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[InetBib] Hybridpublikation: Zahlen aus Autorensicht
- Date: Tue, 18 Aug 2009 13:44:04 +0200 (CEST)
- From: Eric Steinhauer<eric.steinhauer@xxxxxxxxx>
- Subject: [InetBib] Hybridpublikation: Zahlen aus Autorensicht
Liebe Liste,
stellen Sie sich vor, Sie gehen aus einem hellen Raum in einen dunklen.
Rückwärts. Sie wissen nicht, wie der dunkle Raum aussieht, geschweige denn, wie
groß er ist. Alles was Sie sehen, sehen Sie im Licht des Raumes, den Sie gerade
verlassen haben. Je weiter Sie aber in den neuen Raum hineinkommen, desto mehr
nehmen Sie wahr und desto heimischer werden Sie dort. Irgendwann finden Sie
vielleicht auch den Lichtschalter und können dann den alten Raum ganz vergessen
und vollkommen sicher im neuen Raum umhergehen.
Das ist etwa die Situation, in der wir uns alle (Autoren, Bibliothekare,
Verleger) angesichts der neuen Strukturen des netzgestützen Publizierens
befinden. Wir sehen immer noch alles vom Hergebrachten her. Verleger vielleicht
mehr als Autoren, weil sie möglicherweise auch mehr zu verlieren haben oder
sich schwerer tun, einen Standpunkt im neuen Raum zu gewinnen.
Beim hybriden Publizieren sind die Dinge meiner Meinung nach sehr
vielschichtig. Für einige Arten von Literatur scheint es mir die eierlegende
Wollmilchsau zu sein, für andere Arten von Werken gänzlich ungeeignet.
Sehr passend finde ich es für moderne Lyrik. Derartige Literatur ist in
Buchhandlungen fast ausnahmslos nicht vertreten. Kauft man ein Buch unbesehen,
gleicht es oft einem Lotteriespiel; meist verliert man. Sind die Texte hingegen
gut, will man sie physisch besitzen. Lyrik-Leser sind so. Open Access und
Verkaufsförerung gehen hier eigentlich gut zusammen.
Sehr gut passt es auch zu Hochschulschriften. Ich bin der Ansicht, dass jede,
aber auch wirklich jede Dissertation online zur Verfügung stehen muss. Nur so
ist sie tatsächlich in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit ausreichend
präsent. Der Umstand, für bestimmte, im allgemeinen sichtbare Reihen horrende
Druckkostenzuschüsse bezahlen zu müssen, die sich noch nicht einmal in
Lektoratsleistungen und dergleichen niederschlagen, ist nicht
wissenschaftsadäquat. Sichtbarkeit und Erreichbarkeit sollten nicht "käuflich"
sein.
Da wir es bei Dissertationen mit umfangreichen Texten zu tun haben, braucht man
für die intensive Auseinandersetzung (v.a. für Rezensionen!!) immer auch die
Lesefassung. Die kann im Print-on-demand-Verfahren leicht und kostengünstig
hergestellt werden. Wird die Arbeit preiswert angeboten, wird es auch
interessierte Privatkäufer geben.
Hier kann ich nur aus meiner Perspektive sprechen. Bis 25 ? kaufe ich
interessante Titel anstandslos, wenn ich den Text kenne und für gut befunden
habe (Open Access!). Jenseits von 50 ? (leider üblich bei juristischen
Arbeiten) ist - von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen - Feierabend.
Ich kann für den wirtschaftlichen Erfolg von hybriden Arbeiten aus
Verlegersicht keine Zahlen vorlegen. Ich kenne aber die Zahlen meiner
Dissertation, die ich hybrid publiziert habe, aus Autorensicht ziemlich gut.
Die Lehrfreiheit katholischer Theologen an den staatlichen Hochschulen in
Deutschland. - Münster : Verl.-Haus Monsenstein und Vannerdat, 2006. - XXIV,
367 S. - (Theologie und Hochschule ; 2) ISBN 978-3-86582-334-2
Zugl.: Münster, Univ., Diss., 2006.
http://www.db-thueringen.de/servlets/DocumentServlet?id=6304
Einige der Zahlen hatte ich am 22. Januar 2008 hier schon einmal mitgeteilt:
http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg35510.html
Die Zugriffe auf den Volltext sind mittlerweile weiter gestiegen. Eine neue
Rezension ist ebenfalls zu verzeichnen. In einer jüngst erschienenen
einschlägigen Dissertation wird meine Arbeit mehrfach zitiert. Was will ich
also mehr?
Und der Absatz? Bis heute wurden 40 Exemplare verkauft. Hier freilich muss man
wissen, dass die Fakultät damals 30 (!!) Freiexemplare für den Tausch
beansprucht hat. Nicht wenige Universitäten werden daher als Käufer für das
Buch ausgefallen sein. Mit Rezensions- und Schenkungsexemplaren wurden bislang
gut 110 Bücher verbreitet. Für eine Dissertation zu einem
staatskirchenrechtlichen Spezialthema ist das ein ordentliches Ergebnis.
Was hat mich das gekostet? Ich habe 1.237,50 ? bezahlt und dafür 85
Freiexemplare erhalten. Von diesen Freiexemplaren wurden die Pflichtablieferung
bei der Fakultät, die Rezensionsstücke sowie Geschenke an Kollegen, Freunde und
Bekannte bestritten. Ein paar Bücher habe ich noch im "Handlager". Durch VG
Wort und Verkaufserlöse habe ich rund 700 ? erwirtschaftet, macht unterm Strich
gut 530 ? Kosten. Damit hat mich jedes Exemplar, das ich vom Verlag bekommen
habe, etwa 6,20 ? gekostet. Für ein Buch im Umfang von 391 Seiten ist das
sicher in Ordnung. Und wäre ich mit den Geschenken und Freiexemplaren weniger
großzügig gewesen und hätte ich auf mein "Handlager" verzichtet, hätte ich
vollkommen gratis publiziert. :)
Eric Steinhauer
--
http://www.inetbib.de
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.