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RE: [InetBib] Europäische Digitale Bibliothek Europeana
- Date: Fri, 21 Nov 2008 11:00:57 +0100
- From: "Kay Heiligenhaus" <kay.heiligenhaus@xxxxxxxxxxxx>
- Subject: RE: [InetBib] Europäische Digitale Bibliothek Europeana
Sehr geehrter Herr Gradmann,
vorneweg: Ich nenne sowas einen Power-Point-Launch! Da versammeln sich
andächtig 5 (oder 50 oder 500) Leute in einem Raum in Brüssel und feiern die
Eröffnung einiger Power-Point-Folien. Danach geht man zum Tagesgeschäft über.
Daß sich tatsächlich 3.000 Leute für eine echte Webanwendung interessieren
könnten, kommt dabei nicht mal in den Blick. Es reicht ja, wenn Herr Barroso
erklären kann:
"Mit Europeana kombinieren wir Europas Wettbewerbsvorsprung in den
Kommunikations- und Netztechnologien mit unserem reichen kulturellen Erbe. Die
Europäer haben nun schnell und einfach über ein einziges Portal Zugang zu den
riesigen Beständen unserer großartigen Sammlungen. Europeana ist mehr als eine
Bibliothek: sie inspiriert die Europäer des 21. Jahrhunderts dazu, der
Kreativität ihrer innovativen Vorfahren nachzueifern, wie es die treibenden
Kräfte der Renaissance taten."
Nur leider: diese Europa hätte Zeus weder entführt noch geschwängert. Aber gut.
Kurz zu Ihren Punkten:
Furthermore, the technical building blocks used for this
implementation are not necessarily the ones we will retain for the
implementation of a second, operational implementation.
Damit kann man sich technisch immer auf der sicheren Seite fühlen: "Nein,
natürlich nicht. Das, was wir implementiert haben, ist nicht das, was wir
eigentlich später implementieren wollen." Meine Haltung dazu: Traue keinem
Entwickler, der sagt, daß seine Implementierung zwar nicht der konzipierten
Architektur entspricht, er diese aber immer in seinem Kopf hatte für die
nächste Version. Wer seine Vorstellungen nicht in Code gegossen bekommt, sollte
besser Papier benutzen und Presseerklärungen schreiben.
b) ist die von Herrn Heiligenhaus rapportierte "Sammlung
pornographischen Materials" schlicht ein Teil der Europeana-
Kollektionen - nur eben ein etwas freizügigerer Teil mit etwas mehr
nackter Haut. Der Unterschied zwischen Nacktheit und Pornographie
dürfte aber wohl nicht erklärungsbedürftig sein (hoffe ich zumindest!)
Das brauchen Sie mir sicherlich nicht erklären. Ich frage mich nur, warum die
mir gezeigte Seite _nichts_ anderes enthielt, als diverse Links zu selbst so
betiteltem pornographischen Material in Bild- und Video-Form. Als Entwickler
schien es mir so, daß das die Testcases waren, an denen sich die Programmierer
abgearbeitet haben. Das mag jeder halten, wie er will. Ich hätte mir gewünscht,
die Entwickler hätten ein breiteres Spektrum unseres kulturellen Erbes im Blick
gehabt.
Der Start ist also erfolgt und gelungen: der Prototyp funktioniert mit
allen bekannten und oben angesprochenen Einschränkungen. Getestet
wurde der Prototyp mit simulierten 500 (nicht 5, auch nicht 50!)
simultanen Benutzern - heute Vormittag aber waren es 3000 simultanen
Nutzer (bzw. um die 10 Millionen Anfragen pro Stunde!) Sehr
erfreulich - aber in dieser Dimension auch nicht abzusehen!
Bitte? Da kann man wirklich nur auf die Ausführungen von Herrn Schindler
verweisen: 3000 simultane Nutzer in der Stunde sind sicherlich nicht von Pappe,
aber müssen von einem System, das den 700.000.000 simultanen Bürgern Europas
die versprochenen Erleuchtungen bringen soll, schlichtweg zu stemmen sein. Was
machen Sie denn, wenn sich wirklich jemand dafür interessiert?
Die Premiere hat also stattgefunden und war erfolgreich.
Nein. Das war es aus meiner Sicht nicht. Und das ist auch keine Premiere.
Beste Grüße,
Kay Heiligenhaus
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