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[InetBib] Theorie und Praxis der Stellenbesetzung
Liebe Liste,
für einen unterlegenen Bewerber oder eine unterlegene Bewerberin in
einem Auswahlverfahren sind Gleichstellungsklauseln oder dergleichen ein
häufiger Bezugspunkt für die verständliche Frustration, eine Stelle
(vielleicht zum wiederholten Mal) nicht bekommen zu haben. Und da
beileibe nicht jede Bewerbung im Laufe eines Berufslebens erfolgreich
ist, kenne auch ich diese Erfahrung aus eigener Anschauung. Vor allem
dann, wenn man Familie hat, wünscht man sich bei der Stellenbesetzung
eine stärkere Berücksichtigung gerade dieses Umstandes. Das wurde in der
Diskussion hier schon angesprochen.
Aber: Eines darf man bitte nicht vergessen. Stellen im öffentlichen
Dienst sind (Gott sei Dank!) keine politischen Ämter, in denen ein wie
auch immer gearteter Proporz herzustellen ist. Stellen im öffentlichen
Dienst, wozu ja die meisten Bibliotheksstellen gehören, sind nach dem
Grundsatz von Art. 33 Abs. 2 GG zu besetzen. Dort heißt es: "Jeder
Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung
gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte."
Gleichstellungsklauseln und dergleichen müssen sich diesem Grundsatz
unterordnen. Richtigerweise heißt es in § 10 Abs. 1
Gleichstellungsgesetz NRW: "Für die Beurteilung von Eignung, Befähigung
und fachlicher Leistung sind ausschließlich die Anforderungen des zu
besetzenden Arbeitsplatzes oder des zu vergebenden Amtes maßgeblich. Bei
der Qualifikationsbeurteilung sollen Erfahrungen und Fähigkeiten aus der
Betreuung von Kindern und Pflegebedürftigen einbezogen werden, soweit
diese für die zu übertragende Aufgabe von Bedeutung sind."
Das bedeutet, dass bei der Stellenbesetzung fachliche Aspekte im
Vordergrund stehen. Lediglich bei gleicher Eignung greift, soweit Frauen
unterrepräsentiert sind, die sog. Gleichstellungsklausel. Ob damit dem
durch die Gleichstellung ebenfalls verfolgten Ziel, eine Vereinbarkeit
von Familie und Beruf zu ermöglichen, immer entsprochen wird, steht auf
einem anderen Blatt. Ich persönlich finde geschlechtsneutrale
familienbezogene Gründe für eine bevorzugte Einstellung sachgerechter.
Doch das ist alles Theorie. Wie sieht es in der Praxis aus? Ich habe
sowohl als Mitglied eines Personalrates als auch als Vorgesetzter an
sehr vielen Auswahlverfahren im Hochschul- und Bibliotheksbereich an
mehreren Einrichtungen in unterschiedlichen Bundesländern teilgenommen.
Ich habe nicht einen einzigen Fall erlebt, in dem es zu einer
prinzipiellen Bevorzugung von Bewerberinnen oder auch Bewerbern ohne
Rücksicht auf ihre Leistung oder ihr fachliches Profil gekommen wäre.
Das sind letztlich, und ich denke, das ist durchaus repräsentativ, immer
die entscheidenden Kriterien für eine Stellenbesetzung. Insoweit hat für
mich die ganze Diskussion um Gleichstellungsklauseln etwas Symbolisches.
Aus Sicht der Personalvertretung aber auch der Vorgesetzten ist eine an
anderen als fachlichen Kriterien orientierte Stellenbesetzung übrigens
ziemlich unsinnig. Zum einen haben wir keine Stellen im Überfluss, so
dass wir mit ihnen auch ein wenig herumspielen könnten, zum anderen
müssen die Kolleginnen und Kollegen, die schon im Haus arbeiten, eine
fachlich suboptimale Stellenbesetzung letztlich ausbaden. Das ist ein
Bumerang der, wenn er zurückkommt, allen sehr lange sehr weh tut.
Vielleicht "erdet" das die Diskussion ja ein wenig ...
Viele Grüße
Eric Steinhauer
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