Martin Bucher schrieb:
Von Filmen habe ich nicht gesprochen, weil ich ein hoffnungsloser Alt-Opa bin, ich digitalisiere seit vielen Jahren Handschriften und Drucke. Aber als Sicherung für die Nachwelt ist das alles nichts, alle Langzeitarchiverungskonzepte gehen von eben jener trügerischen Grund-Sicherheit aus, in der wir uns alle wähnen, bis dann so etwas wie in Köln passiert, ganz ohne GAU und ohne Terroristen und ohne Weltkrieg. Genau darüber muß man aber reden. Jeder (ich auch) hätte noch vor einer Woche für hysterische Katastrophenszenarien gehalten, was jetzt Realität ist.On Wed, Mar 04, 2009 at 11:03:51AM +0100, Mentzel-Reuters wrote: Hallo Herr Mentzel-Reuters,[ ... ] Wie wäre es mit einer Diskussion über Schutzverfilmung, Suche nach Mikrofilmen der möglicherweise vernichteten 1400 Buchhandschriften und zig-tausenden von Archivalien? Das ist natürlich nicht so sexy , gebe ich zu.von einer solchen Diskussion an dieser Stelle zu diesem Zeitpunkt kann ich aus eigener Erfahrung nur abraten ;-). (Herzogin-Amalia-Bibliothek ...)Im 21. Jahrhundert wird natürlich gescannt und nicht verfilmt. Zum Glückrückt der Zeitpunkt immer näher, an dem auch der engagierte Privatmensch einen bemerkenswerten Beitrag zum Erhalt von Kopien des 2-dimensionalen Kulturguts leisten kann (1 TB kostet m.W. momentan ca. 80 Euro).Mit freundlichen Grüßen Martin Bucher
Und was macht der Großrechner, wenn das Gebäude einstürzt? Daten haben weniger Chancen so etwas zu überleben als selbst die Originale. Man kann das Risiko durch verteiltes Abspeichern reduzieren, aber das ist teurer und letztlich auch unhandlicher als die Lagerung von Mikrofilmen.
Man kann das eine tun und das andere nicht lassen (d.h. digitalisieren und auf zuverlässigere Träger ausgeben als es selbst die besten HDD sind). Digitalisate sind sicher benutzerfreundlich und Mikrofilme nicht. Mikrofilme sind häßlich, unhandllich und für den forschenden Wissenschaftler mit dem Charme von frühkindlichen Traumata umgeben. Aber kein Digitalisat hätte das überstanden, was etliche unsere (MGH-)Mikrofilme 1943 ff. durchgestanden haben - und etliche darunter, deren Originale verloren gingen.
Was Köln betrifft kommt der Scanner eh zu spät. Für Originale, die jetzt nicht mehr geborgen werden können (mögen es wenige sein!), gibt es entweder Mikrofilme oder Photos oder sie sind verloren. Darum ist die Frage, ob und wo es Filme von Kölner Beständen gibt, das Wichtigste überhaupt. Selbst wenn, was ich hoffe, viele Originale gerettet werden können: sie müssen geborgen, langwierig restauriert und wieder bereitgestellt werden und jeder wird fragen, wie das Objekt vor dem März 2009 aussah. Ich habe viel mit ehemaligen Königsberger Handschriften zu tun, ich weiß, wovon ich rede. Und man sollte vielleicht daran denken, daß in der Zwischenzeit die Forschung weitgeht und dankbar wäre, wenn sie auf Reproduktionen zugreifen kann - damit das Original mit nötiger Sorgfalt restauriert werden kann. Der Vergleich mit Weimar hinkt! Dort gingen primär Drucke verloren. Drucke sind niemals so singulär wie Handschriften und Urkunden. In Köln geht es in vielen Fällen um das nackte Überleben der Texte, nicht bloß einzelner Textzeugen. Als Beispiel: Manche Abschriften des 19. Jh.s im MGH-Archiv sind heute Hauptüberlieferungsträger für mittelalterliche Texte, weil alles andere vernichtet wurden. Im Falle des Briefregisters Kaiser Friedrichs II. ist es einer unserer Mikrofilme (der ist seit 1996 digitalisiert im Web, aber wegen der Benutzbarkeit, nicht als Sicherheit).
Ich will nichts verharmlosen und schon gar nicht die eine (Weimarer) gegen die andere (Kölner) Katastrophe aufwiegen. Aber auch Ihre Mail, lieber Herr Bucher, zeigt, daß die Dimensionen der Kölner Katastrophe noch gar nicht richtig vermittelt worden sind. Aber gut, daß wir jetzt darüber reden. Und einen Dank an Klaus Graf, der sich die Mühe der Dokumentation macht, auch wenn seine Rezipienten gewißlich mit ihm geradezu so grob umgehen, wie es nach landläufiger Meinung in dieser Liste alleine K. G. tut.
Mit nächtlichen Grüßen Arno Mentzel-Reuters