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Re: [InetBib] Kommentar zum Zweitverwertungsrecht



Am 2013-09-26 11:47, schrieb Schröder:
Das müssten wir mal grundsätzlich im Bibliotheksportal thematisieren.

Warum nicht auch hier? Immerhin übertrifft Inetbib mit 7.500 Teilnehmern,
den Bibliotheksdienst mit      2.200 verkaufte Auflage
B.I.T.online mit               1.836 verkaufte Auflage
oder das Bibliothekksforum mit 1.500 Exemplaren,
bei weitem in seiner Reichweite.

Zum Topic:
Mir scheint der größte Fehler im Urheberrecht der zu sein, dass die Urheber-, Verwertungs-, Nutzungs- und Leistungsschutzrechte nicht deutlich genug voneinander unterschieden werden. Im Prinzip endet die Urheberschaft nie, sondern nur das Verwertungsrecht. Noch heute kann niemand behaupten, er sei Urheber des „cogito ergo sum“. Diese Urheberschaft ist und bleibt bekanntlich bei R. Descartes. Frei nutzen können inzwischen alle Menschen das Wissen das dahinter steht. Urheberrechte sind für den Fortschritt der Wissenschaft grundsätzlich wichtig, die Verwertungsrechte dagegen für die Verbreitung etlicher Erkenntnisse oft sehr hemmend.

Ein Autor, der eine neue Erkenntnis publiziert, sollte dafür die Anerkennung und allgemeine Sichtbarkeit erhalten, so dass Plagiate rasch als solche erkannt und damit überflüssige Doppel- und Mehrfachentdeckungen weitestgehend vermieden werden können. In der Wissenschaft war da bislang das viel gescholtene Publish-or-Perish ein probates Mittel zur Erreichung dieses Ziels, weil der Urheberrechtsanteil am geistigen Eigentum nur durch rasche Publikation erworben werden kann, bevor andere Mitstreiter zuvorkommen. Dass ein Autor (Schöpfer eines Werkes) damit auch automatisch alle Verwertungs- und Nutzungsrechte dafür erhält, ist eine juristische Vereinfachung des Problems. Denn es ist eine entscheidende Frage, um welches Wissen, welche Anwendbarkeit und welches Allgemeininteresse es sich dabei handelt. Nicht umsonst gibt es große Teile an Wissen, die nur einen sehr speziellen Personenkreis haben und haben dürfen. Außerdem hat man schon beim Patentrecht die Verwertungsrechte vom Urheberrecht sinnvollerweise getrennt, obwohl hinter jedem Patent ebenso ein Urheber steht.

Bei wissenschaftlichen Publikationen gibt es höchst unterschiedliche Formen der Wissensaufbereitung für bestimmte Altersgruppen, Berufe, Regionen, Spezialisten etc., bei denen es immer wichtiger wird gemeinfreies Wissen in Schulen, Hochschulen oder Massenmedien der Allgemeinheit über Konsortien staatlich finanziert, verfügbar zu machen. Besonders bei Kindern ist klar, dass in ihr Wissen investiert werden muss, und dass sie dieses Kapital nicht selbst erbringen können. Bislang nannte man das den „Solidarvertrag zwischen den Generationen“, den man zwar lange auf die Eltern von Kindern verlagert hat, der aber mit der zunehmenden Zahl der Kinderlosen, eine Aufgabe des Staates insgesamt wird.

Insbesondere im Leistungsschutzrecht wird deutlich, dass das Wort Leistung (Arbeit mal Zeit) hier völlig fehl am Platz ist. Wenn die Bezahlung für eine Information von ihrer Redundanz abhängig ist (von der Zahl der Kopien), dann hat das mit Leistung nicht das Geringste zu tun. Es ist auch nicht einzusehen, warum ein Wissenschaftler, der über Jahre erworbene Erkenntnisse ins Netz stellt und sie damit über Google der gesamten Menschheit verfügbar macht, dem Journalisten nicht gleichgestellt ist, der seine neuste Beobachtung im Netz daneben präsentiert. Auch wissenschaftliche Beiträge sind „Artikel und Abbildungen, die der Informationsvermittlung, Meinungsbildung oder Unterhaltung dienen“ (Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 7. Mai 2013) können. Diese Festlegug ist also sicher kein Kriterium für Sonderrechte im Verlagswesen.

Kein ernst zu nehmender Mensch hat Zweifel daran, dass Autoren und Verleger leistungsgerecht bezahlt werden müssen. Aber die Redundanz einer Information ist mit Sicherheit kein Kriterium mehr dafür.

Bei einer musikalischen Darbietung ist es noch einzusehen, dass Künstler je nach ihrer Beliebtheit finanziell gefördert werden, aber eine ausgeglichenere Differenzierung der Verwertungsrechte für verschiedene Werke ist dringend notwendig. Und insbesondere eine, die nicht mehr so tut, als wäre das Kopieren von Information durch die Verlage das Teuerste bei der Erzeugung von Wissens-, Kunst- oder Unterhaltungsangeboten.

Bei der Nutzung eines Patents sind bekanntlich die Patentgebühren ein Mittel, die Freigabe der individuellen Patentnutzung möglichst rasch zu erzwingen. Dass nun das Zweitverwertungsrecht pauschal auf ein Jahr fixiert wurde, hat seine guten Gründe in der Halbwertszeit wissenschaftlicher Publikationen, und zwingt die wissenschaftsgesellschaftlichen Staaten dazu ihren Vorsprung möglichst rasch zu nutzen, trotzdem geht das heutige Urheberrecht noch zu sehr von veralteten Verlagsvorstellungen und unerlaubten Vereinfachungen aus.

MfG
Walther Umstätter


Sent with Good (www.good.com)


-----Original Message-----
From: Rainer Kuhlen
[rainer.kuhlen@xxxxxxxxxxxxxxx<mailto:rainer.kuhlen@xxxxxxxxxxxxxxx>]
Sent: Thursday, September 26, 2013 11:39 AM W. Europe Standard Time
To: inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Subject: Re: [InetBib] Kommentar zum Zweitverwertungsrecht


Noch etwas mehr "Senf" dazu in:
http://www.inf.uni-konstanz.de/netethicsblog/?p=599
RK
Am 25.09.2013 16:50, schrieb Klaus Graf:
On Mon, 23 Sep 2013 12:24:34 +0200
  Eric Steinhauer <eric.steinhauer@xxxxxxxxxxxxxxxx> wrote:

Mein Senf dazu:

http://archiv.twoday.net/stories/498217317/

Klaus Graf


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Prof. Dr. Rainer Kuhlen
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