Sehr geehrter, lieber Herr Ulmer!
Wenn ich einen Fehler gemacht haben sollte, so würde mir dies leid
tun.
Ihre Email war an "undisclosed recipients" gerichtet. Sie ist von
diesen Damen
und Herren am Mittwoch an zahllose weitere Empfänger und Listen
weiterverbreitet
worden. Ich selbst habe Ihre Mail von mehreren Seiten erhalten. Sie
selbst
fordern in Ihrer Mail dazu auf "nach(zu)fragen" und zu
"besprechen". Schließlich
enhält Ihre Mail keinen Disclaimer in der Art wie: "Nur für den
Empfänger
bestimmt. Weiterleitung nicht gestattet." Aus diesen Gründen mußte
ich annehmen,
daß es Ihnen nur lieb und recht ist, wenn ich Ihre Mail noch
zusätzlich an eine
Liste schicke, in der weitere AutorInnen Ihres Hauses angemeldet sind.
Zur Sache: Sie werfen den Bibliotheken "Handeln...kriminelle(n)
Ausmaße(s)" vor.
Das ist - mit Verlaub - starker Tobak! Sie werfen mit diesen Worten
einem ganzen
Berufsstand strafbares Tun vor. Man könnte so etwas als Beleidigung
(§ 185 StGB)
verstehen.
Ich selbst bin der Meinung, daß die Wiedergabe von digitalisierten
Bibliotheksbeständen in einer Bibliothek nicht nur gesetzlich
ausdrücklich ohne
irgendwelche Einschränkungen gestattet ist, sondern einem
gesetzlichen Auftrag
an uns Bibliothekare entspricht. Der deutsche/europäische
Gesetzgeber, der
Bundestag, der Vertreter des ganzen deutschen Volkes hat in einem
demokratischen
Verfahren den neuen § 52b UrhG beschlossen und in Kraft gesetzt.
Stichwort:
Deutsche/europäische digitale Bibliothek. Bitte lesen Sie einmal die
entsprechenden legislativen Dokumente nach. Zitat: "Bildungsauftrag
der
genannten Einrichtungen." "Ausführlich erörtert und auf allgemeine
Zustimmung
gestoßen." (Begründung RegE zu § 52b UrhG). Bitte weisen Sie mir im
Text von §
52b UrhG nach, daß aktuelle Lehrbücher ausgenommen sind! Wo steht
etwas von
Kopierverbot? Allein schon aus diesen wenigen Gründen kann ich nur
alle
Bibliotheken dazu ermutigen, dem gesetzlichen Auftrag(!) weiter
nachzukommen und
ihre Bestände digital anzubieten.
Wenn Sie und der Börsenverein des deutschen Buchhandels glauben,
daß der
ausdrückliche Wille des deutschen bzw. europäischen Gesetzgebers
"kriminelles
Handeln" nach sich zieht, bitteschön, gehen Sie vor Gericht! Als
Jurist bin ich
ein großer Freund von Musterprozessen.
Selbstverständlich könnte man den § 52b UrhG auch anders
formulieren, so daß er
Ihnen und dem Börsenverein gefällt. Wenn es in Verlagskreisen
niemanden geben
sollte, der dem Gesetzgeber einen Ihnen gefälligen
Formulierungsvorschlag
unterbreiten könnte, biete ich Ihnen gerne meine Hilfe an. Wieviel
sind Sie denn
bereit zu zahlen? Ich finanziere derzeit drei studierende Kinder
und benötige
jeden Euro, damit diese Studenten sich vielleicht doch mal ein
Lehrbuch kaufen
können. Wenn aber Gesetzgeber und Gerichte nicht bereit sind, die
finanziellen
Interessen der Verlage über die gesamtgesellschaftlichen Interessen
an Bildung
und Information zu stellen, muß ich von Ihnen fordern, die
demokratische
Mehrheitsentscheidung zu akzeptieren und nicht eine Gruppe zu
"kriminalisieren",
die das Gesetz gar nicht zu verantworten hat.
Trotzdem mit den allerherzlichsten Grüßen
Ihr
--
Dr. Harald Müller
Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und
Völkerrecht /
Bibliothek
Max Planck Institute for Comparative Public Law
and International Law / Library
Im Neuenheimer Feld 535; D-69120 Heidelberg
Phone: +49 6221 482 219; Fax: +49 6221 482 593
Mail: hmueller@xxxxxxx
-----Original Message-----
From: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] On Behalf Of Matthias
Ulmer
Sent: Thursday, March 26, 2009 5:10 PM
To: inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Subject: [InetBib] Müllers Ulmer-Brief
Sehr geehrter Herr Müller,
es freut mich auf der einen Seite, dass Sie mein Schreiben über den
Kreis unserer Autoren hinaus bekannt machen.
Auf der anderen Seite frage ich mich, ob das Ihr Stil ist, dass Sie
Briefe, die nicht an Sie gerichtet sind, im großen Umfang
weiterschicken? Sie sind der Jurist und wissen das natürlich besser.
Mein Gefühl sagt mir, dass da nicht nur die Regeln des Anstands
sondern auch des gesetzlich Zulässigen überschritten sind.
Sie schreiben, dass ich mich vermutlich im Urheberrecht nicht
auskenne. Da Sie dagegen ja als Jurist und Spezialist über profundes
Wissen verfügen, nennen Sie mir doch die Stelle im UrhG, die Ihnen
die Vervielfältigung und Verbreitung meines Briefes ohne meine
Zustimmung genehmigt.
Wenn Sie die nicht finden, dann gebe ich mich auch mit einer
einfachen Entschuldigung zufrieden.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Ulmer