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Re: [InetBib] Akademische Verlage: die schlimmsten Kapitalisten?
- Date: Sat, 10 Sep 2011 19:21:20 +0200
- From: "Walther Umstaetter" <walther.umstaetter@xxxxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Akademische Verlage: die schlimmsten Kapitalisten?
Liebe Listenteilnehmer/innen,
dieser Beitrag wiederholt im Prinzip ja nur, was wir hier schon seit
Jahren monieren. Trotzdem ist er wichtig, weil er zeigt, dass sich an den
Fakten wenig ändert. Die eigentliche Frage ist also, warum ändert sich
nichts.
1. Weil das Urheberrecht in der vorliegenden Form solche Veränderungen zu
verhindern versucht.
2. Weil das Bibliothekswesen diese Gewinne einiger Kernverlage bezahlen
musss, damit die Wissenschaft in den reichen Ländern nicht kaputt geht.
Ohne die Bibliotheken hätten die meisten Wissenschaftler die überteuerten
Zeitschriften längst abbestellt, und eine moderne Big Science hätte, so
wie wir sie heute kennen, in den postindustriealisierten Ländern zu
existieren aufgehört.
3. Die Gewinne der Verlage mit den Kernzeitschriften werden weitgehend
genutzt, um ihre eigene Unverzichtbarkeit (impact factor, Aufnahme der
Zeitschriften in den Science Citation Index und andere renommierte
Datenbanken etc.) zu festigen. Siehe dazu auch das Zitat "There are no
signs that such a large-scale shift in user behavior is under way,
however." (Walters, Linvill, 2011) in LIBREAS diskutiert, wo es um Open
Access geht.
4. Im Prinzip sind die Herausgeber der Kernzeitschriften bekannte
Wissenschaftler, die über ihre Herausgeberschaft nicht nur großen Einfluss
auf das, was publiziert wird haben, sondern meist auch massiv politischen
Einfluss darauf nehmen, dass das power law der Zeitschriften erhalten
bleibt.
Das Problem ist, dass sogar viele von denjenigen, die Open Access bejubeln
und auf ihre Fahnen geschrieben haben, wenn es darauf ankommt, nicht die
Qualität von Publikationen bewerten sondern ihren Bekanntheitsgrad (in
welcher Zeitschrift sind sie erschienen, welcher impact factor, liegt vor,
aus welchen Instituten kommen die Autoren, oder wer sind die Autoren). Der
Grund für mangelhafte Qualitätskontrolle ist einfach:
1. Es erfordert sehr viel mehr Zeit und Kenntnis um einen Aufsatz wirklich
auf seine Qualität hin zu beurteilen.
2. Einen Fehler von einem Nobelpreisträger zu falsifizieren ist weitaus
attraktiver, als von einem Nobody. Maex oder Darwin waren nicht so
bekannt, weil ihre Theorie so gut war, sondern, weil sich die Kirche
darüber so echauffierte.
Dass die meisten Peer Reviewer die Zeit für eine echte Qualitätskontrolle
weder aufbringen noch haben, liegt nahe, und hat sich oft genug an ihren
Kommentaren gezeigt. Ihre Aufgabe ist weitaus mehr, darauf zu achten, dass
ihre Zeitschrift für die jeweilige Leserschaft attraktiv bleibt. Es sei
hier nur an die wiederholte Ablehnung nobelpreisträchtiger Arbeiten
erinnert.
Trotzdem wird das Internet, wenn es nicht vorher ruiniert wird, dazu
führen, dass sich Open Access mit einer modernen Qualitätskontrolle
(ähnlich der früheren deutschen Referatenblätter) durchsetzen wird, weil
die berechtigte Kritik an dem veralteten System der Publikation, immer
weiter wächst.
Die Frage ist nur, wie lange sich die Reaktionäre dieser Entwicklung
entgegenstemmen können ;-)
Mit freundlichen Grüßen
W. Umstätter
Liebe Inetbibgemeinde,
im PASSWORD - PUSHDIENST (http://www.password-online.de/) gab es in der
noch nicht öffentlich zugänglichen Nr. vom 3. September 2011 einen Hinweis
auf einen ziemlich deutlichen Artikel von George Mombiot: "Academic
publishers make Murdoch look like a socialist".
Dieser ist auf der Webseite des Guardian frei zu lesen:
http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2011/aug/29/academic-publishers-murdoch-socialist?INTCMP=SRCH
Tenor: Verglichen mit dem Abkassieren von Elsevier (aber auch Wiley und
Springer), verhält sich Murdoch bescheiden, weil: ".. in the past
financial year, for example, Elsevier's operating profit margin was 36%.."
Seine Empfehlung als Gegengewicht:
" governments should ... insist that all papers arising from publicly
funded research are placed in a free public database".
Schöne Grüße
Rüdiger Schneemann
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