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[InetBib] Erfordert das neue Urheberrecht Lizenzverträge für elektronischen Dokumentversand?



Hinweisen möchte ich die Liste noch auf die gemeinsame Presseerklärung der
int. Rechtsanwaltssozietät und Wirtschaftskanzlei Lovells LLP und Subito e.V.
vom 6.3.2008, die ich heute auf der Subito-Homepage verlinkt fand,
http://www.subito-doc.de/cms/files/Lovells-subito-06-03-08.pdf
(Lovells LLP hat Subito e.V. bei der Aushandlung des Subito-Rahmenvertrags
beraten.)

Die Überschrift "NEUES URHEBERRECHT ERFORDERT LIZENZVERTRÄGE
FÜR ELEKTRONISCHEN DOKUMENTVERSAND" dürfte beim Börsenverein
zu Jubel Anlass geben. Endlich hat man die Bibliotheken soweit, das zu konzedieren,
auch wenn es im Gesetz nicht drinsteht.

Festzuhalten ist, dass, anders als es die Pressemitteilung suggeriert, die Etablierung der EZB als Instrument zum Nachweis eines "offensichtlichen" Verlagsangebots
mit dem Ziel der Schaffung von Rechtssicherheit, auf eine Vereinbarung von
DBV und Börsenverein (unter Einbeziehung internationaler Verlage)
zurückgeht, die bereits im "Schrankenpapier" vom 11.01.2007 enthalten war.
Dass dies für Subito übernommen wurde, ist sinnvoll, es bedurfte und bedarf
aber keines Abschlusses von Lizenzverträgen mit konkreten Verlagen oder eines
Beitritts von Verlagen zum Subito-Rahmenvertrag, um in dieser Hinsicht
ausreichende Rechtssicherheit zu schaffen, zumal die Einigung zwischen DBV und Börsenverein in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen ist (vgl. den abweichenden
Wortlaut der Beschlussempfehlung BT-Drs. 16/5939, S. 8 (Nr. 13) und die
Begründung dazu auf S. 45:

"Daneben wird ergänzt, dass das eigene Onlineangebot der Verlage nur dann
vorrangig ist, wenn es „offensichtlich“ ist. Hierdurch werden Besorgnisse der Bibliotheken aufgegriffen, dass es ihnen kaum möglich sei, flächendeckend die
Existenz von Onlineangeboten zu überprüfen und damit verlässlich über die
Zulässigkeit des eigenen Kopienversandes zu befinden.Ein Angebot ist
jedenfalls dann offensichtlich, wenn es in einer Datenbank aufgeführt ist, die
von den Bibliotheken und Verlagen aufgrund einer Vereinbarung zentral
administriert wird. Die Einrichtung einer solchen Datenbank liegt auch im
Interesse der Verlage, die durch die Einstellung ihres Angebots in die
Datenbank gewährleisten können, dass dieses „offensichtlich“ im Sinne des
§ 53a ist und damit Vorrang vor einem elektronischen Kopienversand durch
die Bibliotheken genießt."

Der Sinn der Subito-Rahmenverträge ist ja gerade, die elektronische
Dokumentenlieferung auch dort zu ermöglichen, wo §53a sie mit gesetzlicher
Lizenz nicht gestattet, d.h. wenn in der EZB ein ppv Angebot nachgewiesen ist.

Wenn uns also Subito e.V. suggerieren will, 'wir mussten den via Nachtrag Nr.
1 modifizierten Rahmenvertrag unterzeichnen und dabei die ein oder andere
Kröte schlucken, damit die deutschen Bibliotheken überhaupt Rechtssicherheit
für den Kopienversand haben', dann geht das an den Tatsachen vorbei.

Die in dieser Zuspitzung rechtlich unhaltbare Kernaussage der Pressemitteilung,
das neue Urheberrecht erfordere Lizenzverträge für den elektronischen
Dokumentversand", erklärt schlüssig, warum Subito e.V. derzeit und wohl noch auf längere Zeit auch bei Vorliegen einer gesetzlicher Lizenz (z.B. für Verlage, die nach allem, was bekannt ist, überhaupt noch keine ppv-Angebote vorhalten, oder auch nur solche, die ihre Angebote in der EZB bereits nachgewiesen haben und bei denen die gewünschte Zeitschrift oder der gewünschte Jg. elektronisch
nicht angeboten wird, die aber den Rahmenvertrag für GALS noch nicht
unterzeichnet haben), die elektronische Lieferung von Artikeln fast vollständig
eingestellt hat und sich damit weitgehend selbst ausbremst, zum Schaden von
Bildung und Wissenschaft. Dies dürfte allerdings kaum im Sinne der Lobby-Arbeit des Börsenvereis sein, der ja gerade zeigen wollte, "dass massenhafte Nutzungs- vorgänge auch und gerade im Wissenschaftsbereich individuell lizenziert werden
können" und die "dem Ruf nach immer weiteren gesetzlichen Beschränkungen
des Urheberrechts zugunsten Bildung und Forschung mit der subito-Lizenz-
vereinbarung ein funktionierendes privatwirtschaftliches Lizenzmodell"
gegenüber stellen wollten. Es ist jedenfalls schwer zu vermitteln, wenn wochen- und monatelang ausser von 3 Verlagen (seit 4.2.: Thieme, seit 3.3.: Klostermann, seit 7.3.: Ulmer, unser Dank und unsere Gratulation sind ihnen sicher!) nichts
elektronisch geliefert werden kann, anstatt sich darauf zu verständigen und
umzusetzen, was noch in der "Gemeinsamen Stellungnahme zu den §§52b und
53a UrhG-RegE" vereinbart war: "Soweit diese Meldung nicht erfolgt, greift als
Auffangtatbestand auch für diese Lieferungen eine gesetzliche Lizenz, um
sicherzustellen, dass die Bibliotheken in jedem Fall auf Wunsch digital versenden
können."

Im Lichte dieser extremen Rechtsposition und daraus resultierenden
Selbstknebelung des Vereins muß man wohl auch die Selbstverpflichtung bzgl.
der zwischenbibliothekarischen Fernleihe der Subito-Lieferbibliotheken sehen (vgl. meine Anfrage an Subito e.V. via Inetbib vom 7.3.2007, "Frage an Subito e.V. zur Zwischenbibliothekarischen Fernleihe"); es wäre hilfreich, wenn Subito e.V. erläutern könnte, wie diese Selbstverpflichtung konkret zu verstehen ist.

Es besteht Einigkeit, dass §53a nicht nur die (direkten) Dokumentlieferdienste,
sondern auch den Kopienversand auf Bestellung im Rahmen des zwischen-
bibliothekarischen Leihverkehrs regelt, soweit es um "einzelne in Zeitungen und Zeitschriften erschienene Beiträge oder kleine Teile eines erschienenen Werkes"
geht. Zum Leihverkehr heisst es im jüngsten Rundschreiben der DBV-
Vorsitzenden, Frau Beger, "Kopienversand im innerbibliothekarischen
Leihverkehr" vom 31. Januar 2008:

"Aufgrund der derzeit noch relativ hohen Verfügbarkeit von elektronischen
Lieferungen im LV auf der Basis der gesetzlichen Regelung des § 53a UrhG
will der dbv sehr eingehend mit den Leihverkehrsteilnehmern prüfen, ob im
Moment der Abschluss eines Rahmenlizenzvertrages analog dem Subito
Rahmenvertrag (Nachtrag Nr. 1) zum Dokumentlieferdienst sinnvoll ist. Dies
gilt insbesondere deshalb, weil dieser Lizenzvertrag neben der Einführung von
DRM umfangreiche Statistikangaben und Vergütungssysteme erforderlich macht.
Eine entsprechende Umfrage will der dbv über die AG Verbünde initiieren."

Es ist also keineswegs klar, dass der Abschluss von Lizenzverträgen in jedem
Fall der Königsweg ist, insbesondere solange weitgehend eh eine gesetzliche
Lizenz greift. Die nötige Rechtssicherheit wird jedenfalls nicht erst durch den Abschluss von Lizenzverträgen hergestellt, auch wenn diese in jedem Fall ein
Mehr an Rechtssicherheit schaffen.

Bernd-Christoph Kämper, UB Stuttgart

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