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Re: [InetBib] [urhg-sg] Offene Fragen zum neuen Urheberrecht - Widerspruchsfristen



Lieber Herr Kuhlen, 

Aber der Satz 3 von § 137l gilt auch. 
Satz 4 interpretieren Sie wohl falsch.

Ich vermisse bei Ihrem Statement auch nur den Versuch einer 
Begründung ihrer Rechtsposition. Sie behaupten nur etwas, 
ohne dies in irgendeiner Weise auch nur plausibel zu machen. 
Das wird dem bisherigen Niveau der Diskussion nicht ganz gerecht.
Es wäre hilfreich und angemessen, wenn Sie versuchen würden, 
Ihre Ansichten auch mit juristischen Argumenten zu untermauern. 
Aus der Handreichung des Börsenvereins geht im übrigen hervor, 
dass der Börsenverein ihre Interpretation offenbar nicht teilt, denn 
darin ist für Altverträge und zum 1.1.2008 bekannte Nutzungsarten 
eine Information des Urhebers gar nicht vorgesehen. Und dem 
Börsenverein etwa zu unterstellen, er habe eine geheime Agenda, 
die er in seiner Handreichung für die Mitgliedsverlage nur nicht 
offenlege, wäre absurd (aus dem gleichen Grunde erledigt sich 
dann auch ihr Vorwurf, Klaus Graf würde hier quasi ungewollt 
kommerziellen Verwertungsinteressen zuarbeiten). Wenn die 
Verlage der Handreichung folgen, werden sie im Falle von 
Altverträgen den Autoren je nach Sachlage entweder einen 
Ergänzungsvertrag anbieten (also nicht die gesetzliche Lizenz
in Anspruch nehmen, die deutlich weniger Rechtssicherheit 
und Verfügungsbefugnis bedeutet) oder ein Jahr abwarten und 
die während dieser Zeit eingehenden Widersprüche bearbeiten.

Mit freundlichen Grüßen,
B.-C. Kämper, UB Stuttgart

----- Ursprüngliche Nachricht -----
Von: Rainer Kuhlen <rk_iw@xxxxxx>
Datum: Montag, Januar 7, 2008 9:28 am
Betreff: Re: [InetBib] [urhg-sg] Offene Fragen zum neuen Urheberrecht -
Widerspruchsfristen

Lieber Herr Graf

wir haben vom Urheberrechtsbuendnis den Eindruck, dass Sie mit 
ihrer 
unten stehenden und jetzt wieder erneuerten und uns nicht richtig 
erscheinenden Argumentation, sicherlich entgegen Ihrer Absicht, den 
kommerziellen Verwertungsinteressen quasi zuarbeiten. 

Sie haben prinzipiell natuerlich recht, dass das Widerspruchsrecht 
fuer 
eine Nutzung, fuer die die Nutzungsart zum 1.1.2008 bekannt war 
(also 
z.B. eine Digitalisierung eines bislang analogen Textes)und fuer 
die 
bislang keine explizite Rechtuebertragung an Dritte, als Verlage, 
erfolgt ist, erst mit 31.12.2008 endet. Aber der Satz 3 von § 137l 
gilt 
auch. Satz 4 interpretieren Sie wohl falsch.

D.h. wenn zum 1.1.2008 die Verlage eine Absichtserklaerung an ihre 
Autoren bezueglich einer geplanten neuen, technisch bekannten 
Nutzung 
abgeschickt haben, für die sie bislang noch keine ausdrueckliche 
Vereinbarung getroffen haben, und dieser nicht widersprochen wird, 
dann 
ist mit Ende Maerz die Widerspruchsfrist abgelaufen.

Das Aktionsbuendnis hat also keine falsche Aussagen gemacht, wie 
Sie 
meinen,sondern im Interesse der wissenschaftlichen Autoren (und 
damit 
auch der oeffentlichen Repositories) vorsichtshalber den Termin 
31.3.2008 gewaehlt. Aber natürlich bleiben weitere Fristen im Jahr, 
sobald eine Absichtserklärung des jeweiligen Verlags herausgegangen 
ist.
Da das Gesetz in §137l den Verlagen keine rigiden Auflagen für die 
Absichtserklaerung gibt (Mitteilung "unter der ihm [dem Verlag -RK] 
zuletzt bekannten Anschrift"), kann man davon ausgehen, dass vor 
allem 
bei nicht mehr ganz jungen Veroeffentlichungen viele Autoren von 
der 
Mitteilung der Verlage keine Kenntnis bekommen. Das gibt ihnen aber 
kein 
Widerspruchsrecht bis Ende 2008 und dann koenen auch die 
Repositories 
sich nicht mehr erfolgreich um einfache Nutzungsrechte bemühen.

Sie haben ja oft recht mit Ihren Analysen, aber diesmal sollten Sie 
nicht bei der Frist Ende 2008 bleiben, denn es kann dann für viele 
ein 
böses Erwachen geben, wenn es auf einmal, vielleicht nicht 
unbedingt 
Ende März (das wäre der Extremfall), aber dann irgendwann drei 
Monate 
nach der nicht angekommenen Mitteilung zu spät ist.

Das Urheberrechtsbündnis verfolgt natürlich keineswegs eine 
Blockadepolitik gegenüber den Verlagen. Die meisten Wissenschaftler 
werden nichts dagegen haben, wenn ihre alten Werke nun auch in 
neuer 
medialer technischer Form verfügbar sind (mit einfachen 
Nutzungsrechten 
für die Verlage) . Aber das Aktionsbündnis unterstützt alle 
Maßnahmen, 
die die informationelle Autonomie der Autoren unterstützen. Und im 
Interesse der Öffentlichkeit sollten grundsätzlich keine exklusiven 
Nutzungsrechte mehr an Verlage/Content Provider/"Googles" abgegeben 
werden. Das sollte ein Muss für neue Verträge werden.

I

Das Aktionsbündnis gesteht Ihnen natürlich weiter eine andere 
Einschaetzung zu, wir vertreten jedoch mit Bezug auf den 
Gesetzestext in 
der vom Bundestag beschlossenen Form die von uns verbreitete 
Interpretation, zumal alle anderen Einschaetzungen aus unserer 
Sicht 
rechtlich wenig fundiert sind und die Rechtsposition des Urhebers 
gefaehrden. Das zu vermeiden - darin sind wir uns sicher einig. Wir 
wären Ihnen daher dankbar, wenn Sie hren Beitrag unter 
http://archiv.twoday.net/stories/4572178/, auf den Sie verweisen, 
rasch 
ueberarbeiten oder zurueckziehen würden.

Die ganze Diskussion zeigt aber erneut, dass es dem Gesetzgeber 
leider 
bei verschiedenen Normen nicht gelungen ist (vgl. nur § 53), 
eindeutig 
nachvollziehbare Formulierungen zu finden - wenn selbst nicht 
gerade 
Laien zu solch unterschiedlichen Interpretationen kommen.


Mit freundlichen Grüßen
RK


Klaus Graf schrieb:
 Ein gutes Neues Jahr zuvor, liebe Liste!

 Es waere schoen, wenn konkrete Zahlen hinsichtlich der
 Nutzungsrechtsuebertragungen bis 31.12.2007 genannt werden
 koennten.

 Inzwischen gehe ich davon aus, dass Rechteeinraeumungen an
 Schriftenserver bis 31.12.2008 erfolgen koennen, die
 Verlage daran hindern, ausschliessliche Nutzungsrechte
 geltend zu machen.

 http://archiv.twoday.net/stories/4572178/ (mit Kommentaren)

 Dies scheint auch die Position des Boersenvereins zu sein
 und auch die von Heckmann in

http://www.ub.uni-
konstanz.de/fileadmin/Dateien/OpenAccess/Heckmann_oa_tage_konstanz07.pdf 


 "Zur Sicherung der Verwertungsmöglichkeiten sollten sich
 insbesondere Repositorien um eine Nutzungsrechtseinräumung
 bis zum 1.1.2009 bemühen."

 Dass die vom Urheberrechtsbuendnis und Steinhauer
 vertretene Auslegung der im Gesetz genannten
 Dreimonatsfrist falsch ist (diese bezieht sich nur auf
 heute noch unbekannte Nutzungsarten), zeigt schluessig BCK
 in seinem Kommentar zu:

 http://archiv.twoday.net/stories/4572178/

 Da der Boersenverein davon ausgeht, dass die meisten bisher
 eingegangenen Widersprueche nicht wirksam sind, sollte
 seitens von DBV und Urheberrechtsbuendnis dringend versucht
 werden, zu einer gemeinsamen Verstaendigung zu gelangen.
 Vermutlich bezieht sich der Boersenverein auf den bei
 Sammelbaenden und Zeitschriftenjahrgaengen nicht wider Treu
 und Glauben auszuuebenden Widerspruch.

 Der von Heckmann in der neuen ZfBB verbreitete neue
 Musterbrief enthaelt auch keine Klausel fuer
 Sammelpublikationen. Sollte also § 38 UrhG nicht gelten und
 eine Vereinbarung zwischen Verlag und Autor getroffen
 worden sein, die die Voraussetzungen von § 137 L UrhG
 erfuellt, so stellt sich die Frage, ob der Widerruf als
 Ganzes unwirksam ist, sofern mindestens eine Publikation
 gegenueber dem angeschriebenen Verlag nicht wider Treu und
 Glauben haette widerrufen werden duerfen. Davon scheint der
 Boersenverein auszugehen.

 Fuer die von Heckmann ins Spiel gebrachte Ergaenzung des
 Musterbriefs mit Einraeumung eines einfachen Nutzungsrechts
 gelten die Bedenken abgeschwaecht. Kann ein Verlag eine
 Nutzung des Sammelwerks vornehmen, stellt sich die Frage,
 ob eine Weiterlizensierung (z.B. fuer DigiZeitschriften,
 Google Book Search, Libreka usw.) moeglich sein muss. Hier
 erscheint der Entwurf fuer die Uebertragung eines
 quasi-ausschliesslichen Nutzungsrechts, der dem Autor die
 Moeglichkeit beliebig vieler
 Open-Access-Veroeffentlichungen belaesst, sinnvoll.

 Viel Streit koennte vermieden werden, wenn Verlage
 (vertreten durch den Boersenverein) und Verbaende
 wissenschaftlicher Urheber bzw. Bibliotheken als Betreiber
 von OA-Repositorien zu einer vernuenftigen Einigung kaemen,
 die Verlagsnutzungen UND OA parallel ermoeglicht.

 Klaus Graf






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Prof. Dr. Rainer Kuhlen
Department of Computer and Information Science
University of Konstanz, Germany
Speaker of the Coalition "Copyright for Education and Science"
http://www.urheberrechtsbuendnis.de/
URL: www.kuhlen.name
Email: rainer.kuhlen@xxxxxxxxxxxxxxx
Phone/Konstanz: 0049 7531 882879
Phone Berlin: 0049 30 27594241; Cell: 0171 4527010





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