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[InetBib] Sprachenlernen und Internet-Lernressourcen
Sehr geehrte Frau Kustos,
ein Addendum zum Thema Sprachenlernen:
Ab einer ausreichenden Stufe der Fähigkeiten - ca. ab A2/B1 -, empfehle ich
auch die Verwendung von Zeitungen/Zeitschriften, Radio und Fernsehen per
Internet. Das spart Anschaffungskosten.
Für Deutsch empfehle ich in der Regel u.a. die Mailinglisten der Deutschen
Welle und der Bundeszentrale für politische Bildung und die Mediatheken von
ARD und ZDF, die seit der juristischen Auseinandersetzung ja leider starker
zeitlicher Begrenzung unterliegen. Die Wochenendausgabe der Neuen Zürcher
Zeitung, die sich vielleicht auch arme StudentInnen manchmal leisten
können, hat übrigens im deutschsprachigen Raum mehr oder weniger die beste
Berichterstattung im Bereich internationale Politik. Alle Internet-Angebote
auf der Webseite der taz (tageszeitung) in Berlin sind kostenfrei, die
Abozahlen steigen (es muß bei der Lektüre von Artikeln ein Fenster
weggeklickt werden, das darauf hinweist, daß Journalismus auch Geld
kostet). Die Sendungen des Deutschlandfunks können auch als schriftliches
Transkript kostenlos vom HörerInnen-Service angefordert werden, was beim
Unterrichten von Umganssprache ganz nützlich sein kann (z.B. über die
Menschenrechtsverletzungen an Verbringkindern in der Schweiz). Natürlich
hat auch ARTE ein exzellentes Angebot.
Für Englisch empfehle ich den Guardian, BBC und National Public Radio
(USA). Die US-amerikanischen Fernsehstationen meide ich normalerweise - da
sie zu 80-90% genau zwei Firmen gehören, die beide vor allem in der
globalen Rüstungsindustrie tätig sind, braucht sich niemand zu wundern,
wenn Massendemonstrationen in Washington D.C. damals gegen den Irakkrieg in
den nationalen Medien gar nicht erwähnt werden (das ist wie die massiven
täglichen Demonstrationen in China, die totgeschwiegen werden, obwohl es
alle wissen). Die Informationen auf der Webseite des Weißen Hauses sind
auch eine Lektion in Sachen Medienpolitik und Demokratie. Der Guardian
finanziert sich übrigens (inzwischen) komplett durch eine hauseigene
Stiftung und ist insofern ökonomisch unabhängig.
The Economist gilt übrigens unter den Berlusconi-ApologetInnen als
kommunistisches Blatt (Herr Berlusconi spricht auch von "The ECommunist")
und angeblich sind die Hälfte der JournalistInnen des Wall Street Journal
MarxistInnen. Ich vermute, daß beide Publikationen diese Frage nicht
öffentlich kommentieren. Die New York Times ist ein zuverlässiges
Presseorgan des Weißen Hauses, im Prinzip könnte mensch genausogut einfach
die Presseerklärungen von Präsident Barack Obama lesen, aber das kann ich
verzeihen.
Für Französisch empfehle ich Le Monde (allerdings setzt das
verstandesorientierte Lesen dieser Zeitung gute Kenntnisse nicht nur der
französischen Sprache, sondern auch einiges an kulturellen, literarischen
und historischen Kenntnissen voraus) und Radio France Culture, dessen
Podcasts auch einen ganz guten Ruf haben, z.B. im Bereich der
"Vulgarisation" von Geschichte und Philosophie. Nebenbei bemerkt hat Le
Monde eine exzellente Berichterstattung auch für ehemalige französische
Kolonien/Protektorate/Départements u.a. in Nordafrika, zum Beispiel, wenn
bei der algerischen Staatskrise darauf verwiesen wird, daß algerische
PolitikerInnen nach Paris reisen, um bei den Franzosen mal nachzufragen,
wer denn der nächste algerische Präsident werden soll.
Für Spanisch empfehle ich El Pais, das auch sehr gut über Lateinamerika
unterrichtet ist. Radio Nacional de Espana liefert nicht nur den spanischen
Akzent, den manche LateinamerikanerInnen imitieren wollen und andere als
strukturellen Rassismus begreifen, sondern hat auch das beste kostenlose
Angebot im Bereich klassische Musik, das ich bisher bei Radiostationen
gefunden habe (Radio Clásica) - auch wenn ich bei Wagner meistens
ausschalte und nicht in jeder Lebenslage Zwölftonmusik hören will.
Für Italienisch würde ich eine Mischung aus La Repubblica, Corriere della
Sera und Il Sole 24 Ore empfehlen. Über den strammen Anti-Berlusconi-Kurs
von La Repubblica erzählen selbst die ItalienerInnen Witze:
Papst Johannes Paul II. und Silvio Berlusconi spazieren am Castel Gandolfo.
Ein Wind bläst die Kopfbedeckung des Papstes auf den See. Herr Berlusconi,
immer diensteifrig, sagt dem Papst, er werde sich kümmern. Trockenen Fußes
läuft er auf der Wasseroberfläche bis zur Kopfbedeckung, hebt sie auf und
trägt sie zum Papst ans Ufer. La Repubblica titelt: "Berlusconi kann nicht
schwimmen!"
Il Sole 24 Ore hat oft die beste Berichterstattung im Bereich der
politischen Ökonomie. Corriere della Sera gilt als sehr seriös.
Das allgemeine Problem in der Kultur des italienischen Journalismus hat vor
allem damit zu tun, daß gute Kenntnisse der Debatten und innenpolitischen
Veränderungen im Italien der letzten drei Jahre notwendig sind, um die
Artikel überhaupt angemessen zu verstehen. Z.B. beschwerten sich die
italienischen Zeitungen während des Weltjugendtages in Köln im Jahre 2005
darüber, daß die Busfahrer in Köln ihre Ansagen nur auf Deutsch machen
würden. Neben dem italienischen Seitenhieb gegen deutsche Fähigkeit zum
Organisieren war dies wohl auch als Kommentar über den Papst zu verstehen,
so meine Vermutung. Jedenfalls hatte ich nicht den Eindruck, daß die
italienischen JournalistInnen der Stadt Köln nahelegen wollten, ihren
BusfahrerInnen Fremdsprachenkurse als qualifizierende Maßnahme anzubieten.
Für Israel-Berichterstattung finde ich es sehr ärgerlich, daß die englische
Ausgabe von Haaretz großen Teils bezahlt werden muß, da die wenigsten
Menschen ausreichend flüssig modernes Hebräisch im Internet lesen können,
um sich auch mal über die Meinung von IsraelInnen zu informieren oder deren
Regierung, die oft wirklich nicht dasselbe sagen. Zuverlässiges Bashing
jeder kleinsten Problemlage findet sich auf den entsprechenden
pro-palästinensischen Webseiten und E-Mail-Listen (z.B. wenn jordanische
Grenzbeamte zwei LKWs mit Kartoffeln wegen bürokratischer Probleme nicht
ins Land lassen, die vorher von den israelischen Grenzbehörden problemlos
durchgelassen wurden - dann ist wahrscheinlich mal wieder Herr Netanyahu
persönlich schuld oder wer auch immer).
Für arabische Lektüre empfehle ich vor allem eine genaue medienkritische
Analyse der gängigen Karikaturen in den meisten arabischsprachigen
Zeitungen, und zwar immer dann, wenn Judentum oder Israel zur Debatte
stehen. Da fange ich noch mal ganz neu an, über dänische Zeitungen und
Mohammed nachzudenken. (Die islamischen Regelungen zur Ethik und Macht der
gesprochenen und geschriebenen Sprache scheinen jedenfalls nicht immer
hinreichend angewendet zu werden.)
Für Russisch wird meistens Kommersant empfohlen. Auch die Prawda existiert
noch, ein Relikt des Kalten Krieges, die natürlich immer die Wahrheit sagt.
Wenn die Prawda schreibt, daß ein Hubschrauber abgestürzt ist und das halbe
Politbüro ausgetauscht werden mußte, dann ist es vermutlich völlig richtig
und kann empirisch belegt werden, daß ein Hubschrauber abgestürzt ist und
das halbe Politbüro ausgetauscht werden mußte.
Für Chinesisch ist vermutlich der beste Rat: Immer die
Regierungsverlautbarungen hören und lesen, weil mensch dann nicht nur die
offizielle aktuelle Lage kennt, sondern auch genau die Mandarin-Begriffe
gelernt hat, die im Umgang mit chinesischen BeamtInnen den notwendigen
Schlüsselreiz auslösen können. Da die US-amerikanischen Behörden natürlich
keinerlei Industriespionage per Internet betreiben (und geplatzte Deals für
Airbus auch gar nichts damit zu tun haben, daß Boing deren interne
Kommunikation genau mitgelesen hatte, nebenbei ein wirtschaftlicher Schaden
in Milliardenhöhe) und kapitalistische Prinzipien dort sehr wichtig sind,
nehme ich an, daß die AmerikanerInnen gerade zu Marktbedingungen
Solarzellen aus China einkaufen. Die massiven Subventionen von Atomkraft
und Öl in den USA werden langsam einfach etwas teuer.
Als Wörterbücher würde ich vor allem leo.dict (dict.leo.org) und PONS
empfehlen, die beide auch von professionellen ÜbersetzerInnen mit
entsprechender Ausbildung verwendet werden und das Mitschleppen von
Wörterbüchern unnötig machen. PONS hat manchmal bessere
Übersetzungsvarianten, allerdings bietet leo dict auch ein Forum an, wo
eifrige Freiwillige mehr oder weniger alle Fragen beantworten. Beide
Webseiten haben Grammatik-Informationen, wenn jemand mal das Verb seoir
nicht in allen unregelmäßigen Formen erkennen kann, und leo dict hat auch
eine Funktion für die Aussprache, was gerade bei Sprachen wie Englisch,
Russisch und Chinesisch weiterhelfen kann. Ich persönlich bervorzuge beim
Mich-Vertiefen in komplexere Texte in gedruckten Büchern allerdings oft das
Wörterbuch aus Papier, ich würde auch nicht empfehlen, bei der
Beschäftigung mit Gedichten des klassischen Chinesisch vor allem im
Internet zu arbeiten. Beim Lesen von Texten im Internet, z.B.
Zeitungsartikeln, ist es allerdings meist bequemer, mal schnell auf die
Webseite des Online-Wörterbuchs weiterzuklicken.
Natürlich eignen sich zum Sprachunterricht auch die Wikipedia-Artikel der
entsprechenden Zielsprache, die allerdings manchmal etwas ediert werden
müssen, weil sie sonst im Unterricht zu schwer zu lesen sind. Über den
Slang von SoldatInnen der israelischen Armee gibt es zahlreiche Einträge,
um nur ein Beispiel zu nennen.
Das Gründen von Fernsehstationen zwecks Massenkommunikation ist gerade sehr
in Mode, der erste spanischsprachige Fernsehsender in den USA ist auf
Sendung gegangen und Israel möchte eine eigene Version von Al-Jazeera ins
Leben rufen. Angesichts der Dauerprobleme im Bereich Migration/USA und
Politik im Nahen Osten eigentlich verwunderlich, daß da noch niemand früher
drauf gekommen ist. Ich habe hier in Kreuzberg angeregt, türkischsprachige
Medien ins Leben zu rufen, die ihre Chefredaktion in Berlin haben und nicht
in der Türkei.
Ich denke, ich habe die wesentlichen Sprachen abgedeckt, bei Nachfragen
über weitere Sprachen bitte privat an mich, vielleicht schicke ich die
Antwort dann für die Information aller Mitlesenden über die Liste.
Mit konstruktivem Blick nach unten noch ein Hinweis auf ein
Internet-Bildungsangebot für andere Disziplinen. Vermutlich wird da gerade
an Übersetzungen in andere Sprachen gearbeitet, die dann natürlich auch für
den Spracherwerb genutzt werden können.
Der Adressat, der als Anti-Apartheids-Held nach vielen Jahren im
US-amerikanischen Exil nach Südafrika zurückkehrte und dort weiter als
Professor für Ökonomie an der Universität lehrte, beschäftigt sich
inzwischen viel mit ehrenamtlichem Consulting für kleinere politische
Projekte und Unternehmen, die die Menschen in Lohn und Brot bringen und für
Bildung und Menschenrechte sorgen. Er hat übrigens so gut wie keine
Rentenansprüche - seine geringe US-Rente geht an den kranken Sohn dort.
Bleibt zu hoffen, daß die SüdafrikanerInnen ihn dann im hohen Alter bei
Krankheit nicht vergessen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Naomi Anne Kubota
---------- Forwarded message ----------
From: Naomi Kubota <naomi.anne.kubota@xxxxxxxxxxxxxx>
Date: 2013/3/31
Subject: free online learning
To: Mojalefa Ralekhetho <monahani@xxxxxxxxxx>
Dear Mojalefa,
In a recent newspaper article of Die Zeit, I read something on free online
courses in the internet - which are sometimes designed and taught by
professors of leading US universities, such as Harvard and MIT.
Here is a list of the relevant websites:
ww.udacity.com
www.coursera.org
www.edx.org
Apparently usually, when you have completed the course, they email you a
certificate which you can print out and add to your files. Apparently in
some cases there is a more "certified" exam and certificate which costs 100
Euros, but you don't have to take it (and could acquire the knowledge
without taking this exam and certificate). While most classes are in math,
sciences and engineering, there are also classes on the history of rock
music, Beethoven, and Egyptology. Most notably, there is also at least one
class on how to set up a company.
There is also a German website, some of the classes are in English:
openhpi.de
I have already mentioned to you the Salman Khan Academy, which seems to be
more on secondary education (the history classes are disputed):
www.khanacademy.org
You know, it may be worthwhile setting up a website providing free online
teaching in Zulu and other South African languages - for instance on the
history of South Africa, South African law etc. By placing advertisements
on such a website, you might actually be able to make a lot of money -
google is completely for free and through advertisements they make loads of
money. (I happen to think of this as a more worthwhile economic activity
than foreign currency trading, because you would be helping your country!)
There could also be English classes for Zulu speakers, or maybe it even
makes sense to do films teaching reading and writing which can be seen
either if someone has access to an internet cafe or with an advanced
portable phone... (although I figure this poses obstacles for many poor
South Africans). As investments you only need access to a digital camera
and someone who writes a website.
Please feel free to forward this message to anyone desiring to improve his
or her education, especially in Africa.
Best
Naomi
--
http://www.inetbib.de
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.