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Re: [InetBib] Leser oder Surfer? Die Zukunft der NYPL



Sehr geehrter (Herr) DonBib,

was Sie vermutlich meinen sind die unerlaubten Vereinfachungen von
Problemen, die sich oft in unerlaubten Verallgemeinerungen von Aussagen
äußeren. Statt z.B. „Frauen werden Älter als Männer“, entweder „Frauen
werden im statistischen Mittelwert Deutschlands Älter als Männer“ oder
„Die Lebenserwartung von neugeborenen Mädchen beträgt in Deutschland heute
81 Jahre, die von neugeborenen Jungen 75“, denn das alle Frauen älter
werden als Männer, ist sicher Unsinn.

Andererseits sollten Sie nicht verkennen, dass Klassifikation (ein
zentrales Thema der bibliliothekarischen Erschließung) grundsäzlich
Verallgemeinerung in sich einschließt. Bibliothek als Oberbegriff  aller
ÖBs, WBs, Spezialbibliotheken, Schulbibliotheken etc. muss ein
wesentliches Element aller dieser Unterbegriffe enthalten. Diese
Gemeinsamkeit muss sich in der Definition der Bibliothek wiederfinden.

„Die Bibliothek ist eine Einrichtung, die unter archivarischen,
ökonomischen und synoptischen Gesichtspunkten publizierte Information für
die Benutzer sammelt, ordnet und verfügbar macht.“

Dass jeder dieser Unterbegriffe („Bibliothekstypen“) neben der
Gemeinsamkeit auch „unterschiedliche Anforderungen“ hat, ist sicher
richtig. Es ist ebenso richtig, dass wir diese Spezifika in der
bibliothekarischen Ausbildung berücksichtigen müssen. Es ist aber durchaus
fraglich, wie weit eine solche Spezialisierung gehen soll. Beispielsweise
die Trennung der Ausbildung in ÖB und WB hat in den letzten Jahrzehnten
leider auch dazu geführt, dass viele ÖBs die Digitalisierung schon in der
Lehre sehr viel später zur Kenntnis bekamen. Ich weiß das aus eigener
Erfahrung und aus schwierigen Diskussionen heraus. Insofern ist es auch
nicht erstaunlich, dass die NYPL erst jetzt zu dem hier Diskutierten Umbau
kommt. Die Computerisierung konnte nur schrittweise voranschreiten und
erfasste die WBs erheblich früher als die ÖBs.

MfG

W. Umstätter

P.S. Aus klassifikatorischer Sicht muss man grundsätzlich erkennen, dass
diese Welt für den menschlich begrenzten Geist nur durch partielle
Verallgemeinerungen erfassbar ist. Das beginnt schon bei Kindern, die die
Welt sehr frühzeitig in Gagag und Wauwau einteilen. Genau genommen sind
das die Aves und die Mammalia, nur viele Eltern glauben, dass das die
Enten und Hunde sind. Mit zunehmendem Wissen differenziert sich unser
Begriffsthesaurus. Ein wirklich interessantes Problem ;-)


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wollen wir vielleicht anfangen mit einer Sache aufzuhören die mir schon
seid längerem auf den Senkel geht: "die Bibliotheken". Wer sind denn immer
diese "die Bibliotheken"? Sind das ähnliche Gebilde wie "die Presse" oder
gar das gerne genutzte "das Finanzkapital"? Können wir vielleicht mit
diesem unsäglichen Verallgemeinern aufhören? Sonst drehen sich "die
Bibliothekarinnen und Bibliothekare" vielleicht nur im Kreis. Wobei ich ja
im Studium die Verallgemeinerungen auch lernen durfte. 
Verschiedene Bibliothekstypen haben aber völlig unterschiedliche
Anforderungen. Rollen bibliothekarischer Arbeit haben ebenso völlig
unterschiedliche Ausprägungen. Beenden wir doch endlich diese sehr flache
Diskussion und widmen wir uns einer gezielten Debatte zu den spezifischen
Anforderungen verschiedener Bibliothekstypen und den damit einhergehenden
Veränderungen, die sich auch in den Studiengängen abbilden sollten. 

DonBib
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