausklammert, möchte ich aus bibliothekarischen Verbänden nie wieder ein Wort
über Kommerzfreiheit hören, denn es ist schlicht geheuchelt.
Und noch ein Wort zum Bildungsort: einerseits ist es doch etwas fragwürdig,
einen Ort an dem ich mich bilden kann direkt als Bildungsort zu bezeichnen,
denn dann habe ich bspw. vor der Touristeninfo mit freiem WLAN bald viele
Bildungsorte aka Bänke stehen, andererseits wird die Wahrnehmung Gerichte würde
Bibliotheken auf eine Ebene mit kommerziellen Einrichtungen wie Videotheken
stellen beklagt. Wenn wir in die Lobbybroschüren des dbv gucken, dann wissen
wir doch warum die Gerichte uns auf diese Ebene stellen, nämlich weil wir
selbst mit dieser Ebene argumentieren. Zudem versucht die
Bibliothekswissenschaft, was man ja bereits mehrfach beobachten konnte, einen
Begriff - hier nun den Bildungsbegriff - soweit zu banalisieren, dass man ihn
möglichst geschickt mit weiterem fachlichen Nichtigkeiten, wenngleich
wohlklingenden Nichtigkeiten, zu umgeben. Eine schöne Strategie, durchaus auch
eine verständliche Strategie, aber eine die auf Dauer nicht verfängt. Zur
Bildungseinrichtung ist es von der Medienverleihstation mit Animationsanteil
doch ein weiter Weg. Ob dieser durch die Möglichkeit der Sonntagsöffnung
befördert wird weiß ich nicht. Man kann darüber ja diskutieren, aber an dieser
Diskussion besteht ja offensichtlich kein Interesse. Andernfalls kann ich den
verzweifelten Versuch alle Bibliothekstypen in einer Diskussion, mit all ihren
verschiedenen Zielen und Bedürfnissen, in eine Hülse zu pressen nicht
nachvollziehen. Die Tatsache, dass die FreundInnen des KundInnenbegriffs dabei
all ihre sonst hervorgehobenen Zielgruppen- und Bedürfniseinrichtungsaspekte
vergessen ist möglicherweise auch selbsterklärend.
Sonntagsöffnung ist ein gesellschaftliches Thema mit unendlich vielen und
differenziert zu betrachtenden Aspekten. Es wäre doch nett wenn man diesem
Thema in seiner Tiefe gerecht würde.
Jetzt ein kleiner Schwenk zum BIB. Die dann nachgeschobene Pressemitteilung des
BIB zur Sonntagsöffnung betont in ihrer Oberflächlichkeit dann leider auch noch
mal die mangelnde Auseinandersetzung mit dem Thema, spricht im Übrigen nicht
für mich als BIB-Mitglied, aber das kenne ich ja schon vom "code of ethics" des
dbv, bietet mir aber - oh Wunder moderner Kommunikationsformen - ein Forum zur
Diskussion an - natürlich NACHDEM man öffentlich für alle MitgliederInnen
Stellung bezogen hat - ein Treppenwitz der Verbandsgeschichte.
Womit ich bei der Verbandsgeschichte wäre: Rücktritte und Kündigungen scheinen
im BIB ja aktuell auf der Tagesordnung zu stehen (hier wäre eine zeitnahe
kleine Info für uns MitgliederInnen auch ganz nett, aber das nur am Rande). Ich
kann mich in dieser Form nicht guten Gewissens öffentlich von meinem
Berufsverband und explizit von seinem (Rest-)Vorstandsmitglied Tom Becker
vertreten lassen. Dementsprechend ist das ja auch irgendwie nicht - mehr - mein
Berufsverband. Die monatliche Zeitschrift für Bibliotheksprosa
(BuB) wird mir da nur am Rande fehlen, der fachliche Verlust ist da ja
überschaubar. Unnötig zu erwähnen, dass ich selbiges bereits nach dem Beitrag
bei forumoeb bezüglich der aktuellen Kampagne "Netzwerk Bibliothek" und der von
Jochen Dudek aufgeworfenen Frage nach der Überbetonung unserer digitalen
Leistungsfähigkeit sagte.
Wer es nötig hat sich seine KollegInnen, im Scherz oder nicht, erträglich zu
trinken sollte vielleicht solche Texte vor dem Genuss des Kölsch verfassen und
dann zukünftig glücklicherweise nicht mehr für mich als BIB-Mitglied sprechen.
Beste Grüße
Peter Jobmann
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