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[InetBib] Skandal: Handschriftenarchiv der BBAW schließt



Schon in DDR-Zeiten war das 1904 ins Leben gerufene
Berliner Handschriftenarchiv, das die Schätze der
großangelegten Erfassung deutschsprachiger Handschriften
(überwiegend aus der Zeit vor 1600) verwaltet, um
kollegiale Hilfe für alle anfragenden Wissenschaftler
bemüht. In den letzten Jahren hat das Archiv, nunmehr
betreut von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der
Wissenschaften, erfolgreich auf die Digitalisierung gesetzt
und sehr viele Beschreibungen ins Netz gestellt und nach
Möglichkeit mit dem Handschriftencensus verknüpft. In
Kooperation mit Bibliotheken oder aus eigener Initiative
(Handschriften des Stadtarchivs Köln!) wurden Teilbestände
systematisch online gestellt. Für Wissenschaftler gab es
einen großartigen Service: Wer Beschreibungen brauchte,
erhielt nach nicht allzu langer Frist einen Link zum
kostenlos erstellten Digitalisat.

Damit ist es nun vorbei. das Archiv wird geschlossen,
mailte mir heute Frau Breith, die kundige Betreuerin:

"Ab Januar 2013 wird das HSA nicht besetzt sein, Anfragen
können vorerst nicht bearbeitet werden." 

Das steht so auch auf der Website:

http://www.bbaw.de/forschung/dtm/HSA/startseite-hsa.html

Nicht nur die altgermanistische Handschriftenforschung ist
das eine Katastrophe, denn nach wie vor gibt es zu
zahlreichen kleinen Beständen keine modernen Kataloge, von
den unzähligen seit 1945 verschollenen Handschriften, für
die die Beschreibungen des "HSA" das Original ersetzen
müssen ganz zu schweigen.

Was soll der Mist? Schon allein die Tradition des
Unternehmens erweist die Schließung als ungeheuerlichen
Frevel. Wieso verdammtnochmal gibt es bei so etwas keine
RETTUNGSROUTINE? Wieso informiert man bitteschön die
Fachwelt nicht rechtzeitig, damit man überlegen kann, wie
man einen Not-Service aufrechterhalten kann?

Ein solches Archiv kann zwar nicht wissenschaftlich
angemessen von einer studentischen Hilfskraft betreut
werden, wohl aber kann eine solche Kraft Scanarbeiten -
möglicherweise in reduziertem Umfang - unter gelegentlicher
Kontrolle durch einen Akademiemitarbeiter durchführen.

Der Workflow ist überschaubar: Die Beschreibung
heraussuchen, scannen und die Scans hochladen, den Link
mitteilen. 

Ort, Bibliothek und Signatur eintragen kann auch eine
Hilfskraft, alles andere kann der Benutzer erledigen oder
wenn es personell wieder besser aussieht.

Bei geschätzen durchschnittlich 5 Seiten je Beschreibung,
könnte man in der Stunde vermutlich 20 Beschreibungen
schaffen. Bei angenommenen 100 Beschreibungen je Monat
sollte man das einschließlich Verwaltungsarbeiten mit 10
Stunden hinbekommen. Das ist eine finanzielle
Größenordnung, die eigentlich auch ohne Beteiligung der
Community allein von den deutschen Handschriftenzentren
gemeinsam gestemmt werden könnte, wenn die BBAW wirklich so
arm dran ist.

Wieso nicht auch Crowdfunding denken, um den bisherigen
Service aufrechterhalten und die dringend wünschenswerte
Gesamtdigitalisierung finanzieren zu können? Mit 50 Euro im
Jahr wär ich zumindest dabei.

Ich würde gerne wissen, wieviele Beschreibungen noch zu
digitalisieren sind von den 19.000 vorliegenden und
wieviele Beschreibungen 2012 digitalisiert wurden.

Diese Archivschließung berührt uns Handschriftenfreunde
hundertmal mehr als die (abgewendete) Schließung des
Staatsarchivs Georgia. 

Die Einstellung der Auskunfts bzw. Scantätigkeit des
Handschriftenarchivs ist eine Schande für die Akademie und
nicht akzeptabel.

Schreiben Sie bitte mehr oder minder höflich formulierte
Protestbriefe an den Präsidenten der
Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften 

Prof. Dr. Günter Stock guenter.stock@xxxxxxx

und an den Leiter der "Deutschen Texte des Mittelalters",
dem das HSA zugeordnet ist

Prof. Dr. Kurt Gärtner

gaertnek@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

Klaus Graf

-- 
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