Liebe alle
Es ist schon interessant, wie sich alle auf den Täter Guttenberg
einschiessen,
aber die anderen Mittäter konsequent aussen vorlassen. Liegt das vielleicht
daran, dass diese uns wissenschaftlichen Bibliothekaren zu nahe stehen? Es
ist
schön, die klaren Worte von Herrn Lepsius zu lesen, aber hat nicht auch sein
Vorgänger, Herr Häberle, unter Realitätsverlust gelitten, als er die
Doktorarbeit annahm? Und die ganze Fakultät, als sie Guttenberg mit Summa cum
laude promovierte? Dies aber beim Namen zu nennen wäre Nestbeschmutzerei,
weshalb die Kritik einfach nur in Richtung Politik und Guttenberg geht. Das
sind
ja eh die Feinde, da von dort die bösen Etat-Kürzerer herkommen.
Und weil wir gerade bei den wissenschaftlichen Mittätern aus dem
Universitätsbetrieb sind. Wer hat denn erst das Umfeld geschaffen, in dem
diese
Tat geschehen konnte? Gewiss nicht Guttenberg, der von ihm profitiert hat,
sondern die lieben Damen und Herren Professoren. Was ich in den letzten zehn
Jahren teilweise als juristische Dissertationen auf den Schreibtisch bekommen
habe, war schlicht nur peinlich. Umfang 70 bis 90 Seiten, Zeilenabstand recht
gross, im Literaturverzeichnis nur Monographien und Kommentare, aber keine
Zeitschriftenaufsätze und Beiträge aus Sammelwerken usw. Wieso klagen wir
nicht
schon seit Jahren die teils miserablen Dissertationen deutschsprachiger
Universitäten an? Vermutlich weil wir selbst alle in diesem Betrieb arbeiten
und
ungern eine Abmahnung von oben bekommen wollen. Wie scheinheilig sind wir
eigentlich?
Und schauen wir doch mal über die Fakultätsgrenze zu den Medizinern? Was dort
an
Doktorarbeiten abgegeben werden kann, würde an einer anderen Fakultät erst
gar
nicht als Seminar- oder Diplomarbeit akzeptiert werden. Wer beklagt sich
darüber? Stellt die Urheber solcher Arbeiten anklagend ins Netz?
Seltsamerweise
niemand.
Solange hier nur auf einer Person herumgehackt wird, ohne alle Schuldigen
beim
Namen zu nennen, die sich aktiv oder inaktiv daran beteiligt haben, die erst
das
ganze Umfeld für diesen Betrug geschaffen haben, haben all die schönen Worte
gegen Guttenberg den starken Beigeschmack, hier geht es in erster Linie um
eine
Abrechnung mit einem Politiker, der dem gegnerischen Lager zuzurechnen ist.
Und
solange habe ich Mühe, die hier geäusserte Empörung für echt zu halten.
Beste Grüsse
Peter Johannes Weber
Peter Johannes Weber * Sprünglistrasse 3, 3006 Bern, Schweiz * T: +41 31 351
51
31 * H: +41 79 503 51 00 * peterjohannes.weber@xxxxxxxx *
www.biblioteca-canoviana.ch
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Von: Kay Heiligenhaus <kay.heiligenhaus@xxxxxxxxxxxx>
An: Internet in Bibliotheken <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Gesendet: Samstag, den 26. Februar 2011, 13:39:58 Uhr
Betreff: Re: [InetBib] FW: Lutz Hachmeister und andere wollen ihren
Doktortitel
ruhen lassen, solange Guttenberg...
Liebe Inetbibler,
klare Worte aus Bayreuth von Oliver Lepsius, Nachfolger auf dem Lehrstuhl von
Peter Häberle:
"'Wir sind einem Betrüger aufgesessen. Es ist eine Dreistigkeit ohnegleichen,
wie er honorige Personen der Universität hintergangen hat.' [...] 'Der
Minister
leidet unter Realitätsverlust', sagte er der Süddeutschen Zeitung. 'Er
kompiliert planmäßig und systematisch Plagiate, und er behauptet, nicht zu
wissen, was er tut. Hier liegt die politische Dimension des Skandals.' [...]
Die
Stellungnahmen hochrangiger Regierungspolitiker, die Guttenberg die Stange
halten, ist nach Lepsius' Dafürhalten 'von Seiten der Wissenschaft nicht
hinnehmbar'. Neben der Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, sie habe
einen Verteidigungsminister und keinen wissenschaftlichen Assistenten
berufen,
empört ihn die Haltung von Bundesbildungsministerin Annette Schavan. 'Wenn
sie
sagt, es sei egal, ob und wie jemand promoviere, vergrößert das den Skandal",
sagt Lepsius. 'Man kann nur entsetzt sein.'" [1]
In großen Teilen der Wissenschaft scheint nun angekommen zu sein, was da
eigentlich passiert ist und welche Dimension dieses Geschehen tatsächlich hat.
Beste Grüße,
Kay Heiligenhaus
[1]
http://www.sueddeutsche.de/politik/plagiatsaffaere-um-guttenberg-wir-sind-einem-betrueger-aufgesessen-1.1065263
-----Original Message-----
From: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx [mailto:inetbib-
bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] On Behalf Of Rainer Kuhlen
Sent: Friday, February 25, 2011 9:22 PM
To: Internet in Bibliotheken
Subject: Re: [InetBib] FW: Lutz Hachmeister und andere wollen ihren
Doktortitel ruhen lassen, solange Guttenberg...
gut, auch DHV und O. Lepsius, dass ich mich geirrt habe RK Am 25.02.2011
21:29, schrieb Juergen Fenn:
Am 25.02.11 18:39 schrieb Rainer Kuhlen:
In der Tat - weder die Profession der urheberrechtlichen Experten
(Professoren) noch die großen Wissensschaftsorganisationen haben sich
m.W. bislang zu "Guttenberg" geäußert.
Pressemitteilung des Wissenschaftsrats ("Der Wissenschaftsrat berät
die Bundesregierung und die Regierungen der Länder in Fragen der
inhaltlichen und strukturellen Entwicklung der Hochschulen, der
Wissenschaft und der Forschung") von heute:
<http://www.wissenschaftsrat.de/index.php?id=355&L=>
| Standards müssen eingehalten werden
|
| Der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Professor Wolfgang
| Marquardt, erklärt zu der aktuellen Diskussion im Zusammenhang mit
| den Plagiatsvorwürfen gegen die Doktorarbeit des Bundesministers der
| Verteidigung:
|
| Mit zunehmender Besorgnis nehme ich derzeit zur Kenntnis, wie in
| Folge der Diskussionen um die Doktorarbeit von Karl-Theodor zu
| Guttenberg das gesellschaftliche Ansehen der Wissenschaft Schaden zu
| nehmen droht. Die öffentlich verlautbarte Geringschätzung der
| grundlegenden Prinzipien wissenschaftlichen Arbeitens lässt außer
| Acht, dass wissenschaftlicher Fortschritt und damit verbunden auch
| der Wohlstand unseres Landes maßgeblich auf der Einhaltung dieser
| Prinzipien beruhen. Eine erfolgreiche Wissenschaft kann es ohne
| einen sorgfältigen Umgang mit Quellen, ohne eine unmissverständliche
| Unterscheidung fremden und eigenen Wissens und ohne die
| Dokumentation und kritische Diskussion der eigenen, sachlich
| weitestgehend abgesicherten Forschungsergebnisse nicht geben. Die
| weit überwiegende Zahl der an deutschen Universitäten erarbeiteten
| Promotionen genügt diesen hohen Qualitätsanforderungen.
|
| Die deutsche Wissenschaft und deren Qualitätssicherungssysteme sind
| auch im internationalen Vergleich hoch anerkannt. Diese Reputation
| darf nicht durch die Bagatellisierung wissenschaftlichen
| Fehlverhaltens beschädigt werden. Umso wichtiger ist es, auf der
| Einhaltung der diese Qualität sicherstellenden Standards zu bestehen
| und jede Missachtung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis
| streng zu verfolgen. Dafür brauchen wir auch die Unterstützung der
| Politik.
Jürgen Fenn.
--
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Prof. Dr. Rainer Kuhlen
FB Informatik und Informationswissenschaft Universität Konstanz
URL: www.kuhlen.name
Projekt IUWIS HU-Berlin: www.iuwis.de
Aktionsbündnis: http://www.urheberrechtsbuendnis.de/
Email: rainer.kuhlen@xxxxxxxxxxxxxxx
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