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Re: [InetBib] Urteil des BVerfG: Konsequenzen f ür die Öffnung von Bibliotheken an Sonntagen?
- Date: Tue, 01 Dec 2009 22:54:04 +0100
- From: Schleiwies <schleiwies@xxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Urteil des BVerfG: Konsequenzen f ür die Öffnung von Bibliotheken an Sonntagen?
Sehr geehrter Hr. Klauß,
einen Vergleich zu stellen ist hier sehr schwierig. In diesem Fall ging es
konkret um vier hintereinander geöffnete Sonntage zur Weihnachtszeit
ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen. Dieses wurde nun untersagt,
lediglich 1 Adventssonntag ist noch erlaubt. Ob es nun zur geistigen und
inneren Einkehr kommt, die sich die Kirchen wünschen, vermag ich nicht zu
sagen.
Konträr zur Klage steht für Bibliotheken auch noch folgende Aussage seitens
der evangelischen Kirche im Raum:
"Für die kreative Ausgestaltung einer neuen Sonntagskultur haben sich die
Kulturbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD),
Petra Bahr, und der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf
Zimmermann, ausgesprochen. Neben der Forderung, dass die Läden am Sonntag
geschlossen sein sollten, gelte es, in Kirchen und Kultureinrichtungen
besondere Angebote für Familien und Singles zu gestalten.
Kultureinrichtungen sollten am Sonntag kostenlos sein und Kirchen geöffnet
haben. Auch gehöre es dazu, dass öffentliche Bibliotheken, die bislang
sonntags nicht mit ihrem Personal öffnen dürfen, die Gelegenheit erhalten,
sonntags zu öffnen."
Hier geht es aber nicht um 4 Sonntage, sondern gleich um alle 52! In Hessen
wurde der Weg zwar freigemacht, jedoch steht noch ein Bundesarbeitsgesetz
dazwischen um es zu verwirklichen.
Ich möchte nicht unbedingt auf die Meinungsverschiedenheiten von DBV und BIB
zu diesem Thema eingehen, doch es lässt sich auch nicht ganz verhindern.
Kirche wünscht also keinen Konsum, jedoch eine Sonntagskultur mit geöffneten
Bibliotheken. Somit stehen also nicht mehr VerkäuferInnen hinter einer Theke
mit einer Kasse, sondern Famis und BibliothekarInnen hinter einer Theke mit
einer Kasse - ja und statt Medien durch Kauf zu konsumieren bleibt halt "nur
noch" die Medien durch Leihe zu konsumieren. Statt der qualifizierten
Fachberatung zu einem käuflichen Produkt gibt es dann die qualifizierte
Fachberatung zu einer Dienstleistung mit Produkten.
Sie sehen schon, da kommen wir nicht unbedingt weiter, wenn wir die
Forderung zwischen 4 verkaufsoffenen Sonntagen und 52 bibliotheksoffenen
Sonntagen vergleichen. Richtig schwierig wird das am 24.12.2017 - da ist
Heiligabend ein Sonntag! Sollen wir da an einem Feiertag wegen einem
Feiertag schließen oder öffnen?
Interessanterweise stehen in den wissenschaftlichen Bibliotheken nicht
unbedingt die hochbezahlten Fachkräfte im Laden, sondern die gering
entlohnte Studentenschaft oder gar der Wachdienst schafft die Öffnung - man
darf halt nicht zu viel erwarten am Sonntagnachmittag. Und die öffentlichen
Bibliotheken? Überlassen wir den Laden völlig den Ehrenamtlichen und
Fördervereinen mangels Studentenschaft und treffen uns wie gewohnt am Montag
morgen wieder (und räumen auf)?
Es ist eine Frage der Prioritäten ob erst die Frage nach ausreichendem
Personal oder die Frage der Sonntagsöffnung beim Henne-Ei-Problem vorne
stehen. Das eine geht ohne das Andere nicht.
Fazit: Wo kein Kläger, da kein Richter. Die Kirchen werden sich nicht gegen
die Sonntagsöffnung von Bibliotheken wehren - denn Sonntags gehört Vati mir
- Mutter ist in der Bibliothek arbeiten (öBs haben einen sehr hohen
Frauenanteil). Ob Verdi noch für eine so kleine Gruppe einsteht, die zudem
noch einen so geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrad hat wäre eine
Frage für die Glaskugel. Eher geht da noch der örtliche Personalrat auf die
Barrikaden.
Solange das betroffene Arbeitsgesetz nicht fällt bleibt alles beim Alten.
Auch bereits jetzt dürfen öffentliche Bibliotheken mit der
Einzelhandelsregelung öffnen - mehr aber auch nicht.
Mit freundlichem Gruß
Gerald Schleiwies
(Stadtbücherei Frechen bzw. Kommission für Bibliothekspolitik des BIB und
derzeit im Urlaub...)
P.S.: Sollte sich besseren Wissens doch ein wenig Polemik eingeschlichen
haben, bitte nicht böse sein - die will nur spielen!
Am 01.12.2009 20:45 Uhr schrieb "Klauss, Henning" unter
<Klauss@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wissen Sie einzuschätzen, ob das heutige Urteil des BVerfG bzgl. Ladenöffnung
an Adventssonntagen Konsequenzen für die Öffnung von Bibliotheken an Sonntagen
hat bzw. künftig haben kann?
Mit freundlichen Grüßen
Klauß
Dr. Henning Klauß
Europa-Universität Viadrina
Stiftungsuniversität
Stellvertr. Direktor der UB der Europa-Universitaet Frankfurt (Oder) Viadrina
- Leitung Katalogisierung
- Fachreferent Wirtschaftswiss., Mathematik, Informatik, Medizin und
Naturwiss.
klauss@xxxxxxxxxxxxxxxxxx - Tel: 0335/5534-3397 - Sekret.-FAX: 0335/5534-3234
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