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Re: [InetBib] Nutzungsrechte an Diplom-, Master- und Bachelor-Arbeiten
- Date: Wed, 23 Jul 2008 14:40:13 +0200 (CEST)
- From: Eric Steinhauer<eric.steinhauer@xxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Nutzungsrechte an Diplom-, Master- und Bachelor-Arbeiten
Lieber Herr Graf, lieber Herr Dietz, liebe Liste,
für die ?verschraubten? Gedankengänge kann ich nichts, das ist bei Juristen
systembedingt. Ich bitte um Nachsicht.
Dennoch bleibe ich dabei, dass es zwischen Doktordissertationen und
studentischen Abschlussarbeiten den einen, prüfungsrechtlich bedeutenden
Unterschied gibt, dass die Prüfungsarbeiten in rechtlicher Sicht keine
wissenschaftlichen Arbeiten sein müssen. Ich sage ?sein müssen?. Das heißt, sie
können selbstverständlich von ihrer Anlage her eine wissenschaftlich relevante
Arbeit darstellen.
In diesem Fall sollten diese Arbeiten auch publiziert werden, denn nur so
können sie im Kommunikationssystem Wissenschaft überhaupt wahrgenommen werden.
Da diese Wissenschaftlichkeit aber eine prüfungsrechtlich irrelevante
?Draufgabe? darstellt, kann die Publikation dieser Arbeiten im Gegensatz zu den
Doktordissertationen nicht Gegenstand des Prüfungsrechts sein und dort auch
nicht gefordert werden.
Eine Publikationspflicht beurteilt sich hier einzig und allein nach dem
Urheberrecht. Da, wie Herr Dietz richtig anmerkt, dem Urheberrechtsgesetz eine
gesetzliche Publikationspflicht fremd ist, wäre hier nur der Weg einer
Nutzungsrechtsübertragung auf die Hochschule zu beschreiten. Entsprechende
Nutzungsrechte könnten ähnlich wie beim beschäftigten Urheber nach § 43 UrhG
eingeräumt werden.
Da sich aus der Hochschulmitgliedschaft als Studierender wohl keine
Rechtsgrundlage für eine Nutzungsrechtsübertragung herleiten lässt, wäre in
einem gesonderten Absatz eine entsprechende Pflicht im UrhG zu begründen. Eine
Regelung im Hochschulgesetz reicht nicht, da dies Landesrecht ist und als
solches keine Änderung des Bundesrechts bewirken kann. Die freie Entscheidung,
ein Werk zu publizieren, wird eben in § 12 Abs. 1 UrhG bundesrechtlich
gewährleistet.
Der von Herrn Graf angesprochene und vollkommen zugegebene Umstand, dass
studentische Abschlussarbeiten mitunter hohen wissenschaftlichen Ansprüchen
genügen, ist für mich kein Anlass, über eine Änderung des Prüfungsrechts
nachzudenken und die Publikation der studentischen Arbeit als Prüfungsleistung
zu normieren mit der Konsequenz, dass ohne Publikation keine Graduierung
erfolgt.
Die breite Masse der Prüfungsarbeiten sind eben nicht mehr als
berufsqualifizierende Prüfungspapiere. Dass sie genau dies sein dürfen und
damit ihrem Zweck voll gerecht werden, ist opinio communis im Hochschulrecht,
vgl. Karpen, in: Hailbronner/Geis, HRG, § 18, Rn. 14 [Stand: 11. Erg.-Lfg.
Oktober 1992].
Ich finde die Frage nach der Publikations?pflicht? von Abschlussarbeiten falsch
gestellt. Warum dieses ?alles oder nichts?? Erst kümmern sich die Hochschulen
gar nicht um ihre studentischen Abschlussarbeiten, dann sollen gleich alle
Arbeiten der Welt zur Verfügung gestellt werden.
Ich plädiere für den Mittelweg. Das Angebot einer durchdachten
Publikationsinfrastruktur (hybrides Publizieren etc.) für die guten Arbeiten
reicht eigentlich aus, um die lohnenswerten Werke in das wissenschaftliche
Gespräch zu heben. Aber auch dies sollte der Entscheidung der Absolventen
überlassen sein. Gerade in den Geisteswissenschaften ist es nicht unüblich,
dass Abschlussarbeiten zu Dissertationen ausgebaut werden. Warum sollte man
diesen, auch zeitökonomisch sinnvollen Weg durch Publikationspflichten stören?
Ein Wort zu Österreich. Hier bin ich kein Fachmann. Im einschlägigen
Wikipedia-Artikel habe ich aber dies gefunden:
§ 86 Abs. 1. UG (Universitätsgesetz) 2002: "Die Absolventin oder der Absolvent
hat die positiv beurteilte Diplom- oder Masterarbeit, Dissertation oder
künstlerische Diplom- oder Masterarbeit oder die Dokumentation der
künstlerischen Diplom- oder Masterarbeit durch Übergabe an die Bibliothek der
Universität, an welcher der akademische Grad verliehen wird, zu
veröffentlichen. ..."
Ist das für eine 2002(!) ergangene Regelung nicht merkwürdig antiquiert:
Übergabe eines Werkstückes (was sonst soll ?Übergabe? sein) an die Bibliothek?
Die hier geforderte Publikation auf unikalem Handschriftenniveau spricht
eigentlich für meine These, dass Abschlussarbeiten nicht in der vollen Breite
zu publizieren sind. Soweit ich sehe, sind BA-Arbeiten selbst in Österreich
nicht ablieferungspflichtig.
Eric Steinhauer
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.