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[InetBib] SLUBlog: Frißt das Web 2.0 seine eigenen Kinder?
- Date: Wed, 29 Dec 2010 17:32:10 +0100
- From: "Kay Heiligenhaus" <kay.heiligenhaus@xxxxxxxxxxxx>
- Subject: [InetBib] SLUBlog: Frißt das Web 2.0 seine eigenen Kinder?
Liebe Inetbibler,
mit Interesse verfolge ich seit einigen Wochen den Blog der SLUB Dresden, tobt
doch dort seit der Freischaltung neuer Webseiten ein erbitterter Streit über
die Vor- und Nachteile traditioneller Web-OPAC-Funktionalitäten gegenüber
suchmaschinenbasierten integrierten Portalseiten. Angefangen hatte alles mit
der freudigen Ankündigung von Achim Bonte zum Start der neuen Webseiten und des
neuen Katalogs:
"Am 15.12. wird die SLUB mit ihren digitalen Angeboten in ein neues Zeitalter
eintreten. Die Webseiten, vor allem aber auch unser Katalog werden vollständig
überarbeitet sein und Ihnen zahlreiche wichtige Servicevorteile bieten." [1]
Doch schon die erste Reaktion auf diesen Beitrag ließ nichts Gutes erahnen:
"Bei aller Liebe für Fachbegriffe, aber lassen sich Terme wie 'linked open
data' (was ist das?), 'Joy of use' ('Benutzerfreundlichkeit'?) nicht auch in
good old German ausdrücken? Das mutet schon merkwürdig an." [2]
Und, in der Tat, ab dem 16.12. war da offensichtlich kein Halten mehr. Gleich
drei Blog-Beiträge von Achim Bonte setzen sich seit der Freischaltung der neuen
Seiten mit dem Thema auseinander und treffen dabei auf erregte bis derbe
Kommentare, die ich in dieser Form bislang in einem Blog einer
wissenschaftlichen Bibliothek noch nicht lesen konnte. [3][4][5]
Dafür allein schon gilt der SLUB meine Hochachtung, denn einerseits ist ein
Blog in der Form, wie es die SLUB anbietet, beileibe keine
Selbstverständlichkeit in "der offiziösen Bibliotheksszene", andererseits gilt
es da eine wirklich harte Nuß zu knacken: Die neuen Seiten der SLUB sollten
eigentlich alles bieten, was das Nutzerherz begehrt. Im Zentrum steht ein
Suchmaschinenindex, der über einen "einfachen Google-Such-Schlitz" Zugriff auf
einen mächtigen Gesamtindex bietet und dem Nutzer anschließend die
systematische Sucheingrenzung via Facettierung erlaubt.
Doch, was machen die Nutzer? Sie schreien vom ersten Tag an nach einer
erweiterten Suche, die bei der SLUB gerade in der Mottenkiste
bibliothekarischer Detailversessenheit verschwand:
"[B]itte gebt uns die erweiterte Suche wieder!" [6]
Und auch die "Ein-Index-für-alles-Strategie" der SLUB scheint für manche Nutzer
nicht wirklich aufzugehen:
"Der SLUB-Katalog kann nie eine Datenbankrecherche ersetzen. Deshalb sollte
seine primäre Funktion, dei der Büchersuche sein." [7]
Verfolgt man die intensive Diskussion in ihren Details, zeigt sich schnell, daß
es bei den neuen SLUB-Seiten vor allem an einer Stelle haperte: Nutzer konnten
sich nicht mehr in ihr Konto einloggen, Bestellungen aufgeben, Verlängerungen
durchführen usw. usf. Alles Funktionalitäten, die zuvor reibungslos zur
Verfügung standen und die seit Jahren zu den Kernfunktionalitäten eines
Web-OPACs zählen. Auf der anderen Seite sieht man aber auch, wie schnell die
SLUB auf die in dieser Hinsicht wohl berechtigten Beschwerden der Nutzer
reagiert hat und Schritt für Schritt für die Rückkehr vertrauter
Funktionalitäten gesorgt. Für das kommende Jahr sind weitere Verbesserungen
angekündigt - vor allem wohl auch die Rückkehr der vertrauten "erweiterten
Suche".
Ich selbst werde den SLUBlog sicherlich noch eine gewisse Zeit interessiert
weiterlesen. Man kann hier unmittelbar verfolgen, wie technische Innovationen
z.T. auf Nutzerinteressen stoßen, die ein angenehm vertrautes Bild zeichnen:
Ich weiß, was ich suche. Und ich will es einfach nur bestellen und ausleihen.
Laßt mich mit Eurem ganzen Web-Firlefanz in Ruhe:
"Die Überarbeitung der Suchfunktion und der Kataloge hat leider dazu geführt,
dass jede universitäre Erhabenheit und der Eindruck tatsächlicher
Katalogisierung verloren geht. Google, Bing, Yahoo, SLUB - die Übergänge sind
fließend. Ein Rückschritt für die Landesbibliothek und ein Hindernis für die
größte Nutzergruppe: Die Studenten." [8]
Ich bin überzeugt, daß es der SLUB gelingen wird, die Vorteile des einen mit
den Vorteilen des anderen zu verbinden. OPAC und Suchmaschine müssen wahrlich
kein Widerspruch sein. Dankbar darf man aber auch dafür sein, daß die z.T.
heftigen Nutzerreaktionen uns die Augen dafür öffnen, daß Nutzer nicht nur
komfortabel recherchieren möchten, sondern eben häufig schlicht und einfach
nur: in einem Buch lesen, von dem sie vor der Recherche bereits wußten, daß sie
genau das (und nichts anderes) tun wollten. Wer hätte das vor lauter Web 2.0
gedacht?
Beste Grüße,
Kay Heiligenhaus
[1]
http://blog.slub-dresden.de/beitrag/2010/12/10/nur-noch-fuenf-mal-schlafen-neuer-katalog-und-neue-webseiten-starten-am-1512/
[2]
http://blog.slub-dresden.de/beitrag/2010/12/10/nur-noch-fuenf-mal-schlafen-neuer-katalog-und-neue-webseiten-starten-am-1512/#comment_1476
[3] http://blog.slub-dresden.de/beitrag/2010/12/16/zum-start-der-neuen-systeme/
[4]
http://blog.slub-dresden.de/beitrag/2010/12/17/zum-start-der-neuen-systeme-der-zweite-tag/
[5]
http://blog.slub-dresden.de/beitrag/2010/12/22/zum-start-der-neuen-systeme-die-erste-woche/
[6]
http://blog.slub-dresden.de/beitrag/2010/12/16/zum-start-der-neuen-systeme/#comment_1572
[7]
http://blog.slub-dresden.de/beitrag/2010/12/16/zum-start-der-neuen-systeme/#comment_1623
[8]
http://blog.slub-dresden.de/beitrag/2010/12/22/zum-start-der-neuen-systeme-die-erste-woche/#comment_1657
--
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