[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Geschichtsbild / -kultur (war: AW: [InetBib] Wahlprüfsteine der BID)



Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Pauschalisierungen auf der einen wie auf der anderen Seite bringen nun wirklich 
nichts. Ob es a) nun um die Reduktion der Die Linke auf ihren teilweise (wenn 
auch grösstenteils, besonders im Osten) Ursprung als SED-Nachfolgepartei geht 
oder b) die CDU/CSU als Zentrumsnachfolger auf den Kuhhandel Reichskonkordat 
für Ermächtigungsgesetz reduziert wird. Um ein Wort für das Zentrum ins Gewicht 
zu legen, möchte ich hier jedoch noch stellvertretend folgende zwei Namen in 
Erinnerung rufen: Eugen Bolz und Josef Wirmer. Gerade an diesen beiden Namen 
zeigt sich, wie wenig solche Vereinfachungen auf ein-zwei Sachverhalte den 
tatsächlichen Verhältnissen gerecht werden und welches krude Geschichtsbild sie 
vermitteln!
Zu Eugen Bolz noch: Als Günther Oettinger sich in einem öffentlichen Brief für 
seine Filbinger-Trauerrede rechtfertigte, nannte er namentlich als sein Vorbild 
unter den Widerstandskämpfern gerade mal Stauffenberg. Wie peinlich für 
jemanden in seiner Position, dass er sich anscheinend noch nicht einmal daran 
zu erinnern vermag, auf wessen Stuhl er quasi in der Villa Reitzenstein sitzt! 
Solche Kultur- und Geschichtsbanausen sind unter den heute aktiven Politikern, 
egal welcher Partei sie angehören, heutzutage doch die grössere Gefahr. Weit 
grösser, als Ruheständler, die nicht den Mut hatten, in ihrer Jugend aktiv 
gegen den Nationalsozialismus aufzubegehren, oder Personen, die aufgrund ihres 
beruflichen Fortkommens in einer Massenpartei Mitglied geworden sind, jedoch 
dort von Beginn an als Karteileiche fungierten. Wir erinnern uns: Der nach dem 
Krieg im Westen geborene Wirtschaftsjurist Oettinger, wollte die Handschriften 
in der Badischen Landesbibliothek verscherbeln!
Leider müssen wir uns im Bibliothekswesen da auch ein wenig an die Nase fassen. 
Ich meine in der Ausbildung eine immer stärker um sich greifende "BWLisierung" 
erkennen zu können, tlw. redet man ja auch schon in unseren Bereichen von der 
Informationswirtschaft und nicht mehr von der Informationswissenschaft. So 
wichtig Informationskompetenz und Wissensmanagement sind, so wichtig sind mir 
eben auch eher klassische Fächer wie die Buch- und Bibliotheksgeschichte. Da 
scheint mir, es wird uns Kompetenz verloren gehen und eine mögliche Folge wäre 
dann eben, dass auch auf diesem Feld immer mehr auf eine Handvoll Sachverhalte 
reduziert wird, ohne den tatsächlichen Gegebenheiten gerecht werden zu können.
 
Mit schönen Grüssen aus Bern
Bernd Martin Rohde
_______________________________________________________
Bernd Martin Rohde, Dipl-Bibl. (FH), UP in Rare Book Librarianship
Sportweg 15, CH 3097 Liebefeld (Gde. Köniz BE)
Tel.: +41 (0)31 971 96 74
mailto:b.m.rohde@xxxxxxx
http://berndmartinrohde.gmxhome.de
(dienstl.: mailto:bernd.rohde@xxxxxxxxxxx)



-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx 
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Juergen Fenn
Gesendet: Donnerstag, 17. September 2009 22:41
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Wahlprüfsteine der BID



thomas@xxxxxxxxxxx schrieb:

begreift einer hier, wie man so naiv sein kann, allen Ernstes auch die
SED-Nachfolgepartei nach ihrer Meinung zu Bibliotheken zu befragen???
So als handelte es sich um eine demokratische Partei!

Gegen eine Befragung der Zentrums-Nachfolgeorganisation CDU/CSU haben
Sie aber nichts einzuwenden?

Als sie die Macht hatten, gab es zwar genug Bibliotheken, aber keine
interessanten Bücher drin, denn die hatten sie verboten.

Das Zentrum hatte einer verbrecherischen Partei an die Macht verholfen,
die bekanntlich unter anderem auch Bücherverbrennungen durchführte. Und
dann folgten Massenmord und Krieg. Und vieles mehr, für das wir auf alle
Zeit "besudelt unter den Völkern" stehen werden.

Nachdenklich am späten Abend,
Jürgen Fenn.

-- 
http://www.inetbib.de


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.