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Re: [InetBib] Artikel in Fachzeitschriften
- Date: Mon, 21 Jan 2008 14:37:47 +0100
- From: "Walther Umstaetter" <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Artikel in Fachzeitschriften
Sehr geehrter Dr. Latka,
Ihre Frage ist natürlich nicht einfach zu beantworten,
da es viele und oft auch subjektive Gründe gibt, warum
Aufsätze abgelehnt werden.
Ihre Aussage, der Aufsatz soll "inhaltlich gut" sein,
ist vermutlich treffender, als die meisten Leser dieser Mail vermuten,
denn er darf auch nicht zu gut oder genial sein, weil ihn die Reviewer
dann meist gar nicht so schnell verstehen. Bei SCIENCE wird z.B.
bereits innerhalb von zwei Tagen die erste Entscheidung zur Ablehnung
gefällt,
bevor es ins Peer-Reviewing geht. Es sind schon nobelpreisträchtige Aufsätze
abgelehnt worden, und wie viel Unsinn schon publiziert wurde weiß Jeder,
der sich auf einem Fachgebiet genauer auskennt.
Als Informationsvermittler habe ich die Bekanntschaft mit Wissenschaftlern
gemacht,
die sich sogar in Zeitschriften eingeklagt haben. Einer behauptete sogar zu
wissen,
wie man das bei SCIENCE erreichen kann.
Dass die Ablehnungsquote in Geisteswissenschaften meist höher sind als in
den sog.
hard sciences, liegt sicher nicht daran, dass die Publikationen in den hard
sciences
qualitativ schlechter sind. So hart das klingt, aber Peer-Reviewing und
Qualität,
hat mit Annahme oder Ablehnung vergleichsweise wenig zu tun.
Dass das Renommee der Autoren oder ihrer Beziehungen nicht unwichtig ist
(der sog. Matthäuseffekt), ist nicht neu. Insofern spielt die Vernetzung in
der
Wissenschaftler(innen) (früher sagte man Beziehungen, Seilschaften ... dazu)
eine wichtige Rolle.
Woran man also immer denken sollte, ist das Interesse der Zielgruppe,
der jeweiligen Zeitschrift. Die Qualität ist damit weniger entscheidend, als
die Frage,
ob es die Leser interessiert oder nicht. Bei einem Nobelpreisträger ist
annähernd
völlig gleichgültig, was er schreibt, denn wenn es sogar der größte Unsinn
ist,
wäre das für die Leser besonders interessant ;-).
Die Leserschaft einer Zeitschrift kann man in einigen Fällen dadurch gut
beurteilen,
dass man sich die Anzeigen, die ja manchen Zeitschriften einiges an Geld
einbringen,
genauer ansieht. Es empfiehlt sich also nicht in einer
Bibliothekszeitschrift,
die sich vorwiegend mit Bibliotheksbau beschäftigt, die Einrichtungsfirmen
zu kritisieren, die in der Zeitschrift die meiste Reklame platzieren.
Im Gegenteil, in weniger wissenschaftlichen Zeitschriften werden Aufsätze
ja oft nur an die Reklame angeschlossen, damit sich diese wohlfühlt ;-).
Besonders raffiniert macht es sich, wenn diese Anschlüsse dann noch kritisch
objektiv
wirken. Man kritisiert z.B. billige Monitore, Büromöbel oder
Softwareprodukte,
in einem Heft, oder bei der Internetpräsentation, wo sich "rein zufällig"
herausstellt,
dass die begleitende Reklame diese Fehler vermeidet.
Bei Zeitschriften bestimmter Ineressengruppen, Gesellschaften, bei
biochemischen,
medizinischen Zeitschriften etc. ist das nicht anders. Der Conterganfall
wird ja gerade
wieder aufgewärmt, weil die Abfindungen von damals aufgebraucht sind. Am
Anfang
waren kritische Analysen über dieses Medikament auch nicht das, was man in
jeder
Zeitschrift fand.
Einer der besten Aufhänger in eine Zeitschrift zu kommen,
ist natürlich die wiederholte Zitation dieser Zeitschrift, da damit deutlich
wird,
dass man sich auch für die eigene Publikation das richtige Organ ausgesucht
hat.
Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn Zeitschriften sich selbst fast
immer am
häufigsten zitieren.
Wenn man dann noch nachweist, dass ein wichtiger Herausgeber oder
Peer-Reviewer
in seiner Zeitschrift etwas ganz wundervolles publiziert hat, und dass man
nun selbst
den Beweis für die Richtigkeit dieser Aussage erbringt, kann eigentlich kaum
noch
etwas schief gehen ;-).
Verstehen Sie das nicht falsch, es menschelt auch in der Wissenschaft,
insbesondere dann,
wenn es um Geld geht. Darum wollte ja Humboldt die Wissenschaft von solchen
Einflüssen möglichst frei halten, und es ist erfahrungsgemäß nicht in jedem
Wissenschaftler
Wissenschaft drin, auch wenn es im Titel drauf steht :-)).
Das ist übrigens das fundamentale Problem der Szientometrie, dass sie mit
bestimmten
systematischen Fehlern behalftet ist, die man nicht vernachlässigen darf.
Diese Fehler genauer zu bestimmen ist daher auch eine der wichtigsten
Aufgaben
der Bibliothekswissenschaft.
MfG
W. Umstätter
----- Original Message -----
From: "Markus Latka" <latka@xxxxxxxxxxxxx>
To: <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Sent: Monday, January 21, 2008 1:00 PM
Subject: [InetBib] Artikel in Fachzeitschriften
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
bei der Veröffentlichung von Zeitschriftenartikeln stehen v.a. bislang
noch
unbekannte Autoren vor dem Problem, eine renommierte Fachzeitschrift zu
finden, die den mit viel Arbeit erstellten Artikel auch veröffentlicht.
Häufig werden solche Artikel abgelehnt, bisweilen müssen Autoren sogar aus
ihrer eigenen Tasche die Veröffentlichung finanzieren.
Was soll man einem Kunden raten, von dem man nach Tipps und Tricks bzw.
nach
der erfolgversprechendsten Vorgehensweise gefragt wird, um einen Verlag
von
der Veröffentlichung des eigenen Artikels zu überzeugen? Die erste
Voraussetzung ist sicherlich, dass der Artikel inhaltlich gut ist, aber
allein das reicht häufig nicht aus. Gibt es hier einen Kollegen/eine
Kollegin (vielleicht auch aus dem Verlagsbereich), die mir entsprechende
Informationen geben kann?
Mit bestem Dank und freundlichen Grüßen
Markus Latka
Dr. Markus Latka
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