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Re: [InetBib] Unglaublich: Historische Gymnasialbibliothek im Stadtarchiv Stralsund an Antiquar verkauft
- Date: Sat, 03 Nov 2012 13:22:41 +0100
- From: "Klaus Graf" <klaus.graf@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Unglaublich: Historische Gymnasialbibliothek im Stadtarchiv Stralsund an Antiquar verkauft
On Fri, 02 Nov 2012 20:00:21 +0100
"Klaus Graf" <klaus.graf@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx>
wrote:
Es ist wirklich unglaublich, welches wertvolle Baende da
verscherbelt wurden und keineswegs nur aus der
Gymnasialbibliothek, sogar ein Band aus der kostbaren
Loewen'schen Bibliothek. Etliche schockierende Beispiele:
http://archiv.twoday.net/search?q=stralsund
Die Ostsee-Zeitung hat den Fall aufgegruffen und Auskuenfte
der Stadt erhalten.
Die Stadt luegt die Oeffentlichkeit an:
"Die Stadt begründete den Verkauf eines Teils der
Gymnasialbibliothek auf Anfrage unserer Zeitung damit, dass
sie ?nicht im Sinne der Satzung des Stadtarchivs? zu
betrachten sei, weil sie aufgrund ihrer ?minimalen
regionalgeschichtlichen Bedeutung keine Aufnahme in den
Bibliotheksbestand des Stadtarchivs fand und daher auch
nicht katalogisiert wurde?. Bis auf die Ausnahme besonderer
bibliophiler Werke wie Wiegendrucke.
Der Großteil der Gymnasialbibliothek sei für die Nutzer ?
die wegen stadt- und regionalgeschichtlicher Forschungen
ins Archiv kämen ? ?nicht von Interesse?, heißt es. Die
?wenigen relevanten Titel?
seien in den Bibliotheksbestand übernommen worden. Zudem
wäre der Erhaltungszustand vieler Bücher schlecht gewesen.
Darüber hinaus habe es ?ernsthafte Probleme bei der
sachgemäßen Lagerung? ? sowohl wegen des Klimas als auch
des Platzangebotes gegeben. Der Bestand sei beim Verkauf
nicht mehr vollständig gewesen. Ob das mit der Auslagerung
im Zweiten Weltkrieg zusammenhing oder aus anderen Gründen
zu Verlusten kam, lasse sich nicht mehr ermitteln. Bei den
Werken handele es sich um unterrichtsbegleitende Literatur
für Schüler und Lehrer in Philologie und Thelogie."
https://www.ostsee-zeitung.de/ozdigital/archiv.phtml?param=news&id=3596920
"Da es sich zum Teil um mehrbändige Werke handelte, wären
das etwa 2500 Titel. 5926 Bände habe der Antiquar erworben"
Bis auf einen kleinen Restbestand scheint tatsaechlich die
ganze kostbare Schulbibliothek futsch, denn das
Fabian-Handbuch sagt: "Damit kamen 2630 Titel in den
Gesamtbestand. Von diesen entfallen knapp 50 Prozent auf
das 18. Jh, je 20 Prozent auf das 17. und 19. Jh und
reichlich 10 Prozent auf das 16. Jh.". Vermutlich sind dann
auch die Reste der Buecher von Zacharias Orth im Handel
gelandet.
Da die Buecher im Fabian-Handbuch charakterisiert wurden
und es einen alten Standort-Katalog gab, spielt es fuer die
rechtliche Beurteilung des Verkaufs als rechtswidrig keine
Rolle, ob sie im alphabetischen Gesamtkatalog des Archivs
vertreten waren.
Die Angebote im Handel zeigen, dass man auch andere
Bestaende der Archivbibliothek gepluendert hat, sogar ein
Buch der Loewen'schen Bibliothek ist darunter. Und es
handelt sich keinesfalls nur um Theologie und Philologie,
sondern auch um viel Regionalgeschichte.
Das ist jetzt doch einer der groessten anzunehmenden
Unfaelle im Bereich bibliothekarischer Kulturgutschutz und
eine Schande ohnegleichen fuer die Welterbe-Stadt
Stralsund. Da der OB weitere Verkaeufe aus dem Archiv
plant, um Platz zu schaffen, sollte man ihm mitteilen, was
man davon haelt. Und Strafanzeigen gegen die
Verantwortlichen sollten auch gestellt werden. Nach
Streich, Archivalieneigentum S. 291-294 kommen in Betracht
Diebstahl, Unterschlagung und Betrug. Aus meiner Sicht auch
§ 304 StGB (gemeinschaedliche Sachbeschaedigung), da die
durch Archivgesetz und Archivsatzung geschuetzte
Sachgesamtheit durch den Verkauf zerstoert wurde.
Ich warte auf eine oeffentliche Stellungnahme der
Bibliotheksverbaende. Aber da kann ich vermutlich lange
warten, denn historisches Kulturgut ist diesen Leuten und
dieser Liste erheblich weniger wichtig als die
Digitalisierung.
Klaus Graf
--
http://www.inetbib.de
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.