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Re: [InetBib] Studie "Wissen wir tatsächlich mehr? - Aussagewert - Artikel BuB
- Date: Thu, 25 Apr 2013 15:19:32 +0000
- From: Barbara Schleihagen <Schleihagen@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Studie "Wissen wir tatsächlich mehr? - Aussagewert - Artikel BuB
Lieber Herr Umstätter,
Zu Ihrer Frage: Die Altersuntergrenze „14 Jahre“ bei der Studie zur
Nichtnutzung von Bibliotheken hat mehrere Gründe:
1. Bei bevölkerungsrepräsentativen Befragungen werden in der Regel Personen ab
14 Jahre befragt, da ab diesem Alter juristisch formuliert die
„Einsichtsfähigkeit“ vorausgesetzt werden kann. Das bedeutet für die Befragung:
die Einwilligung der Eltern für die Teilnahme an einer solchen Befragung ist
nicht mehr erforderlich. Das bedeutet generell: Kinder werden offiziell zu
Jugendlichen – und sind in diesem Alter auch fähig, sich eine eigene Meinung zu
bilden und diese zu äußern. Das zeigt sich ja auch daran, dass diese
Altersgrenze in vielen Bereichen gilt: ab 14 ist man strafmündig, ab 14 ist man
religionsmündig etc.
2. Dass diese Abgrenzung für die Befragung gewählt wurde, hat aber zugleich
auch seinen inhaltlichen Grund in der Forschungsfrage: es ging in der
Untersuchung ja vorrangig um die Nichtnutzer, um die Frage, warum (Welche
Gründe? Welche Erfahrungen? Welche Motivationen?) entscheidet man sich gegen
die Nutzung von Bibliotheken., wenn es einem frei steht, sie zu nutzen. Kinder
unter 14 Jahren entscheiden dies meist nicht selbst, sondern sie werden zur
Nutzung von Bibliotheken angehalten (oder unter Umständen auch vom Elternhaus
davon abgehalten).
3. Ein dritter Grund sprach auch für diese Grenze: der gewünschte Vergleich mit
anderen Studien, zum Beispiel auch „Lesen 2008“, die in aller Regel das
Verhalten von Erwachsenen und Jugendlichen, ab 14 Jahre also, messen.
4. Und schließlich: die begrenzten Mittel, die vom Bundesbeauftragten für
Kultur und Medien beantragt werden konnten.
Mit besten Grüßen,
Barbara Schleihagen
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von h0228kdm
Gesendet: Donnerstag, 25. April 2013 13:56
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Studie "Wissen wir tatsächlich mehr? - Aussagewert -
Artikel BuB
Dass lange Zeit nur etwa zehn Prozent der Gesellschaft Bibliotheksbenutzer von
ÖBs waren ist seit langem bekannt. Das hat man durch den Kauf attraktiver,
nicht immer hochwertiger Bücher (z.B.
Angelique) zu überwinden versucht (nicht nur in Deutschland, sondern noch
stärker in den Niederlanden oder England). Dabei sollte man allerdings auch die
Dynamik der Gesellschaft nicht übersehen. So benutzen viele Kinder und
Jugendliche eine Zeit lang ÖBs, um sich dann in ihren Interessen (insbesondere
in einem Studium) immer weiter zu spezialisieren. Wenn es nun also 37%
Bibliotheksbenutzer in der deutschen Bevölkerung sein sollten, so wäre das eher
erfreulich. Dass dabei das Elternhaus von entscheidender Bedeutung ist, ist
ebenso bekannt, weshalb man in den USA eine Kampagne betrieb, bei der
Bibliothekare in die Entbindungsstationen gingen, um jungen Müttern mit einem
Leseausweis ihren Kindern den Gang in die Bibliothek nahe zu legen. Hier
erwächst also die Frage, warum man in der vorliegenden Befragung erst bei 14
Jährigen die „standardisierte CATI Studie“ eingesetzt hat. Ist dieses, als „in
der Umfrageforschung seit vielen Jahren gängiges Verfahren“ bezeichnete
Befragungsinstrument, bei Kindern mit einer altersbedingten Bias behaftet?
Bei der Frage der „Non-User“ von Bibliotheken sollte man allerdings auch
bedenken: „Hier werden also oft Klischees und Stimmungen, wie die Bibliothek
für gemütliche Mußestunden, für Freizeitvergnügen oder Musikgenuss bis hin zum
fröhlichen Kinderspielplatz mit Rutsche und Kissen genutzt. Auch wenn
eigentlich nichts dagegen einzuwenden wäre, Bibliotheken auf diesem Wege
attraktiv zu machen, so hat diese Vorstellung bei Laien und Politikern ohne
Zweifel schon so manche Öffentliche Bibliothek die Existenz gekostet. Wenn
Kommunen und Städte sparen müssen, gehört Unterhaltung und Freizeitgestaltung
nicht zu ihrem Kernbereich, zumindest nicht nach Ansicht der Steuerzahler.“
(Lehrbuch des Bibliotheksmanagements S. 150; 2010) Dagegen ist seit PISA die
Leseförderung (insbesodere bei Kindern) gefragt, was den ÖBs wieder erheblichen
Auftrieb brachte.
Dass die Attraktivität von Bibliotheken mit ihrer Bestandsgröße linear wächst
ist bekannt ( S. 212), andererseits gilt: „Schon aus der Halbwertszeit der
Literatur ergibt sich, dass bei einer permanenten Ausleihe von rund 15% des
Bestandes, die sich zu 50% auf die letzten fünf Jahre beziehen, der sogenannte
Satisfaction level bei rund einem Drittel liegt. Mit anderen Worten, jedes
dritte Buch, dass ein Benutzer in seiner ÖB erwartet, ist für ihn nicht
greifbar. Es spricht viel dafür, das dies etwa der Grenzwert ist, bei dessen
Überschreitung die Leser vom Besuch der Bibliothek Abstand nehmen, weil sich
der Weg dorthin nicht mehr lohnt. Anders gesagt, wenn jedes zweite Buch nicht
greifbar ist, reduziert sich die Zahl der Benutzer, bis die noch verbleibenden
Benutzer immerhin zwei von drei Büchern ausleihen können.“ (S. 136) Dass die
elektronisch verfügbaren Informationen dabei dem gedruckten Buch in einer ÖB
weitgehend ebenbürtig sind ist inzwischen auch bekannt. Insofern kommen immer
mehr Bibliotheksbestände über das Internet zu uns nachhause.
Wenn Mevill Deweys Aussage: "The time is when a library is a school, and the
librarian is in the highest sense a teacher." (S. 29) noch immer stimmt,
sollten sich ÖBs unter den heutigen Möglichkeiten auch des Fernstudiums darauf
einstellen - vorausgesetzt die Verlage hindern sie nicht weiter durch
Enteignung daran.
MfG
Walther Umstätter
Am 2013-04-25 11:04, schrieb Barbara Schleihagen:
Sehr geehrter Herr Maass, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Die Auseinandersetzung um – auch kritische – Punkte bereichern die
Entwicklung von Verfahren. In diesem Sinne freuen wir uns über Impulse
und Kritik von außen. Die Autorinnen des Beitrags im BuB Heft 4/2013
haben allerdings den Dialog mit dem Deutschen Bibliotheksverband e.V.
(dbv) und der Stiftung Lesen nicht gesucht, so dass wir zu einer
Klärung der sachlichen Fragen unmittelbar nicht beitragen konnten.
Daher sollen auch Sie die Möglichkeit erhalten, die methodischen
Details der Untersuchung zu den Ursachen und Gründen für die
Nichtnutzung von Bibliotheken unvoreingenommen beurteilen zu können.
Wir haben die zentralen Punkte der Autorinnen aufgegriffen und die
relevante Sachinformation in einer Stellungnahme:
http://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/DBV/projekte/Nichtnutzungsstudie_Stellungnahme_dbv_Stiftung_Lesen_Kritik.pdf
zusammengestellt.
Der überwiegende Teil der Sachinformation war bereits seit April 2012
auf den Webseiten von dbv und Stiftung Lesen zugänglich:
http://www.bibliotheksverband.de/dbv/projekte/nichtnutzungsstudie.html
Wir bedauern, dass die Autorinnen der HTKW gerade zu solchen Fragen
den wissenschaftlichen Diskurs nicht gesucht haben. So kann man sich
beispielsweise auch durchaus gewinnbringend fachlich darüber
auseinandersetzen, ob Tests auf statistische Repräsentativität von
Ergebnissen sinnvoll sind, wenn man mit einer Studie Teilgruppen
vergleichen, nicht aber Aussagen über die Gesamtbevölkerung machen
möchte. Der Deutsche Bibliotheksverband und die Stiftung Lesen stehen
den Autorinnen wie auch allen anderen interessierten Leserinnen und
Lesern für Fragen und einen sachlichen Dialog gern zur Verfügung.
Mit besten Grüßen,
Barbara Schleihagen
Deutscher Bibliotheksverband e.V. (dbv)
Geschäftsführerin
Tel: 030/644 98 99-12
Fax:030/644 98 99-29
www.bibliotheksverband.de
www.treffpunkt-bibliothek.de
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag
von Philipp Maass
Gesendet: Donnerstag, 25. April 2013 08:10
An: inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff: [InetBib] Studie "Wissen wir tatsächlich mehr? - Aussagewert
- Artikel BuB
Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Kollegen_Innen,
in der aktuellen Forum Bibliothek und Information (4/2013)
haben Frau Prof. Andrea Nikolaizig (HTWK Leipzig), Frau Prof. Helga
Tecklenburg (HTWK Leipzig) sowie die Studentinnen der HTWK Daniela
Hoffmann und Martina Werder den Artikel
-Wissen wir tatsächlich mehr?
Zum Aussagewert der Studie „Ursachen und Gründe für die Nichtnutzung
von Bibliotheken in Deutschland“-
veröffentlicht. In dem Artikel geht es um die Aussagewer einer vom
Deutschen Bibliotheksverband (DBV) herausgegebenen Studie. Mich hat
der Artikel in Unruhe gebracht, da ich die Argumentation des Verbandes
für Betriebsinterne - und externe Kommunikation nutze. Außerdem war
ich sehr enttäuscht. Es ergeben sich aus meiner Sicht viele Fragen
durch diesen Artikel. Fragen die wir stellen sollten. Deshalb habe ich
Frau Nikolaizig um Erlaubnis gebeten, den Artikel hier (Inetbib,
Forumoeb, ggf. Blogs) veröffentlichen zu dürfen, was Sie auch gerne
getan hat.
Mir geht es nicht darum, den DBV oder seine Arbeit zu diskreditieren.
Es geht mir
1. Um die Information für alle BuB-Nichtleser, dass die Studie nicht
brauchbar ist 2. Darum, zu verhindern dass sowas nocheinmal passiert
3. Um eine sachliche Diskussion
Sie finden den Artikels unter
http://tiny.cc/5j12vw
bzw.
https://docs.google.com/file/d/0B0rxsxQnH0QnQzZ2blM5UUdJTWc/edit?usp=sharing
Sie können den Artikel gerne in einem Blog posten oder weiter
verbreiten, wenn Sie Frau Nikolazig anfragen. -
nikolaiz@xxxxxxxxxxxxxxxxxxx
Mit den besten Grüßen,
Philipp Maass
Philipp Maass B.A.
Hochschule für Kunsttherapie Nürtingen
Staatlich anerkannte Fachhochschule der Stiftung für Kunst und
Kunsttherapie Nürtingen University of Applied Sciences
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E-Mail: p.maass@xxxxxxxxxxxxxxxxx
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